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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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treu. „Ich bin von der Paradies-Partei“ 362 schreibt sie an anderer Stelle, auch wenn sie weiß, dass<br />

dieses Paradies so sein mag, „wie der täuschende Zaubergarten im Märchen, von dem <strong>am</strong> Morgen<br />

nichts bleibt als dürre Äste, welkes Laub, staubgewordene Pracht“. 363 Und auch das Gut Lesznai,<br />

das wusste sie, war ein solches Paradies.<br />

Balázs hat sie in ihrem Garten Eden besucht. Anna Lesznais Schilderung ihrer „ersten Begegnung“<br />

dort besitzt alle dichterische Freiheit, aber sie ergibt ein schönes Bild. 364 Und es liegt eine gewisse<br />

Ironie darin, dass sie ihm den N<strong>am</strong>en György verliehen hat. Als Wanderer betritt Balázs die Szenerie<br />

von Lesznais Roman, dunkel gekleidet, mit einer schäbigen Reisetasche und einer Pelzmütze auf dem<br />

Kopf, als Freund des Philosophen Laszlo (d.i. Georg Lukács) empfohlen. „Wie heißt du eigentlich?“,<br />

fragt Liso. „‘György Vedres. Der heilige Georg, der den Drachen getötet und die verzauberte<br />

Königstochter erlöst hat.’ Später, nachdem er Handtücher und frische Bettwäsche ins Gastzimmer<br />

gebracht hatte, erzählte der Diener Gyuri in der Küche: ‘Gesprochen haben die zwei miteinander wie<br />

ein paar Narren. Aber ob ihr mir’s glaubt oder nicht, verstanden haben sie sich.’“ 365 Und sie<br />

sprechen über Märchen, denn darüber verstehen sie sich <strong>am</strong> besten. „‘Du meinst also, daß uns das<br />

Schicksal zum Märchenerzählen bestimmt hat?’ ‘Ohne Zweifel. Der erste epische Dichter ist<br />

bestimmt eine Frau gewesen. Sie lag mit ihrem Geliebten auf einer Büffelhaut. Er stöhnte, weil ihn<br />

seine Wunden schmerzten. Da tröstete sie ihn mit den Geschichte seiner Heldentaten und Abenteuer.<br />

[...]’ ‘Auch du könntest so eine Frau brauchen, Sankt Georg’, spöttelte Liso.“ 366 Auch hier steht das<br />

Märchen für einen anderen Begriff der Zeit, für eine räumliche Vorstellung. „‘Gärten wandern mit uns<br />

in der Zeit.’ ‘Aber György, die Vergangenheit vergeht doch nicht. Ich weiß, ich müßte nur eine Tür<br />

öffnen...’ ‘...um mit der Liso aller Zeiten zus<strong>am</strong>menzutreffen. Dieses Geheimnis ist auch mir bekannt,<br />

und ich habe vor ein Dr<strong>am</strong>a darüber zu schreiben.’ ‘Mir sind Märchen lieber. Im Dr<strong>am</strong>a muß immer<br />

etwas geschehen; und das Schöne ist, wenn nichts geschieht, wenn die Dinge nur da sind.’“ 367<br />

362 Ebd., S. 287.<br />

363 Ebd., S. 313.<br />

364 Anna Lesznai war auf Béla Balázs 1908 aufmerks<strong>am</strong> geworden, als sein Märchen „Die Stille“ im Nyugat<br />

erschien. „D<strong>am</strong>als kannte ich den Autor nicht einmal vom Hörensagen, aber ich wurde vom Gefühl ergriffen, dass<br />

ich ihm für meine Freude danken möchte. ‘Man darf und kann also auch heute noch mit Märchenglauben wahre<br />

Märchen schreiben [...]’.“ (Anna Lesznai, „Babonás ézrevételek a mese és a tragédia lélektanához“<br />

[Abergläubische Bemerkungen zur Psychologie von Märchen und Tragödie], in: Nyugat, H. 14 (1918), zitiert nach<br />

einer Übersetzung von Magdalena Ochsenfeld.)<br />

365 Ebd., S. 401.<br />

366 Ebd., S. 404.<br />

367 Ebd.<br />

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