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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Am 3. August riefen die Rektoren und Senate der bayerischen <strong>Universität</strong>en zum „heilige[n] Krieg“ 44<br />

auf, Emil Ludwig pries <strong>am</strong> 5. August im Berliner Tageblatt den „moralischen Gewinn“ 45 der<br />

Selbstmobilisierung des deutschen Volkes, Hermann Hesse schwärmte davon, aus dem „blöden<br />

Kapitalistenfrieden herausgerissen zu werden“, und konstatierte, ein „Volk von Männern [würde]<br />

wertvoller, das dem Tode gegenübergestanden hat“. 46 Magnus Hirschfeld fragte öffentlich: „Warum<br />

hassen uns die Völker?“ 47 , und Thomas Mann schrieb im November 1914 über die schale Welt des<br />

Friedens: „Wimmelte sie nicht von dem Ungeziefer des Geistes wie von Maden. Gor und stank sie<br />

nicht von den Zersetzungsstoffen der Zivilisation?“ 48 Einen Monat zuvor hatte Max Scheler <strong>am</strong><br />

gleichen Ort den Krieg als „metaphysisches Erwachen aus dem dumpfen Zustand eines bleiernen<br />

Schlafes“ 49 gefeiert. „Der zerissene Lebenskontakt zwischen den Reihen: Individuum - Volk - Nation<br />

- Welt - Gott wurde mit einem Male wieder geschlossen - und reicher wogten die Kräfte hin und her<br />

als es alle Dichtung, alle Philosophie, alles Gebet und aller Kult vorher je zur Empfindung bringen<br />

konnten.“ 50<br />

Sigmund Freud hat jenen Versuch des Ausbruchs aus der Zivilisation 1930 in seiner in vieler Hinsicht<br />

<strong>am</strong>bivalenten Schrift über „Das Unbehagen in der Kultur“ einzugrenzen versucht, als eine ewige,<br />

unaufhebbare Auseinandersetzung zwischen Todestrieb und Eros, Vernichtung und Schöpfung. Von<br />

einer Formulierung Romain Rollands angeregt, diskutiert er die Sehnsucht nach einem „Gefühl von<br />

etwas Unbegrenztem, Schrankenlosen, gleichs<strong>am</strong> ‘Ozeanischem’“ 51 , einem Gefühl, das er an sich<br />

selbst zwar nicht entdecken könne, das ihn aber doch, wie Klaus Theweleit hervorhebt, elf Seiten<br />

lang intensiv beschäftigt, als eine „Einbildung“ - um schließlich einzuräumen, „es könne sich um einen<br />

Überrest der Ungeschiedenheitsgefühle des Säuglings von seiner Umwelt handeln, mit der er in einer<br />

Art ‘Empfindungsmasse’ (!) verbunden sei.“ 52<br />

44<br />

Zitiert nach ebd., S. 147.<br />

45<br />

Zitiert nach ebd., S. 148.<br />

46<br />

Zitiert nach ebd., S. 149.<br />

47<br />

Magnus Hirschfeld, Warum hassen uns die Völker? Eine kriegspsychologische Betrachtung. Bonn: Marcus &<br />

Weber , 1915.<br />

48<br />

Thomas Mann, „Gedanken im Kriege“, in: Die neue Rundschau, Jg. 25, H. 11 (November 1914), S. 1471-1484.<br />

49<br />

Max Scheler, „Der Genius des Krieges“, in: Die neue Rundschau, Jg. 25, H. 10 (Oktober 1914), S. 1327.<br />

50<br />

Ebd.<br />

51<br />

Sigmund Freud, „Das Unbehagen in der Kultur“ [1930], in: ders., Studienausgabe Bd. IX. Fragen der<br />

Gesellschaft. Ursprünge der Religion. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: S. Fischer, 1974, S. 197.<br />

52<br />

Klaus Theweleit, Männerphantasien Bd. 1. Reinbek: Rowohlt, 1980, S. 259.<br />

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