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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Hochzeitsfest, und er rächt seinen Freund, indem er die Frau verführt. Die beiden aber werden in<br />

seiner Wohnung von seinem Freund überrascht, und <strong>am</strong> Ende ist er es, der Ich-Erzähler, der von<br />

beiden verlassen und gemieden wird.<br />

Vollständig frei von solchen Misstönen persönlicher Rechtfertigung und Larmoyanz hingegen blieb<br />

Balázs’ Erzählung Die Geschichte von der Logodygasse, vom Frühling, vom Tod und von der<br />

Ferne. 346 Nie wieder wird er die Meisterschaft dieser Novelle, ihren schwebenden, beiläufig leicht<br />

und selbstverständlich dahinfließenden Duktus erreichen, der diese „Geschichte“ vor allem<br />

auszeichnet. Balázs lebte 1910, als er die Erzählung schrieb, als Zimmergast in Buda, in der<br />

Logodygasse Nr. 5, <strong>am</strong> Abhang hinter der Burg. Noch heute findet man dort die morbide<br />

Armosphäre zwischen größeren und kleineren Mietshäusern, alten Häuschen und Gartenlauben,<br />

steilen Treppen und zur Burg hinauf wuchernden Gartenparzellen wieder, die Balázs’ Erzählung ihr<br />

melancholisches, träumerisches Milieu verleiht. Balázs erzählt die Geschichte eines Frühlingsmonats,<br />

eines Mais in Budapest, aber jenseits der Enge und des Lärms der aufstrebenden Großstadt. Das<br />

Personal der Erzählung sind die Bewohner des Hofes und des Gartens und eine Besucherin, eine<br />

Freundin des jungen Zimmerherrn, des Malers Géza Dési, der bei einer der beiden dort lebenden<br />

F<strong>am</strong>ilien Quartier genommen hat. Darüber hinaus: ein Schankwirt, Franz Novossad, der ein kleines<br />

Wirtshaus an der weiter oben gelegenen Lovasgasse führt. Und die F<strong>am</strong>ilien seiner beiden Kinder,<br />

die die kleinen Häuser rechts und links vom Hoftor an der Gasse bewohnen. Flickschuster und ein<br />

wenig debil ist der Sohn, mit dem Schreiber der Burg verheiratet die Tochter. Und eines ihre beiden<br />

Kinder, der Junge Kalman, liegt im Sterben.<br />

So erzählt die Geschichte vom Frühling und vom aufblühenden Leben, von der Wärme, die die<br />

Bewohner des Hofes ins Freie zieht: den jungen Maler mit seiner Staffelei, den schwachsinnigen<br />

Flickschuster mit seinem Tischchen, und schließlich auch den sterbenden Jungen, der mits<strong>am</strong>t seinem<br />

Bett in den Hof getragen wird. Und zugleich erzählt Balázs vom langs<strong>am</strong>en Tod des Kranken, von<br />

den Wochen, in denen er noch einmal vom Leben träumen darf, in denen die Freundin des<br />

Zimmerherrn, auch sie eine Malerin, ihm Märchen erzählt und ihm Rosen mitbringt, vom letzten<br />

Glühen in seinem Gesicht. „Auf seinen Wangen brannten rote Flecken und seine grossen Augen<br />

schauten weit und irr.“ 347<br />

346 Béla Balázs, Történet a Lógody utcáról, a tavaszról, a halálról, és a messzeségröl [Die Geschichte von der<br />

Logodygasse, vom Frühling, vom Tode und von der Ferne]. Budapest: Athenaeum, 1912. Im folgenden zitiert<br />

nach dem deutschsprachigen Typoskript, in: Balázs -Nachlass, MTA, Ms 5009/7.<br />

347 Balázs, „Die Geschichte von der Logodygasse“, S. 24.<br />

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