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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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schaffen. 34 Den Faden seiner metaphysischen Deutung des Märchens wird Lukács 1918 noch einmal<br />

in einem Aufsatz über Balázs’ Märchen 35 aufnehmen, der schon die revolutionäre „Schicksalswende<br />

der Welt“ 36 beschwört, den „Aggregatzustand[...] der Wirklichkeit“ 37 , der es möglich macht,<br />

Märchen zu „finden“.<br />

1911 aber erprobt er seine Kategorien an einem neuen Medium der - wie es zumindest zunächst<br />

noch scheint - „darstellenden Kunst“, dem Film. Gemeins<strong>am</strong> mit Ernst Bloch in Heidelberg, so<br />

behauptete Lukács mehr als fünfzig Jahre später, hätte er gar einen, freilich kurzlebigen, „Club“<br />

gegründet, der die künstlerischen Möglichkeiten des Films diskutieren wollte. 38 Im Briefwechsel mit<br />

Bloch ist freilich erst 1913 vom Kino die Rede, als Lukács’ Aufsatz in veränderter Fassung in der<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Zeitung erschienen und Ernst Blochs Aufsatz über „Die Melodie im Kino oder<br />

immanente und transzendentale Musik“ mit Verweis auf den Lukács-Text von der Zeitung abgelehnt<br />

worden war. 39 Es wird (von der zwei Jahre später veröffentlichten zweiten Fassung des gleichen<br />

Aufsatzes einmal abgesehen) für lange Zeit auch Lukács’ letzte Äußerung zu diesem Medium bleiben.<br />

Anders als Béla Balázs, Walter Benj<strong>am</strong>in oder Siegfried Kracauer hat Lukács der Bedeutung der<br />

Photographie oder des Film, den „neuen Medien“ der Moderne im „Zeitalter der<br />

Reproduzierbarkeit“ keineswegs einen zentralen Ort in seiner ästhetischen Theorie zugewiesen. 40<br />

33<br />

Ebd., S. 39.<br />

34<br />

Balázs’ Mysteriendr<strong>am</strong>en erschienen Lukács als Erprobung dieser Forderung. 1913 schrieb er über die<br />

Mysterien, sie nun freilich, nach dem Zwischenspiel von 1911, wieder der Tragödie zuordnend: „Darum bedeutet<br />

für diesen Tragiker seine Mystik keine Abwendung vom Leben und seiner Formenwelt: das mystische Erlebnis ist<br />

für ihn diese Enthüllung des Weltsinnes, und die reine ‘Gegenwart’, die dieses Erlebnis hat, läßt nicht (wie bei<br />

dem religiösen Mystiker) alle Formen der zeitlichen Wirklichkeit in ihr Nichts zerfallen, sondern das Wesentliche<br />

an ihnen ewig werden. Sein und Sinn, Wesenhaftigkeit und Leben, Gegenwart und Ewigkeit sind für diesen<br />

Mystiker identisch.“ (Georg Lukács, „Der Dr<strong>am</strong>atiker des neuen Ungarns“, in: Pester Lloyd, 2.3.1913)<br />

35<br />

Georg Lukács, „Hét mese“ [Sieben Märchen], in: ders., Béla Balázs és akiknek nem kell, S. 103-121.<br />

36<br />

Ebd., S. 116.<br />

37<br />

Ebd., S. 117.<br />

38<br />

Siehe Georg Lukács, „Rivoluzione e psicologia della vita quotidiana“, in: Cinema Nouvo, Nr. 217, Mai-Juni 1972,<br />

S. 171-172, zitiert nach Tom Levin, „From Dialectical to Normative Specifity: Reading Lukács on Film“, in: New<br />

German Critique, Nr. 40 (Winter 1987), S. 36.<br />

39<br />

Siehe Ernst Bloch an Georg Lukács, 3.9.1913, zitiert in Lukács, Briefwechsel, S. 332. Vgl. Ernst Bloch, „Die<br />

Melodie im Kino oder immanente und transzendentale Musik“, in: Die Argonauten, Jg. 1, H. 2 (1914), S. 82-90.<br />

Überarbeitet unter dem Titel „Die Melodie im Kino (Versuch 1913)“, in: Ernst Bloch, Literarische Aufsätze.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1965, S. 183-187.<br />

40<br />

Zu Lukács’ Beiträgen zu Film und Filmtheorie, insbesondere auch im Alterswerk der 60er Jahre, siehe<br />

insbesondere Levin, „From Dialectical to Normative Specifity: Reading Lukács on Film“. Levin hebt den Bruch<br />

zwischen Lukács’ frühem Kino-Aufsatz und seinen späten Äußerungen über den Film deutlich hervor: „Lukács<br />

abandons an earlier dialectical model of cinematic specificity (which was particularly open to the radicality and<br />

critical potential of the medium) in favor of an increasingly normative position on the question of cinematic<br />

realism.“ (Ebd., S. 36) Vgl. ebenfalls Guido Aristarco, „Lukács’ Beiträge zu Film und Filmkritik“, in: Frank Benseler<br />

(Hg), Festschrift zum achtzigsten Geburtstag von Georg Lukács. Neuwied/Berlin: Luchterhand, 1965, S. 588-804.<br />

Aristarco hebt darin, Lukács’ Theorien über die Gattungsgesetze folgend, besonders Lukács’ spätere<br />

Beobachtung der Affinität des Film zur Epik und dort zum literarischen Genre der Novelle hervor, denn „im<br />

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