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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Duenschmann, der in seiner Studie „Kinematograph und Psychologie der Volksmenge“ 96 die<br />

entsprechende Deutung liefert: „Der Mensch verliert durch emotionale Ansteckung in der<br />

‘Volksmenge’ seine ‘bewußte Persönlichkeit und geht in einer Art von kollektiver Seele der Menge<br />

unter’, wobei er einen ‘so außerordentlich hohen Grad von Suggestibilität zeigt, wie man es beim<br />

Einzelindividuum nur im Zustande der Hypnose beobachtet’ [...].“ 97 Auch Victor Noack spricht von<br />

„tiefer Hypnose“ 98 , aus der der Besucher einer Kinovorstellung <strong>am</strong> Ende erwachen würde, von einer<br />

„Gehirntaubheit“, die der „Ätherdusche“ eines „Destillenbruders“ 99 gleichen würde, und Hermann<br />

Häfker warnt vor „Fuselrauschstimmung“ und „Aufpeitschung der Sinne“ durch alles, was nicht den<br />

„hohen und reinen Dingen dient“. 100 Robert Gaupp schildert die Kinovorstellung im dunklen Raum als<br />

Einschläferung der Kritik und „verhängnisvolle Suggestion für die willenlos hingegebene Psyche des<br />

einfachen Menschen“ 101 , um an anderer Stelle die Rezeptionsweise der Literatur gegen den Film ins<br />

Spiel zu bringen: „Beim Lesen können wir nach Belieben halt machen, <strong>am</strong> Gelesenen Kritik üben, uns<br />

von dem Druck durch Nachdenken innerlich frei machen.“ 102 Nur eine im Subjekt zentrierte Rede,<br />

„so versprechen Psychologen und Juristen, schützt vor der Verwirrung der Sinne“. 103 Das Kino<br />

erweist sich im Gegensatz dazu als Angriff auf das Subjekt, auf das Zentrum der „ruhigen Überlegung<br />

und geistigen Verarbeitung“ 104 , das im Rausch der Bilder sich aufzulösen droht, wehrlos<br />

alleingelassen durch das Ausbleiben der deutenden, ordnenden Sprache, verlassen von der<br />

auktorialen Autorität des „Dichterwortes“. Jeder Gedanke sei gar, so Adolf Sellmann, „unmöglich,<br />

weil ja das Wort des Dichters Träger des Gedankes ist und das Wort des Dichters fehlt“. 105<br />

96 H. Duenschmann, „Kinematograph und Psychologie der Volksmenge“, in: Konservative Monatsschrift, Jg. 69,<br />

H. 9 (1911/1912), S. 923f., zitiert nach Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 57.<br />

97 Ebd.<br />

98 Victor Noack, „Der Kientopp“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 74 [zuerst in: Die Aktion, Jg. 2, H. 29,<br />

17.7.1912, Sp. 905-909].<br />

99<br />

Ebd., S. 70.<br />

100<br />

Hermann Häfker, Kino und Kunst [Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 2]. Mönchengladbach: Volksvereins-Verlag,<br />

1913, S. 6.<br />

101<br />

Robert Gaupp, „Die Gefahren des Kino“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 64-69 [zuerst in: Süddeutsche<br />

Monatshefte, Jg. 9, Bd. 2, H. 9 (1911/12), S. 363-366].<br />

102 Robert Gaupp, Der Kinematograph vom medizinischen und psychologischen Standpunkt. Vortrag gehalten<br />

<strong>am</strong> 21. Mai 1912 in Tübingen [= 100. Flugschrift des Dürerbundes zur Ausdruckskultur]. München 1912, S. 9.<br />

103 Lorenz, Wissen ist Medium, S. 35.<br />

104 Gaupp, „Der Kinematograph“, S. 9. Konrad Lange schlägt darum vor, zwischen die bewegten Bilder Standbilder<br />

zu schneiden, d<strong>am</strong>it „Auge und Geist ein wenig rasten können“ (Konrad Lange, Nationale Kinoreform.<br />

Mönchengladbach: Volksvereins-Verlag, 1918, S. 7).<br />

105 Adolf Sellmann, Der Kinematograph als Volkserzieher [Pädagogisches Magazin, H. 470]. Langensalza 1912,<br />

S. 16, zitiert nach Lorenz, Wissen ist Medium, S. 46.<br />

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