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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Bühnenautoren vor dem verführerischen Moloch der Kinoindustrie - „Wie die deutschen Dr<strong>am</strong>atiker<br />

Barbaren wurden“ - auf die Bedeutung des Bühnenraumes für die Konstitution des Subjekts im<br />

Zuschauer: „Bühne und Dr<strong>am</strong>a oder Raum und Gedanke gehören so tief innerlich zus<strong>am</strong>men, daß<br />

alle dr<strong>am</strong>atische Kunst sich auflösen muß, wenn dieses von jenem getrennt wird. Die Filmwirkung ist<br />

die bewußte und notwendige Ausschaltung von Gedanken und Wort, gibt nur Raum und Vorgang,<br />

gibt nur Bild im Bilde.“ 143<br />

Herbert Tannenbaum hingegen will dem Film eine Chance geben, seine Möglichkeiten zu einer<br />

eigenen Kultur visionärer Erbauung zu entwickeln. „Das Kinodr<strong>am</strong>a führt uns aus uns heraus in eine<br />

leichtbeschwingte Welt, die von uns und unsern Schmerzen nichts weiß. Solange wir vor der<br />

Leinwand des Kinotheaters sitzen, vergessen auch wir unsere Beschwertheit und leben glückliche<br />

Augenblicke in einem Reich ohne Motive und ohne Konsequenzen. Wenn wir aber das Theater<br />

verlassen, ist in uns alles, wie es war: wir sind nicht erlöst.“ 144 Auch für Tannenbaum ist d<strong>am</strong>it der<br />

Vorrang des Theaters vor dem Kino unbestritten. Denn es bleibe die Welt der Bühne, die uns mit<br />

unseren Leiden, unseren Problemen konfrontiert, uns „erschüttert [...] und erlöst“. 145<br />

So empfehlen auch Verfechter des Kino dem Film zunächst eher leichte Kost für die Massen: Emilie<br />

Altenloh, die 1913 eine soziologische Untersuchung des Kinopublikums und seines<br />

Rezeptionsverhaltens unternimmt, rät der Kinoindustrie, vom Repertoir der klassischen Stoffe und<br />

vom modernen psychologischen Dr<strong>am</strong>a, der Kunst für eine „dünne Oberschicht“ 146 , Abstand zu<br />

nehmen und sich Operetten und Lustspielstoffen zuzuwenden. Auch in der breiten Masse der<br />

„Gebildeten“ herrsche „naive Freude <strong>am</strong> Geschehen, <strong>am</strong> bunten Wechsel der Ereignisse“ 147 , die das<br />

an die Stelle der traditionellen Volkskunst getretene Kino zu befriedigen wisse. „Die Kinofrage ist<br />

deshalb in erster Linie eine Frage des Kinodr<strong>am</strong>as. [...] Es gilt vielmehr, dem Bedürfnis nach einem<br />

neuen Typ von Volkstheater entgegen zu kommen.“ 148<br />

142<br />

Hans Land, „Lichtspiele“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 20 [zuerst in: Die Schaubühne, Jg. 6, Bd. 2, H.<br />

38 (22.9.1910), S. 963-964].<br />

143<br />

Oesterheld, „Wie die deutschen Dr<strong>am</strong>atiker Barbaren wurden“, S. 261f.<br />

144<br />

Tannenbaum, „Probleme des Kinodr<strong>am</strong>as“, S. 55.<br />

145<br />

Ebd.<br />

146<br />

Emilie Altenloh, „Theater und Kino“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 249 [zuerst in: Bild und Film, Jg.<br />

2, H. 11/12 (1912/13), S. 264-265].<br />

147<br />

Ebd., S. 250.<br />

148<br />

Ebd., S. 251f. Siehe dazu auch ausführlicher: Emilie Altenloh, Zur Soziologie des Kino. Die Kino-<br />

Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher. Jena: Diederichs, 1914.<br />

164

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