12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

und dem Kino als Ausdruck ihrer Geheimnisse und Abgründe. „Die Psychologie des<br />

kinematographischen Triumphes“, so schreibt Hermann Kienzl durchaus in mahnender Absicht, „ist<br />

Großstadt-Psychologie. Nicht nur, weil die große Stadt den natürlichen Brennpunkt für alle<br />

Ausstrahlungen des gesellschaftlichen Lebens bildet, im besonderen auch noch, weil die<br />

Großstadtseele, diese ewig gehetzte, von flüchtigem Eindruck zu flüchtigem Eindruck taumelnde,<br />

neugierige und unergründliche Seele so recht die Kinematographenseele ist.“ 91<br />

Der Kinematograph und seine bunt zus<strong>am</strong>mengewürfelten Progr<strong>am</strong>me und schnellen Bilderfolgen,<br />

der zwar oftmals noch unbeholfen wirkende, darum aber nicht minder chokartige Schnitt zwischen<br />

Schauplätzen, Szenen und Einstellungen, erschienen geradezu als Inkarnation des modernen Lebens.<br />

Bereits 1910 war in der Lichtbild-Bühne zu lesen: „Der Kinema kommt, wie das Varieté, unserer<br />

nervösen Ungeduld entgegen. Wir verlangen rapide Entwicklungen: Extracte, Konzentrationen,<br />

Dreiminuten-Romane [...]“. 92 Ein „sinnlicher Zauber [läge im] blitzartigen Wechsel der Situationen“ 93 ,<br />

„das Kino hat etwas Skizzenhaftes, Abruptes, Lückenhaftes, Fragmentarisches“ und Egon Friedell<br />

sieht genau darin für den modernen Geschmack einen „eminente[n], künstlerische[n] Vorteil“. 94 Man<br />

war sich darüber freilich noch keineswegs einig. Felix Salten beispielsweise sah in der Möglichkeit<br />

des „schnellsten Szenenwechsels“ auch die „entsetzliche Eigenschaft des Abreißens, des allzu<br />

raschen Verlöschens seiner Bilder“ 95 - und darin, wie auch in den Einstellungswechseln, vor allem<br />

eine Gefahr für die Kontinuität des Raumgefühls, des Gefühls für Gegenwart und Präsenz, das heißt<br />

letztlich für die eigene Subjekthaftigkeit. Das Kino wird zum Symbol für die Gefährdung des<br />

souveränen bürgerlichen Subjekts des 19. Jahrhunderts oder zumindest für dessen Mythos.<br />

Genau hier setzt von Beginn der Debatten der pathologisierende Diskurs an, der das Kino seiner Zeit<br />

als gefährlichen Rausch, als Medium der Hypnose, als Zerstörung der Subjekte im Zeichen einer<br />

unkontrollierbaren Massenpsychose stigmatisiert. Jörg Schweinitz zitiert den Medizinier H.<br />

91<br />

Hermann Kienzl, „Theater und Kinematograph“, S. 231.<br />

92<br />

Anon., „Die Karriere des Kinematographen“, in: Lichtbild-Bühne, Nr. 124 (10.12.1910), S. 5, zitiert nach Kaes,<br />

Kino-Debatte, S. 6.<br />

93<br />

Alfred Klaar, „Paul Lindau als Filmdr<strong>am</strong>atiker“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 346 [zuerst in: Vossische<br />

Zeitung, 22.1.1913 (Morgen-Ausgabe), S. 2].<br />

94<br />

Egon Friedell, „Prolog vor dem Film“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 204 [zuerst in: Blätter des<br />

Deutschen Theaters, Jg. 2, H. 32 (Juni 1913), S. 508-512].<br />

95<br />

Felix Salten, „Zu einem Kinodr<strong>am</strong>a“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 362 [zuerst in: Dresdner Neueste<br />

Nachrichten, Nr. 112, 27.4.1913 (1. Ausg.), S. 1].<br />

157

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!