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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Dreigestirn zum Ausdruck der Hoffnung auf einen religiösen Bund, der, geradezu als Gegenmodell<br />

des Abenteuers der völligen Hingabe, von Balázs als geschicktem Balancierer eines von ihm<br />

austarierten Gleichgewichts in Szene gesetzt wird.<br />

Ein Jahr später, im Herbst 1915, kommt in Balázs’ Wohnung der „Sonntagskreis“ zus<strong>am</strong>men, ein<br />

Zirkel junger Intellektueller, der die Keimzelle des von Balázs erträumten spirituellen Geheimbundes<br />

bilden soll.<br />

Währenddessen gerät auch Georg Lukács in Heidelberg in eine Dreierbeziehung - eine Konstellation<br />

freilich, die sich von Balázs’ „Projekt“ deutlich unterscheidet. Im Mai 1914 hatte Lukács Jelena<br />

Grabenko geheiratet und d<strong>am</strong>it seine F<strong>am</strong>ilie brüskiert. Die russische Malerin, mit der Balázs Lukács<br />

1913 in Bellaria bekannt gemacht hatte, hatte sich als Flüchtling und Anarchistin vorgestellt und ließ<br />

durch Andeutungen eine terroristische Vergangenheit vermuten. 20 Jelena, die schon im Winter<br />

1911/1912 in Paris eine kurzlebige Affaire mit Balázs gehabt hatte, hatte sich 1913 nicht nur in<br />

Lukács, sondern auch in Balázs’ Bruder Ervin Bauer verliebt. „Ljena konnte sich nicht entscheiden.<br />

Seelisch hatte sie Gyuri nötig. `Il est ma salvation`, körperlich war er aber für sie abstossend. [...] Sie<br />

schwankte zwischen den beiden, wollte zugleich beide festhalten. Gleichzeitig und zus<strong>am</strong>men, und<br />

das zu beobachten war für uns überhaupt nicht schön.“ 21 Doch Jelena Grabenko entscheidet sich<br />

schließlich, und Lukács, so scheint es, hat auf eine Gelegenheit gewartet, für Irma Seidler Buße zu<br />

tun. Jelenas Schwanken zwischen Lukács und Ervin Bauer war nur ein Vorspiel für das, was folgen<br />

sollte.<br />

Ohne seine Braut dem Vater vorzustellen, gar ihn um Rat zu fragen, teilt Lukács ihm im Dezember<br />

1913 seinen Entschluss mit zu heiraten und seine Schwester Mici hat alle Hände voll zu tun, ein<br />

endgültiges Zerwürfnis zu verhindern. Im Januar kommt es zu einem flüchtigen Treffen mit der F<strong>am</strong>ilie<br />

in Wien. Danach gibt es offenbar bis zum Mai keinen Kontakt mehr. Am 20. Mai wird in Heidelberg<br />

die Trauung vollzogen. Als Zeugen sind Dr. Ernst Bloch, „Privatmann“, und Dr. Emil Lederer (der<br />

Schwager von Irma Seidler) erschienen. 22 Auch die Zus<strong>am</strong>mensetzung der Trauzeugenschaft ist für<br />

Lukács’ Vater ein schwerer Schlag, hält er doch Ernst Bloch für eine vollkommen takt- und<br />

20 Jelena Grabenko st<strong>am</strong>mte aus Cherson. Genaueres ist weder über ihre Herkunft noch über ihr Schicksal nach der<br />

Trennung von Lukács 1918 bekannt. 1919 floh auch sie mit Hilfe von Lukács’ F<strong>am</strong>ilie nach Wien, wo sie sich noch<br />

Anfang der zwanziger Jahre aufhielt, bevor sie in die Sowjetunion zurückkehrte. Nähere Äußerungen Lukács’ über<br />

ihr weiteres Schicksal sind nicht überliefert.<br />

21 Balázs, Napló 1903-1914, S. 616.<br />

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