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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Auf der einen Seite der Debatten steht die Frage nach Möglichkeiten und Mitteln der Abwehr jener<br />

moralischen, gesundheitlichen, ja polizeilichen Gefahren, die das Kino, so waren sich Mediziner und<br />

Juristen, Pädagogen und Psychologen einig, für die Massen bedeuten würden. Auf der anderen Seite<br />

des Spektrums beginnen Publizisten und Schriftsteller, zunächst zaghaft und tastend, später auch in<br />

P<strong>am</strong>phleten und Polemiken, die Ästhetik des neuen Mediums auszuloten.<br />

Aus dem Kreis der ersteren geht schließlich realpolitisch die mehrheitlich - aber keineswegs<br />

durchgängig - konservativ gestimmte Kinoreformbewegung 74 hervor, deren Aktive und Autoren wie<br />

Hermann Häfker, Konrad Lange, Robert Gaupp, Victor Noack oder Albert Hellwig dem<br />

„Schundfilm“ den K<strong>am</strong>pf angesagt haben und das „Kinodr<strong>am</strong>a“ zunächst pauschal ablehnen,<br />

stattdessen aber den Lehrfilm, die Naturbeobachtung und andere Formen des wissenschaftlichen und<br />

der Bildung dienenden Einsatzes des Films propagieren.<br />

Eher widerwillig entwickelt Hermann Häfker schließlich auch eigene Vorstellungen darüber, wie eine<br />

Hebung des Niveaus „dr<strong>am</strong>atischer Filme“ möglich sein könnte, also jener Stücke, auf die das<br />

Publikum in wachsendem Maße sein Interesse konzentrierte. Willy Rath, zunächst als Theatermann<br />

einer der schärfsten Kritiker des Films, beginnt 1918 schließlich selbst als Drehbuchautor zu<br />

arbeiten.<br />

Aus der „defensiven“ Perspektive der konservativen „Kinoreformer“ scheint das Kino nicht nur die<br />

Grenzen zwischen Jahrmarktskultur und Hochkultur zu bedrohen, sondern auch die Grenzen der<br />

Nation. Was Autoren wie Victor Klemperer oder Alfred Baeumler als besondere Qualität des Kino<br />

entdecken, seine Fähigkeit nämlich, sich einem internationalen Publikum verständlich zu machen,<br />

erscheint Willy Rath als Inbegriff der Zersetzung und Infiltration: „Lichtbilder aus der Fremde [...] sie<br />

schmuggeln uns öfters vielmehr fremde Unart, fremde Verkommenheit oder auch undeutsche<br />

Physiognomien und Manieren als sozusagen normalmenschliche oder gar deutsche Dinge auf.“ 75<br />

Und er sorgte sich folgerichtig über das „Verschl<strong>am</strong>pen des deutschen Empfindens in den<br />

Volksmassen“. 76<br />

74 Die Kinoreformbewegung umfasste ein ganze Reihe unterschiedlicher Verbände und publizistischer<br />

Unternehmungen, von der „Gesellschaft zur Förderung der Lichtbildkunst“ (Düsseldorf) bis zum „Ausschuss zur<br />

Bekämpfung der Mißstände im Kinematographenwesen“ (Leipzig), vom „Volksbund zur Bekämpfung des<br />

Schmutzes in Wort und Bild“ (Berlin) bis zur „Gesellschaft für Kinofreunde“ (H<strong>am</strong>burg-Altona), von der in<br />

Mönchengladbach erscheinenden „Lichtbühnen-Bibliothek“ bis zur Zeitschrift Film und Lichtbild in Stuttgart.<br />

75 Willy Rath, „Emporkömmling Kino“, in: Schweinitz, Prolog vor dem Film, S. 78 [zuerst in: Der Kunstwart, Jg. 26,<br />

Nr. 24 (1912/13), S. 415-424]. Der Aufsatz war ein Vorabdruck des ersten Teils von Willy Rath, Kino und Bühne<br />

[Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 4]. Mönchengladbach: Volksvereins-Verlag, 1913.<br />

76 Ebd., S. 86.<br />

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