12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die literarische Intelligenz war zunächst vor allem auf die Sicherung der Grenzen zwischen<br />

Volksbelustigung und Kunst bedacht, auf die Abwehr der Konkurrenz, die insbesondere dem<br />

Theater in den Kinos erwachsen war. In den scharfen Debatten in literarischen Zeitschriften zeichnet<br />

sich jedoch bald ab, dass manche der Autoren im Kino auch eine Chance für neue dr<strong>am</strong>atische<br />

Formen, in ihm nicht nur ein „Medium“ sondern die Gattung einer neuen Kunst sehen.<br />

1912 eskaliert der schwelende Streit um das Konkurrenzverhältnis zwischen Kino und Theater.<br />

„Dem Theater ist ein gefährlicher Feind erstanden: der Kinematograph“ 77 hat Hermann Kienzl 1911<br />

geschrieben, und schon seit 1910 ist in verschiedenen Theaterzeitschriften von der „Gefahr des<br />

‘Kientopp’“ 78 die Rede. „Im Frühjahr 1912 untersagten der Bühnen-Verein, die Genossenschaft<br />

deutscher Bühnenangehöriger und der Verband der Bühnenschriftsteller ihren Mitgliedern jegliche<br />

Mitwirkung an Filmproduktionen.“ 79 Noch im Herbst des gleichen Jahres schert der Verband der<br />

Bühnenschriftsteller freilich aus diesem Boykott aus, arrangiert sich, gegen ein großzügiges Angebot,<br />

mit einer der großen Filmgesellschaften und regelt die überfälligen Vertriebs- und<br />

Urheberrechtsfragen. Die Reaktionen auf die beiden, so gegensätzlichen Schritte sind entsprechend<br />

erhitzt.<br />

Franz Pfemfert 80 hat den Ton der Debatte schon vorher verschärft. In der Zeitschrift Die Aktion hat<br />

der Expressionist 1911, noch fern von jeder Verherrlichung der Technik und der modernen<br />

Massengesellschaft, jeden Versuch der „Veredelung der Kinematographie“ 81 als aussichtslos<br />

bezeichnet und das Kino als Inbegriff der Trivialität und Unkultur, der „Seelenlosigkeit [...] unserer<br />

Tage“ 82 gebrandmarkt.<br />

„Vergebens wird man in dem Kulturschutt verfallener Menschheitsgeschichte nach einer Erscheinung<br />

suchen, die an trostloser Öde unserer modernen Zeit gleichkommt.“ 83 Noch ganz einer elitären<br />

Polarisierung von Hochkultur und Massenkultur verpflichtet, konstatiert Pfemfert, das Kino sei „der<br />

77<br />

Hermann Kienzl, „Theater und Kinematograph“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 230 [zuerst in: Der<br />

Strom, Jg. 1, H. 7 (Oktober 1911), S. 219-221].<br />

78<br />

So der Titel eines redaktionellen Leitartikels in Die Deutsche Bühne, H. 8 (1910), S. 129-130, zitiert nach<br />

Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 223.<br />

79<br />

Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 223f.<br />

80<br />

Franz Pfemfert (1879-1954), Schriftsteller und Verleger, gab von 1911-1932 die Zeitschrift Die Aktion heraus.<br />

Politisch aktiv als unabhängiger Sozialist. 1933 Emigration in die Tschechoslowakei, 1936 nach Frankreich, 1940<br />

nach New York und 1941 nach Mexico City, wo er als Fotograf arbeitete.<br />

81<br />

Franz Pfemfert, „Kino als Erzieher“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 168 [zuerst in: Die Aktion, Jg. 1, Nr.<br />

18, 19.6.1911, Sp. 560-563]. Der Artikel war freilich schon 1909 in der Zeitschrift Das Blaubuch erschienen. Dass<br />

Pfemfert ihn 1911 noch einmal publizierte, macht den Nachdruck deutlich, den er auf seine Mahnung legte.<br />

82<br />

Ebd., S. 166.<br />

83 Ebd., S. 165.<br />

155

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!