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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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1917 erschienen weitere „Spiele“ Balázs’, unter eben diesem Titel: Játékok 317 , und 1919 erschien<br />

eine zweite S<strong>am</strong>mlung unterschiedlicher Szenarien unter dem Titel Die schwarze Urne. 318 Balázs<br />

vers<strong>am</strong>melte darin ein Schattenspiel für ägyptische Silhouetten: die Vereinigung eines Mannes mit<br />

seiner toten Frau, Szenen der „morbidesten Verschmelzung im Tod“ 319 („Die schwarze Urne“), ein<br />

Libretto für eine „indische“ Oper in einem Akt („Die Zofe der Königin“), aber auch ein grotesk-<br />

ironisches Marionettenspiel über einen schwerelosen Mann, der von zwei Frauen festgehalten wird,<br />

d<strong>am</strong>it er nicht davonschwebt, ihnen <strong>am</strong> Ende aber doch von einem dämonischen Staubsauger<br />

entrissen wird („Der leichtgewichtige Mann“ 320 ). Schließlich enthält der Band auch eine „indische“<br />

Tanz-Pantomime, die Balázs der Tänzerin Ruth St. Denis gewidmet und schon 1917 vergeblich<br />

Kodály angeboten hatte: „Sonnenstrahl und Schlange“. 321 Der Tanz beschreibt die Stadien der<br />

Initiation einer indischen Göttin, von der Jungfrau zur Königin. Pflanzenhaft wird sie aus einer<br />

Lotusblüte geboren. In drei Tänzen wird die werdende Frau mit ihrem Spiegelbild, der Liebe und<br />

dem Tod konfrontiert, um schließlich <strong>am</strong> Ende zu neuem Leben erweckt zu werden. Die drei Stufen<br />

ihrer Initiation entfalten sich durchweg als sexuelle Phantasien. Der primäre Narzissmus, der Tanz mit<br />

dem Spiegel steigert sich zum Rausch der gerade erst entdeckten eigenen Glieder. Die Erotik, der<br />

Tanz mit dem Sonnenstrahl - der ihr nachstellt, sie entfl<strong>am</strong>mt, in sie eindringt - gipfelt allzu wörtlich,<br />

sagen wir ruhig: kitschig, im Koitus („das männliche Gold empfängt sie in ihrem Schoss“) und ihr<br />

Tanz mit der Schlange 322 , ihr Todestanz, setzt Orgasmus und Tod einander gleich („Mit<br />

geschlossenen Augen und offenem Mund zeigt sie keuchende Qual wie sie keuchende Lust zeigte“).<br />

Schließlich erwacht sie, wie aus einem Traum, durch Liebe und Tod erlöst.<br />

Die Schwarze Urne ist das einzige Buch, das Balázs 1919, dem Jahr der Rätediktatur,<br />

veröffentlichen wird. Doch auf dem Weg dahin liegt Balázs’ eigene Initiation im Weltkrieg, Balázs’<br />

Suche nach einer Konfrontation mit dem Tod.<br />

317<br />

Béla Balázs, Játékok [Spiele]. Gyoma: Kner, 1917.<br />

318<br />

Béla Balázs, A fekete korsó: Új játékok [Die schwarze Urne: Neue Spiele]. Gyoma: Kner, 1919.<br />

319<br />

Fehér, „Balázs Béla meséi és misztériumai“, S. 17.<br />

320<br />

Zsuffa vermutet, das Marionettenspiel könnte auf das erste, von Balázs schon 1918 im Tagebuch erwähnte<br />

„Kinostück“ zurückgehen. Die wenigen Zeilen im Tagebuch lassen freilich kaum erkennen, worum es in dem<br />

ironischen Versuch gegangen sein mag. „Kann man etwas Humoristisches schreiben, das von einer anderen<br />

geistigen Kaste der Menschen womöglich ernst genommen wird?“ (Balázs, Napló 1914-1922, S. 328)<br />

321<br />

Von diesem Text befinden sich in Balázs’ Nachlass drei verschiedene deutschsprachige Fassungen. Davon ist<br />

eine stark verändert und sehr viel später in der Sowjetunion entstanden und der Tänzerin des Bolschoi-Ballets,<br />

Galina Sergejewna Ulanowna, gewidmet („Schlange und Strahl. Indische Tanzlegende“, MTA Ms 5013/22). Die<br />

zweite undatierte Fassung ist als „Tanzbeschwörung“ untertitelt und in eine „indische“ Rhetorik gekleidet (MTA<br />

Ms 5013/23). Die dritte Fassung entspricht weitgehend dem ursprünglichen ungarischen Text (MTA Ms 5013/40).<br />

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