Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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12.12.2012 Aufrufe

Gegnerschaft gegen alle Tendenzen des Impressionismus und des Positivismus verbindet. 166 Mit ihm beginnt Lukács im gleichen Monat die philosophische Zeitschrift A Szellem (Der Geist) zu planen, von der Lukács sich wünscht, sie könnte die ungarische Ausgabe von Logos werden. Währenddessen zerschlagen sich die Hoffnungen auf eine Bastion in den Spalten von Renaissance. Balázs „schreibt: Man kann das Ding nicht so drehen, daß sie unser Blatt werde.“ 167 So konzentriert sich Balázs auf den erfolglosen Versuch, seine Novellen zu publizieren - und Lukács in den folgenden Monaten auf seine Pläne mit Fülep, zu dem er innerlich zugleich Distanz hält. 168 Auch dem Unternehmen A Szellem, an dem Lukács auch den Philosophen Béla Zalai 169 beteiligen will, ist kein Erfolg beschieden. Lukács’ Absicht, Fülep dazu zu bewegen, ihr Projekt an die deutsche Zeitschrift Logos zu binden, fällt einer zufälligen Koinzidenz zum Opfer. Im Dezember 1910 planen nämlich auch Wilhelm Szilasi und Bernát Alexander, einen ungarischen Logos herauszugeben, und sie bitten Lukács, mit Szilasi gemeinsam die Redaktion und auch etwaige Verhandlungen in Berlin zu übernehmen, z.B. mit Georg Simmel. Lukács, der zur gleichen Zeit mit Unterstützung Bernát Alexanders versucht, sich an der Universität in Budapest zu habilitieren, gerät nun in eine Zwickmühle zwischen Fülep, Alexander und seinen eigenen Plänen. 170 Es gelingt ihm wohl, Alexander und Szilasi auseinanderzudividieren 171 , aber Fülep will sich schließlich doch nicht an Logos binden und dafür auf die Freiheit verzichten, eigene Übersetzungen klassischer Texte zu kalvinistischer Geistlicher in die Provinz zurück. Ab 1948 wieder Professur in Budapest und Mitgliedschaft der Ung. Akademie der Wissenschaften. 166 „Haben Sie das neue Blatt, die ‘Renaissance’ gesehen? Es ist nicht gut. Es hat aber mehr Takt und Ehrfurcht für das Ernste als ‘Nyugat’. Für das wenige, das ich schreibe, ist jetzt - provisorisch - dies mein Organ.“ (Georg Lukács an Lajos Fülep, 24.5.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 118) 167 Georg Lukács an Leo Popper, 9.10.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 149. 168 „Fülep ist [...] kein Großer. Seine Intensität ist nicht so groß und nicht echt, ein Baumgarten-Typ, jedoch Christ. Er hat also ein besseres Gewissen beim Ästhet-Sein, bei der Arbeit und überhaupt. Dafür is t sein moralischer Wert weitaus geringer: er ist eitel“, schreibt er an Leo Popper am 9.10.1910 (in: Lukács, Briefwechsel, S. 150). Über seine Beziehung zu Menschen schreibt Lukács mittlerweile mit blankem Zynismus: „Ich bin wirklich geduldig geworden: ich ertrage die Menschen. Nur eines zählt: ob sie auf irgendeine Weise meine Waffengefährten sind in dem Kampf, der mein Leben ausfüllen wird. Die Auslese aber ist strenger und (von menschlichem Aspekt her) willkürlicher als je zuvor. Ich weiß: aus solchen Ge fühlen kann auch Freundschaft werden und wurde es auch, beispielsweise mit Herbert, und ein bißchen auch mit Paul Ernst.“ (Georg Lukács an Leo Popper, 9.11.1910, in Lukács, Briefwechsel, S. 157f.) 169 Béla Zalai (1882-1915), Philosoph, Studium in Budapest , Leipzig und Paris, arbeitete an einer philosophischen Systematik, hatte starken Einfluss auf Karl Manneim und Arnold Hauser. Er fiel im Ersten Weltkrieg. „Zalai ist einer der unsrigen: antipsychologisch, antipositivistisch, metaphysisch usw. Ein gescheiter und gebildeter Mensch, außerhalb aller ungarischen Gruppen stehend.“ (Georg Lukács an Lajos Fülep, 9.11.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 159) 170 Er bittet Fülep, Alexander gegenüber seinen „Groll nicht spüren zu lassen. [...] Mir wäre es auch privat wichtig, die guten Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten.“ (Georg Lukács an Lajos Fülep, 21.12.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 186) 171 „Was halten Sie nun von folgender Idee: Alexander von seiner Umgebung zu isolieren. Ihm kann man weismachen, daß er neuer Metaphysiker und Antipositivist ist. Das hätte freilich den Nachteil, daß er schreiben würde.“ (Ebd.) 106

ingen und sich damit in der philosophischen Tradition selbst neu zu orientieren. 172 Vor allem aber bereitete die Aussicht, von Deutschland und von der etablierten Philosophie abhängig zu sein, Fülep sichtlich Unbehagen. A Szellem erschien schließlich im Frühjahr 1911 und noch ein weiteres Mal im Dezember des gleichen Jahres, dann musste das Blatt sein Erscheinen einstellen. 173 Lukács’ Hoffnung auf eine Habilitation in Budapest hatte sich unterdessen im Mai zerschlagen. Alexander konnte ihm am 4. Mai nur noch die Niederlage bei der Abstimmung mitteilen, nicht ohne dabei zu erwähnen, wie sehr auch Lukács’ Vater sich darüber entrüsten würde. 174 Alexander hatte nicht begriffen, wie sehr er längst für Lukács zu einem, nicht einmal mehr sonderlich tauglichen, Werkzeug geworden war. Auch Balázs’ und Lukács’ Verhältnis zu Georg Simmel in Berlin war unterdessen zu einem zynisch- taktischen herabgesunken. Im Mai 1912 besucht Balázs, von Paris über Berlin nach Budapest zurückkehrend, Simmel noch einmal. Simmel, der gerade selbst erfolglos versucht, in Heidelberg endlich den ersehnten Lehrstuhl zu erhalten, schreibt an Lukács: „Soeben war Herr Bauer in Berlin, ich konnte ihn leider meiner Abreise wegen nur einmal sehen, habe aber große Freude an ihm gehabt. Er scheint sich zu einer schönen Selbständigkeit u. Reife zu entwickeln.“ 175 Lukács, der nun ebenfalls in Heidelberg seine Habilitation betreibt, hatte schon von Balázs Post aus Berlin bekommen: „[I]ch war bei Simmel. Er sprach über Dein Buch [Die Seele und die Formen], er hatte es vor kurzem gelesen, als er nach Weimar fuhr und es mitnahm. Er sagte (was wir sowieso wissen), es sei ‘ungleich’ [...]. Die Metaphysik der Tragödie 176 gefiel ihm ganz besonders. Ich kann freilich nicht wissen, wie aufrichtig er zu mir war. [...] Ansonsten machte er auf mich den Eindruck eines Dummkopfs und Affen - freilich war, was wir sprachen, keine Fachphilosophie. Ich hatte, wie es scheint, an jenem Abend ‘Erfolg’, und anscheinend hast auch Du eine ‘gute Note’ bei ihm. Allerdings...“ 177 172 Geplant ist zu dieser Zeit gerade eine Übersetzung von Plotin, mit dem sich Lukács und Balázs damals ebenfalls auseinandersetzen. 173 Erschienen waren u.a. Texte von Plotin, Meister Eckehart und Hegel, von Lajos Fülep, Béla Zalai und Lukács’ Metaphysik der Tragödie und Von der Armut am Geiste. 174 Vgl. Lukács, Briefwechsel, S. 223. 175 Georg Simmel an Georg Lukács, 25.5.1912, in: Lukács, Briefwechsel, S. 288. 176 Der Aufsatz über Paul Ernst. 107

ingen und sich d<strong>am</strong>it in der philosophischen Tradition selbst neu zu orientieren. 172 Vor allem aber<br />

bereitete die Aussicht, von Deutschland und von der etablierten Philosophie abhängig zu sein, Fülep<br />

sichtlich Unbehagen.<br />

A Szellem erschien schließlich im Frühjahr 1911 und noch ein weiteres Mal im Dezember des<br />

gleichen Jahres, dann musste das Blatt sein Erscheinen einstellen. 173 Lukács’ Hoffnung auf eine<br />

Habilitation in Budapest hatte sich unterdessen im Mai zerschlagen. Alexander konnte ihm <strong>am</strong> 4. Mai<br />

nur noch die Niederlage bei der Abstimmung mitteilen, nicht ohne dabei zu erwähnen, wie sehr auch<br />

Lukács’ Vater sich darüber entrüsten würde. 174 Alexander hatte nicht begriffen, wie sehr er längst für<br />

Lukács zu einem, nicht einmal mehr sonderlich tauglichen, Werkzeug geworden war.<br />

Auch Balázs’ und Lukács’ Verhältnis zu Georg Simmel in Berlin war unterdessen zu einem zynisch-<br />

taktischen herabgesunken. Im Mai 1912 besucht Balázs, von Paris über Berlin nach Budapest<br />

zurückkehrend, Simmel noch einmal. Simmel, der gerade selbst erfolglos versucht, in Heidelberg<br />

endlich den ersehnten Lehrstuhl zu erhalten, schreibt an Lukács: „Soeben war Herr Bauer in Berlin,<br />

ich konnte ihn leider meiner Abreise wegen nur einmal sehen, habe aber große Freude an ihm<br />

gehabt. Er scheint sich zu einer schönen Selbständigkeit u. Reife zu entwickeln.“ 175 Lukács, der nun<br />

ebenfalls in Heidelberg seine Habilitation betreibt, hatte schon von Balázs Post aus Berlin bekommen:<br />

„[I]ch war bei Simmel. Er sprach über Dein Buch [Die Seele und die Formen], er hatte es vor<br />

kurzem gelesen, als er nach Weimar fuhr und es mitnahm. Er sagte (was wir sowieso wissen), es sei<br />

‘ungleich’ [...]. Die Metaphysik der Tragödie 176 gefiel ihm ganz besonders. Ich kann freilich nicht<br />

wissen, wie aufrichtig er zu mir war. [...] Ansonsten machte er auf mich den Eindruck eines<br />

Dummkopfs und Affen - freilich war, was wir sprachen, keine Fachphilosophie. Ich hatte, wie es<br />

scheint, an jenem Abend ‘Erfolg’, und anscheinend hast auch Du eine ‘gute Note’ bei ihm.<br />

Allerdings...“ 177<br />

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Geplant ist zu dieser Zeit gerade eine Übersetzung von Plotin, mit dem sich Lukács und Balázs d<strong>am</strong>als ebenfalls<br />

auseinandersetzen.<br />

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Erschienen waren u.a. Texte von Plotin, Meister Eckehart und Hegel, von Lajos Fülep, Béla Zalai und Lukács’<br />

Metaphysik der Tragödie und Von der Armut <strong>am</strong> Geiste.<br />

174<br />

Vgl. Lukács, Briefwechsel, S. 223.<br />

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Georg Simmel an Georg Lukács, 25.5.1912, in: Lukács, Briefwechsel, S. 288.<br />

176 Der Aufsatz über Paul Ernst.<br />

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