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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Tom Levin konstatiert: „[I]f in 1913 Lukács explored the rhetoric of the empirical in the service of<br />

the fantastic, in 1963 the concern is with the rhetoric of the empirical in the service of the<br />

‘realistic’.“ 54<br />

Zwei Jahre später ergänzt Lukács seinen Aufsatz um einige Bemerkungen und einen neuen<br />

Schlussteil, die - obwohl er die alte Fassung bis auf kleine Veränderungen wörtlich in den neuen Text<br />

übernimmt - die Emphase von 1911 deutlich relativieren. Das wird nicht an dem von Lukács<br />

erwarteten bildungsbürgerlichen Publikumsgeschmack der <strong>Frankfurt</strong>er Zeitung gelegen haben. Und<br />

es wird wohl auch kaum eine Reaktion auf die seit einem Jahr in Deutschland heftig geführten<br />

Debatten über das Verhältnis von Kino und Theater, Kino und Kunst gewesen sein. Lukács<br />

verlagert den Schwerpunkt seiner Argumentation von einer Grundlegung einer eigenständigen<br />

Ästhetik hin zu einer Rechtfertigung einer Kompensationsfunktion, die dem Kino innewohnen könnte,<br />

komplementär zu einer wieder zu sich selbst, zur „große[n] Tragödie und [...] große[n] Komödie“ 55<br />

findenden Bühne. Lukács betont nun stärker die Bedeutung des gesprochenen Wortes für die<br />

Koninuität der Psyche: als „Vehikel des Schicksals“. 56 Der Entzug des Wortes hingegen mache alles<br />

„leicht, beschwingt und beflügelt, frivol und tänzerisch“. 57 Während die Bühnen nun wieder der<br />

inneren S<strong>am</strong>mlung dienen, sollen wir im Kino „unsere Höhepunkte vergessen und verantwortungslos<br />

werden: das Kind, das in jedem Menschen lebendig ist, wird hier freigelassen und zum Herrn über<br />

die Psyche des Zuschauers“. 58 Der moderne Sophokles findet nun, 1913, „eine Bühne der Erholung,<br />

von sich selbst, eine Stätte des Amüsements, des subtilsten und raffiniertesten, des gröbsten und<br />

primitivsten zugleich“ 59 , ein Medium, das dem großen Dr<strong>am</strong>a die Bahn frei zu machen vermag und<br />

die klare Scheidung zwischen Kunst und Unterhaltung wieder aufrichten könne. Dies freilich war<br />

1913 alles andere als ein origineller Gedanke, dem nicht zuletzt auch Paul Ernst schon 1912<br />

öffentlich Ausdruck verliehen hatte. 60 1913 erschien Paul Ernst freilich nicht einmal mehr das als eine<br />

Hoffnung. „Im Kino wird der Versuch gemacht, die höchste Betätigung des Menschen, die Kunst,<br />

54 Levin, „From Dialectical to Normative Specificity: Reading Lukács on Film“, S. 48.<br />

55 Lukács, „Gedanken zu einer Ästhetik des Kino“, S. 200.<br />

56 Ebd., S. 198.<br />

57 Ebd.<br />

58 Ebd.<br />

59 Ebd., S. 199.<br />

60 „Wenn man nun alles zus<strong>am</strong>mennimmt, was das heutige Theater an gemeiner Unterhaltung bietet, so muß man<br />

sich sagen: Alles das kann der Kinematograph auch bieten, zum Teil besser bieten, jedenfalls aber immer billiger.<br />

[...] Angenommen, sämtliche Theater Berlins mit Ausnahme eines einzigen machten bankrott und führten<br />

Lichtspiele auf, und das einzige brächte nur wirkliche Dichtungen: das wäre ein Zustand, der für die Dichtung<br />

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