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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Hajós 284 , die er zwei Jahre später heiraten sollte. Die verführerische Analogie zwischen Balázs’<br />

Mysteriendr<strong>am</strong>a und seiner Beziehung zu Lukács, die Joseph Zsuffa beschreibt - „the mystery play<br />

lifts its veils to the initiated“ 285 - geht schließlich doch nicht auf, gerade weil Balázs sie in diesem<br />

Mysterium einmal bis zum Exzess des Opfers durchspielt. „Waffenbrüderschaft“, das war für Balázs,<br />

sein Tagebuch spricht es offen aus, zu wenig, keine restlose Bindung, kein Verschmelzen, kein<br />

begeistertes Folgen, egal wohin. Lukács, dessen Kälte und Lebensfeindlichkeit in Bohemund ein bis<br />

zur Groteske gesteigertes Bild findet, war es keineswegs, dem Balázs überallhin zu folgen bereit<br />

gewesen wäre. Und vielleicht macht gerade dies den Schluss dieses dr<strong>am</strong>atischen Versuches so<br />

sperrig, ja unglaubwürdig. Die immer schon (mit)leidende, ihr Blut zur Rettung Bohemunds<br />

spendende Maria, die Erlösung, die sie schließlich bewirkt, löst Baldwins Dilemma nicht auf, sondern<br />

führt in einen Zirkelschluss. Alles Sehnen, alle Opfer dienen nur ihr, sie ist „aller Wege Ende“ 286 ,<br />

doch nur, indem sie selbst das Opfer schon immer gewesen ist: „Aller Herzen Wunsch ist Dolch in<br />

meinem, / Aller Herzen Qual ist Blut aus meinem.“ 287 Das Opfer dient dem Opfer, es ist sich selbst<br />

einziger Zweck.<br />

Was Irma Seidler - nach dem „Wendepunkt“, dem „Kern“ suchend, „aus dem es gemacht ist“ 288 -<br />

darin sah, hat sie nicht mehr preisgegeben. Eine Ermutigung, eine Bestätigung ihres Lebens wird sie<br />

darin, Trost bei Balázs suchend, kaum gefunden haben. Und dabei war dies, Trostspender zu sein,<br />

gerade die Rolle, in der sich Balázs immer wieder gefiel. Der heillosen „Güte“ Aljoschas oder<br />

Myschkins, der Dostojewskischen Gestalten der Naivität, k<strong>am</strong> er d<strong>am</strong>it freilich nur so nahe, wie es<br />

sein Narzissmus erlaubte. Seine Güte war korrumpiert, sein Helfenwollen eitel, ein Versuch der<br />

Bestätigung der eigenen Identität, und Balázs wusste es und litt darunter.<br />

284 Balázs hatte im August 1911 Lukács in einem Brief gefragt, ob er „Das Blut der heiligen Jungfrau“ neben Edith<br />

auch ihm widmen dürfe (oder ihm nur den Dialog über den Dialog). Etwas verunsichert ob der eigenen, etwas<br />

beliebigen Widmungspraxis erklärt er: „Ihr seid mir irgendwie zus<strong>am</strong>men mein Publikum. Wenn überhaupt für<br />

jemanden, so schreibe ich für Euch zwei.“ (Balázs an Georg Lukács, 16.8.1911, in: Lukács, Briefwechsel, S. 245)<br />

285 Zsuffa, Béla Balázs, S. 44. Und weiter heißt es: „Their ‘compact’ is their identical worldview, and they owe<br />

allegiance only to ‘one throne and one crown’: a pursuit of art in its most perfect form, which makes their<br />

friendship superior to man’s love for woman.“ (Ebd.)<br />

286 „Dich nur sucht’ ich in des flücht’gen Wildes, / Dich nur sucht ich in des Heiden Blute, / Suchte dich im frohen<br />

Klang der Harfe, / Suchte dich auf meiner Gattin Lippen, Heil, Maria, aller Wege Ende.“ (Balázs, „Das Blut der<br />

heiligen Jungfrau“, S. 35)<br />

287 Ebd.<br />

288 Irma Seidler an Georg Lukács, 28.4.1911, in: Lukács, Briefwechsel, S. 217.<br />

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