12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

phantastischen, historischen oder exotischen (indischen oder chinesischen) „Milieu“ 272 , einer Welt der<br />

„Panpoesie“, in der Menschen und Dinge gleichermaßen symbolisch werden, versucht Balázs<br />

Dr<strong>am</strong>atisierungen dessen, was er selbst, aber auch Lukács und Anna Lesznai gleichermaßen, und<br />

dennoch daraus gänzlich verschiedene Schlüsse ziehend, als „Seelenwirklichkeit“ bezeichneten.<br />

4.4 „Sieh’ es rinnen, fang’s in gold’ner Schale“ - Mysterien und Parabeln<br />

Am 28. April 1911 hatte Irma Seidler an Lukács geschrieben, dass sie den Wendepunkt, den Kern,<br />

aus dem Balázs’ Mysterium gemacht sei, noch nicht sehen könnte, aber: es sei „furchtbar schön“.<br />

Gemeint ist d<strong>am</strong>it vermutlich „Das Blut der heiligen Jungfrau“, eines der drei Mysteriendr<strong>am</strong>en, die<br />

Balázs 1912 veröffentlichte. 273 Agnes Hellers Annahme, Balázs könnte die schnelle Trennung von<br />

Irma Seidler mit der Heiligkeit der Freundschaft zu Lukács begründet haben, geht vermutlich auch<br />

auf den Inhalt dieses Mysteriendr<strong>am</strong>as zurück. Auch Joseph Zsuffa legt diesen Schluss nahe: „It is a<br />

most explicit revelation of Balázs’s and Lukács’s relationsship.“ 274 In der Tat geht es hier um den<br />

Vorrang der Freundschaft im Dienste einer gemeins<strong>am</strong>en Idee gegenüber der Möglichkeit der<br />

Beziehung zu einer Frau, und dies „in der Form der mit kalter Unmenschlichkeit verwirklichten<br />

Vereinigung“. 275 Statthalter und Symbol dieser gemeins<strong>am</strong>en Idee ist die heilige Jungfrau Maria, die<br />

personifizierte Unschuld, der die beiden Kreuzritter Baldwin und Bohemund ewige Treue und zum<br />

Pfand sich gegenseitig Blutsbrüderschaft geschworen haben. Baldwin hat geheiratet und lebt nun mit<br />

Blanka auf seiner Burg. Den Altar der Jungfrau hat er hinter einer verschlossenen Türe und einem<br />

Wandteppich versteckt. Als Bohemund eintrifft, den Freund zu besuchen, kommt der Moment der<br />

Entscheidung. Blanka und Bohemund fordern Baldwins ausschließliche Treue, symbolisiert in<br />

goldnen Schalen, von denen die eine das Blut Bohemunds und Baldwins zum Treueschwur s<strong>am</strong>melte,<br />

die andere Blankas und Baldwins Ehering barg. Baldwins Versuch die beiden zu versöhnen („Blüh’<br />

272 Balázs experimentierte mit unterschiedlichen, der empirischen Alltagswelt enthobenen Milieus, um die<br />

Selbstverständlichkeit, die „Weisheit“ (wie Ferenc Fehér schreibt) der Motive mündlicher Erzähltradition zu<br />

beschwören. Am ehesten ist ihm dies in seinen indischen und chinesischen Märchen gelungen. Vgl. dazu auch<br />

Fehér, „Balázs Béla meséi és misztériumai“, S. 14f.<br />

273 Béla Balázs, Misztériumok [Mysterien], Budapest: Nyugat irodalmi és nyomdai részvénytársaság, 1912. Darin<br />

enthalten sind die drei Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ (das Bartók als Libretto seiner Oper verwendete), „Die<br />

Fee“ sowie „Das Blut der heiligen Jungfrau“.<br />

274 Zsuffa, Béla Balázs, S. 43.<br />

275 Fehér, „Balázs Béla meséi és misztériumai“, S. 17.<br />

124

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!