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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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selbst ganz an das Schicksal der Selbstmörderin hätte binden können, dazu bereit, im unbedingten<br />

„retten wollen“ 253 auch jede Sünde auf sich zu nehmen? 254<br />

Auch die Legende vom Maurermeister Klemens, dem Held ungarischer Balladen, die Lukács<br />

einführt, um die traditionelle Figur des Opfers für das Werk durchzuspielen, löst die Paradoxie nicht<br />

auf. 255 „Der Kitt, der das Werk mit dem gebärenden Leben verbindet, trennt es für alle Ewigkeit von<br />

ihm: er ist aus Menschenblut.“ 256 Doch eben dies, ein sinnvolles Opfer, war das „untragisch-<br />

katastrophale Ende“ der Frau für Lukács nicht. Und sei es, weil die „Affaire mit Balázs“ diesem<br />

Opfer die Weihe der Reinheit, der Notwendigkeit geraubt hat, die Lukács sich nun selbst auferlegen<br />

möchte. Er lässt „Martha“ freilich auch diese Strategie unerbittlich demontieren, spricht selbst das<br />

Urteil aus, auch über den eingeschlagenen Weg der Askese, des Ausscheidens aus dem Leben.<br />

„Das Erwarten der Gnade ist eine Absolution für alles, die verkörperte Frivolität. 257 Ihre Frivolität ist<br />

aber noch feiner, selbstquälerischer; Sie sind ein Asket der Frivolität. Sie schenken andern die<br />

Wonnen, die sie geben kann, Sie erdichten einen Menschenschlag, dem sie zukommen; Sie aber sind<br />

unglücklich, ausgeschlossen vom Leben, minderwertig. Sie haben die ewige Versuchung, d<strong>am</strong>it jene<br />

des ewigen Sonnenlichtes teilhaftig werde. Doch wie auch die Schlußworte jenes Buches sein mögen:<br />

die Seiten zu überschlagen, d<strong>am</strong>it man schneller das Ende erreiche, wird immer eine Frivolität<br />

bleiben.“ 258<br />

Lukács überwindet diese Selbstkritik keineswegs, integriert sie allenfalls in eine stoische Aporie, in<br />

deren Zentrum der Selbstmord steht, den der geschriebene Lukács zwar von sich weist - denn<br />

Selbstmord sei eine Kategorie des Lebens, dem er nicht mehr zugehöre - aber drei Tage später<br />

verübt. Und den der schreibende Lukács weiter als innere Realität mit sich austrägt und niemals,<br />

auch nicht versuchsweise, realisiert. Noch Monate später durchzieht die Rede vom Selbstmord sein<br />

Tagebuch. Nicht nur an dem Tag, da er die Nachricht von Poppers Tod empfängt. Am 27. Oktober<br />

252<br />

Ebd., S. 80.<br />

253<br />

Ebd., S. 79.<br />

254<br />

„Aber selbst die Sünde ist dann kein Gegensatz zur Güte; und wenn auch, so doch nur ein notwendiger<br />

Mißklang in der Begleitstimme.“ (Ebd.)<br />

255<br />

Die in vielen Variationen tradierte Geschichte des Maurermeisters, der seine eigene Frau einmauern muss, um<br />

den Bau eines Tempels zu ermöglichen. Jeden Tag zerstören Teufel, „was tagsüber gebaut wurde, bis man sich<br />

entschlossen hat, daß einer von denen, die <strong>am</strong> Bau arbeiten, seine Frau opfern muß, die Frau, die an einem<br />

gewissen Tag als erste zu ihnen kommen wird. Es war die Frau des Werkmeisters.“ (Ebd., S. 82)<br />

256<br />

Ebd.<br />

257<br />

Eine Anspielung auf die schon in dem Aufsatz „Ästhetische Kultur“ durchgespielte Figur der<br />

Selbstabsolution: „In Erwartung einer großen, aber nie erfolgenden Abrechnung ist alles erlaubt; <strong>am</strong> jüngsten Tag<br />

wird alles für leicht befunden. - Wo ist also der Unterschied zwischen leicht und schwer in den realen Dingen des<br />

Lebens?“ (Zitiert nach Hellenbart, König Midas in Budapest, S. 47)<br />

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