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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Das Schicksal des Novellenbandes entscheidet sich endgültig, als Balázs die wichtigste und schönste<br />

Erzählung, die er bis dahin geschrieben hat und je schreiben wird, schließlich 1912 gesondert<br />

herausgibt: Die Geschichte von der Logodygasse, vom Frühling, vom Tode und von der Ferne.<br />

Die Märchen, darunter auch „Die Stille“, erscheinen 1918 in einem eigenen Band 334 und im gleich<br />

Jahr auch die Novelle „Mariannes Land“, die Balázs schon 1910 vorgesehen hatte, zus<strong>am</strong>men mit<br />

neunzehn später verfassten „Skizzen“ unter dem Titel Abenteuer und Figuren. 335 Balázs selbst hat in<br />

seinem Tagebuch 1918, als das Buch erschien, mit viel Distanz auf diese Texte geblickt: „Gute alte<br />

Themen, reiche Erlebnisse, oberflächliche Schriften. Es wäre trotzdem schade um sie. Im Titel oder<br />

im Vorwort muß man erwähnen, dass diese Entwürfe, Themen, Erlebnisse, nie geschrieben werden<br />

sollten: ‘Die Versuche einer gestorbenen Zukunft.’ Fehlgeborene Kinder, die die Zeitung, das<br />

Feuilleton-Honorar und der Magen geholfen haben, abzutreiben. Das ist wahr. Doch manchmal<br />

auch, sie festzuhalten.“ 336<br />

Júlia Lenkei entdeckt auch in der Entwurfsform dieser „Skizzen“, wie Balázs sie genannt hat, die<br />

Tiefe eines „Anfängers, der sich schon über das, was er zu sagen hat, sehr sicher ist, und d<strong>am</strong>it<br />

manchmal zu unversehens, zu direkt hervortritt“. 337 Lenkei betont, wie sehr sich die Themen von<br />

Balázs’ Novellen um die in der Todesästhetik entfaltete Beziehung von Form und Tod gruppieren.<br />

„Wenn der Tod es ist, der die Form verleiht, dann töte ich alles, was ich forme.“ 338 Das gilt für den<br />

Ich-Erzähler der Novelle „Der Grabstein“, dessen russische Freundin in Berlin von ihm verlangt, er<br />

solle schon jetzt einen Epitaph für sie formulieren, denn sie muss irgendwann wieder zurück in die<br />

Heimat um der Revolution willen. Sie in ihrem Tagebuch beschreibend, ihr Bild einklebend, setzt er<br />

ihrer Beziehung einen Grabstein, noch bevor sie vorbei ist. Als der Epitaph geschrieben ist, haben die<br />

beiden einander nichts mehr zu sagen. 339 Und so ergeht es auch der Heldin in „Die mörderische<br />

Novelle“ 340 , deren Tod „dadurch verursacht wird, dass ihre Geschichte zu einer Novelle geformt<br />

wurde“. 341<br />

333<br />

„Kannst du nicht deinen Vater bitten, ein Wort einzulegen?“ (Zitiert nach ebd., S. 11)<br />

334<br />

Béla Balázs, Hét mese [Sieben Märchen]. Gyoma: Kner, 1918.<br />

335<br />

Béla Balázs, Kalandok és figurák: Vázlatok [Abenteuer und Figuren: Skizzen]. Gyoma: Kner, 1918.<br />

336<br />

Balázs, Napló 1914-1922, S. 300.<br />

337<br />

Lenkei, „Történet egy meg nem született novellás kötetröl“, S. 14.<br />

338<br />

Balázs, „Halálesztétika“, S. 310.<br />

339<br />

Siehe Béla Balázs, „A Sirkö“ [Der Grabstein], in: ders., A csend, S. 158-162.<br />

340<br />

Siehe Béla Balázs, „A gyilkos novella“ [Die mörderische Novelle], in: ders., A csend, S. 147-158.<br />

341<br />

Lenkei, „Történet egy meg nem született novellás kötetröl“, S. 15.<br />

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