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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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4.5 Der Tod und die Prinzessin - Novellen und „Skizzen“<br />

In den Jahren zwischen 1908 und 1914 experimentiert Balázs auch mit der Form der Novelle. Die<br />

Übergänge zwischen Novelle und Märchen sind dabei fließend, neben Feenmärchen schreibt Balázs<br />

- wie er selber sie nennt - „Menschenmärchen“, romantische Erzählungen, denen kein exotisches<br />

Kolorit, kein ritueller Sprachrhytmus die Aura des Sakralen, des Archetypischen und der mündlichen<br />

Tradition verleiht, die allenfalls durch historische Distanz oder Anklänge an die Volksdichtung, vor<br />

allem aber durch ein Element träumerischer Phantastik die empirische Realität fragwürdig werden<br />

lassen.<br />

Von Balázs’ „indischen“ und „chinesischen“ Märchen wird noch die Rede sein. Sein erstes<br />

veröffentlichtes Märchen, „Die Stille“ 323 , sollte nach Balázs Willen auch seinem ersten Novellenband<br />

den N<strong>am</strong>en geben. Júlia Lenkei hat die Geschichte dieses zu Lebzeiten Balázs’ nie erschienenen<br />

Buches minutiös geschildert, in einer erweiterten Rekonstruktion des Bandes, die schließlich 1985<br />

erschien. 324 Im Februar 1910 wird das Projekt in einem Brief von Edith Hajós an Lukács erstmals<br />

erwähnt: „Deutsch 325 hat ihm angeboten, die Märchen und Novellen im Herbst herauszugeben. Die<br />

Stille, Ibolya, Menschenmärchen, Mariannes Land und die noch zu schreibende Frühlingsnovelle<br />

sollten enthalten sein. Er [Herbert] hat Zweifel, ob dies für den Band reicht.“ 326 Lukács schlägt vor,<br />

auch die Mysterien mit aufzunehmen, aber Balázs empfindet eine „Abneigung gegen Potpourri-<br />

Bücher“. 327<br />

Das Schicksal des Buches ist ein Fiasko in Fortsetzungen. Im Mai entspinnt sich um ein von Endre<br />

Ady bei Deutsch herausgegebener Band mit Petöfis Revolutionsgedichten ein Skandal und der<br />

Verlag beschließt, keine Literatur mehr zu verlegen. Im Herbst 1910 verhandelt Balázs mit dem<br />

Verlag der Zeitschrift Renaissance, an deren Redaktion sich zu beteiligen er und Lukács ja seit Mai<br />

322<br />

Die sich häutende Schlange ist nicht nur ein phallisches, sondern auch ein Initiationssymbol der<br />

Wiedergeburt.<br />

323<br />

Vgl. Kapitel 1. Balázs hatte das Märchen - in Erinnerung an eine kurze, aber leidenschaftliche Affaire <strong>am</strong><br />

Wörthersee 1907 - Marta Karlweis gewidmet, der späteren Frau des Romanciers Jakob Wassermann, mit der ihn<br />

noch viele Jahre eine Freundschaft verband.<br />

324<br />

Júlia Lenkei, „Történet egy meg nem született novellás kötetröl“ [Geschichte eines noch nicht geborenen<br />

Novellenbandes], in: Béla Balázs, A csend. Novellák, Úti levelek [Die Stille. Novellen, Reisebriefe]. Budapest:<br />

Magvetö Könyvkiadó, 1985 [zitiert nach einer Übersetzung von Magdalena Ochsenfeld].<br />

325<br />

Der Verleger, der auch Balázs’ Todesästhetik publiziert hatte.<br />

326<br />

Edith Hajós an Georg Lukács, 11.2.1910, zit. nach Lenkei, „Történet egy meg nem született novellás kötetröl“, S.<br />

5.<br />

327<br />

Balázs an Georg Lukács, 21.2.1910, in: Balázs Béla levelei Lukács Györgyhöz [Briefe von Béla Balázs an Georg<br />

Lukács]. Hg. von Júlia Lenkei. Budapest: MTA Filozófiai Intézet, 1982, S. 6.<br />

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