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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Oliver, das „törichte Kind“ wissen, dass Fanny einen neuen Liebsten hat, und deutlich ist die<br />

Spannung zu spüren, die sich verstärkt, als Fanny und Fridolin nun zum Försterhaus kommen. Fanny<br />

bitte Fridolin und Oliver, Freunde zu sein, und die Frauen lassen sie im Garten zurück, um das Essen<br />

zu bereiten. Tatsächlich schließen Oliver und Fridolin „Freundschaft“. 294 Fanny deckt auf der<br />

Veranda den Tisch, und der Wind lässt die Fl<strong>am</strong>me der L<strong>am</strong>pe tanzen wie ein Irrlicht. Es tanzt<br />

Fannys Schatten an der Wand, und der Schatten der Dinge, die sie berührt, haftet an ihr. Oliver fragt<br />

sich laut, warum er Fanny verlassen hat. Ein tanzendes Irrlicht locke ihn fort, doch den tanzenden<br />

Schatten Fannys betrachtend, lockt ihn nun auch das Irrlicht aus der Vergangenheit. „Sieh’ Fridolin,<br />

dort mein vergang’nes Leben.“ Und Fridolin antwortet: „Und mir das Künftige.“ 295 Die Spannung<br />

wächst und Olivers Andeutungen bleiben rätselhaft: „Wir treffen uns noch, Fridolin!“ 296 Auch Fanny<br />

spielt mit dem Schicksal, deckt einen Platz mehr für Olivers zukünftige Liebste: „Denn alles ist schon<br />

da, was kommen wird. / Es lebt schon, harrt schon, naht und sendet Botschaft.“ 297 So ist nicht nur<br />

Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch die Zukunft gleichzeitig präsent, Zeit in Raum<br />

verwandelt, in eine Sphäre des Traums, in der Vergangenes und Zukünftiges jederzeit aus der<br />

Kulisse herauszutreten vermag. Der Wind, die unsichtbare, aber zu spürende, zu hörende Bewegung<br />

durch den Raum, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen löscht die Fl<strong>am</strong>me und lässt den Teller<br />

klirren, den Stuhl rücken, wie von Geisterhand beseelt. Aus Oliver bricht, wie in einem Fiebertraum,<br />

die Klage über seine Eins<strong>am</strong>keit hervor, die Verlassenheit des Wanderers, der sich selbst „aus<br />

tausend Fernen“ entgegen kommt, mit „Märchenabenteuerluft im Haar“: „Meine Augen schaun mich<br />

fragend an / und sind mit Bildern voll, die ich nicht seh / Mein ungebornes Leben schreit nach mir /<br />

Das alles stirbt, wenn ich nicht weitergeh’.“ 298 Olivers Selbstmitleid („O spendet mir ein wenig<br />

Traumalmosen“ 299 ) löst schließlich die Krise aus: Küsst Euch, ruft er ihnen zu „und ich, ich kann in<br />

voller Ruh’ verrecken.“ Es folgen dr<strong>am</strong>atische Szenen und ein überraschender Schluss: Am Ende<br />

bricht Oliver auf, der Strasse, dem Mond und dem Wind entgegen („Ein Silbernebel webt <strong>am</strong><br />

Bergeshange“ 300 ), und Fridolin begleitet ihn, Fanny verzweifelt zurücklassend.<br />

294<br />

Oliver: „Ein Mädchen liebten wir. Es ist dieselbe Liebe. / Nie waren noch zwei Männer so verwandt, Wie du<br />

und ich durch Fanny es geworden.“ Fridolin reicht ihm die Hand, und wendet ein: „Doch glaub ich nicht, dass wir<br />

so nah verwandt. / Wir liebten nicht dasselbe, Oliver.“ (Ebd., S. 25f.)<br />

295<br />

Ebd., S. 28.<br />

296<br />

Ebd.<br />

297<br />

Ebd., S. 30.<br />

298<br />

Eine Passage, die handschriftlich im Typoskript neu formuliert wurde und von der ursprünglichen Fassung<br />

abweicht (ebd., S. 31).<br />

299<br />

Ebd., S. 32.<br />

300<br />

Ebd., S. 42. Nun sind beinahe alle visuellen Motive vers<strong>am</strong>melt, die Balázs zwanzig Jahre später in dem Film<br />

DAS BLAUE LICHT zus<strong>am</strong>men mit Leni Riefenstahl ausbreiten wird.<br />

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