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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Radikaler hingegen will Kurt Pinthus das eigentliche „Kinostück“ vom „Kinodr<strong>am</strong>a“, das heißt der<br />

Verfilmung von Theaterdr<strong>am</strong>en oder Romanen geschieden wissen. „Die Grenze zwischen Kino und<br />

Schaubühne muß schärfer statuiert werden.“ 149 Auch er sieht die auf der Bühne mögliche Entfaltung<br />

eines Schicksals an das Wort gebunden, hingegen den Film auf das „Wunderbare“ 150 , auf eine<br />

„phantastische Sphäre“ hin orientiert, in der eine „plausiblere Logik“ herrschen soll, in der „die<br />

Schwere und Kausalität [...] von den Dingen abfallen“. 151 Für ihn ist das Kino vor allem eine Gewalt,<br />

die erschüttert (und er meint sicherlich eine andere Erschütterung als Herbert Tannenbaum), eine<br />

Kraft, die die „Ohnmacht des Menschen im Kosmos“ 152 spürbar macht, die Zuschauer - „kleine<br />

Kaufleute [...] Arbeiter [...] alte Frauen, zermürbt und zerdrückt vom unerfüllten Leben, zierliche<br />

Ladenmädchen und plumpe Kindermädchen, erfüllt von ungelebtem Leben, Reiche und Dichter, fast<br />

erstickt von gelebtem Leben - plötzlich von einem Film aus dem Gleichmaß ihrer Stunden<br />

herausgerissen [...], so daß sie glauben (während die Alltagswelt versinkt), Engel tragen schwebend<br />

ihre Herzen zum Himmel oder Teufel würgten ihre Seele zum Fegefeuer hinab“. 153<br />

„Höhere Kunst“ vermag freilich auch Pinthus dem Kino nicht zuzutrauen („edelste Kunst kann das<br />

Kino niemals geben“ 154 ), und so scheinen selbst die glühendsten seiner Apologeten <strong>am</strong> Ende dem<br />

Kino gegenüber befangen zu sein als einer rauschhaften Überwältigung der Sinne, die zu bekämpfen<br />

vergeblich sei, die zur wahren Kunst zu erheben unmöglich, der sich preiszugeben aber<br />

„Metaphysisches aufrütteln“ 155 und Lust gesteigerten Lebens zu spenden vermag: ein gesteigertes<br />

Leben, das in Pinthus’ Vision - im Winter 1913/14 - allerdings in der Vernichtung des Krieges<br />

gipfelt. Die Gier, sein Milieu ins unbegrenzte zu erweitern, treibe den Menschen ins Kino, „die<br />

Prärien seiner Indianerbücher, selts<strong>am</strong>e Menschen bei selts<strong>am</strong>en Verrichtungen, die üppigen,<br />

menschenfremden Ufer asiatischer Flüsse“ 156 zu sehen. Was sieht Pinthus vor seinem inneren Auge?<br />

Eine grenzenlose Weite, ekstatische Figuren, Maskentänze, fremde Rituale? Am Ende aber dröhnen<br />

„aller Herzen [...], wenn die Armeen jener Soldaten mit verzweifelt gehärteten Gesichtern aufziehen,<br />

wenn die Granaten qualmschleudernd zerplatzen und der Kinoapparat unbarmherzig das Schlachtfeld<br />

durchschreitet, starre und verstümmelte Leichen sinnlos getöteter Krieger in sich fressend.“ 157<br />

149 Pinthus, Das Kinobuch, S. 19.<br />

150<br />

Ebd., S. 27.<br />

151<br />

Ebd., S. 22f.<br />

152<br />

Ebd., S. 24.<br />

153<br />

Ebd.<br />

154<br />

Ebd., S. 27.<br />

155<br />

Ebd., S. 24.<br />

156<br />

Ebd., S. 21f.<br />

157<br />

Ebd., S. 22.<br />

165

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