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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Eine Reihe von Autoren sehen dagegen gerade im Fehlen des Wortes die Chance, zu einer neuen<br />

Unmittelbarkeit des Ausdrucks zu gelangen. Es sei „gleichs<strong>am</strong> der Mensch noch einmal entdeckt<br />

worden. [...] Die zahllosen Möglichkeiten der Seele, sich zu geben, zu verraten, in einem Zucken<br />

oder Zittern sichtbar zu werden [...]. Eine neue Kultur der Physiognomik und des mimischen Spiels<br />

bildet sich heraus.“ 106 Egon Friedell denkt an Ibsens unterirdischen Dialog oder Maeterlicks Technik<br />

des Schweigens, an all die stummen Mitteilungen der Gebärde, die der Einbildungskraft mehr geben<br />

könnten als die menschliche Sprache: „[E]in Zucken der Wimpern, ein Senken der Lider, und es<br />

bewegt sich eine ganze Welt.“ 107 So verlangt das Spiel der Schauspieler im Film Herbert<br />

Tannenbaum zufolge „eine ganz besondere Art mimischer Begabung, wie sie heute vielleicht allein<br />

Asta Nielsen besitzt“. 108 Ihre mimischen Bewegungen, das Spiel ihres Instruments, des Körpers,<br />

erscheinen ihm nie als konventionelle Zeichen festgelegter Bedeutung, sondern als konsequenter,<br />

innerlich bedingter „Ausfluß seelischer Regungen“ 109 , als unmittelbarer Ausdruck des Affekts.<br />

Gerade diese scheinbare Unmittelbarkeit stößt zugleich auf Abwehr. Die Mehrzahl der Autoren,<br />

selbst die, die wie Joseph August Lux den gesteigerten mimischen Ausdruck einer Asta Nielsen<br />

feiern, halten unbeirrt daran fest, dass „das poetische Wort“ die Phantasie „viel stärker noch zu<br />

entfl<strong>am</strong>men“ 110 wüsste, dass das wirkliche Dr<strong>am</strong>a nur mit dem Ohr zu erfassen, „mit der Seele“ zu<br />

sehen sei, „die vom dichterischen Worte mit der selts<strong>am</strong>sten fluidistischen Kraft gespeist“ 111 würde.<br />

So mancher Kritiker des neuen Mediums erkennt nichts als „rein äußerliche Aneinanderreihung<br />

willkürlich herausgegriffener Lebensfetzen“ 112 , nichts als Willkür und Kontingenz. Verloren ginge<br />

jedes Gefühl für Kausalität, „das Innerliche, Geistig-Seelische, die Verknüpfung, die<br />

Ursächlichkeitsdarstellung, die Erklärung der Erscheinungen.“ 113 Und selbst da, wo in den Kinos die<br />

Bilder von sogenannten „Erklärern“ kommentiert und gedeutet werden, versinke das Publikum in<br />

106 Alfred Baeumler, „Die Wirkungen der Lichtbildbühne. Versuch einer Apologie des Kinematographentheaters“,<br />

in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 192 [zuerst in: März, Jg. 2, Bd. 2, 1.6.1912, S. 334-341].<br />

107 Friedell, „Prolog vor dem Film“, S. 206.<br />

108 Tannenbaum, „Probleme des Kinodr<strong>am</strong>as“, S. 54. Das Spiel Asta Nielsens ist auch für viele andere der Inbegriff<br />

einer neuen Kultur mimischen Ausdrucks, so für Joseph August Lux, Karl Bleibtreu, Walter Turszinsky, Carl<br />

Spitteler und Paul Wegener.<br />

109 Ebd.<br />

110 Julius Hart, „Der Atlantis -Film“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 397 [zuerst in: Der Tag, Nr. 301,<br />

24.12.1913].<br />

111 Joseph August Lux, „Das Kinodr<strong>am</strong>a“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 322 [zuerst in: Bild & Film, Jg.<br />

3, H. 6 (1913/14), S. 121-123].<br />

112 Heinrich Stümcke, „Kinematograph und Theater“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 243 [zuerst in: Bühne<br />

und Welt, Jg. 14, Bd. 2, H. 15 (Mai 1912), S. 89-94].<br />

113 Julius Hart, „Schaulust und Kunst“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 256 [zuerst in: Die Woche, Jg. 15,<br />

H. 37, 13.9.1913, S. 1541-1543].<br />

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