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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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der staatlichen Einheit der Doppelmonarchie, noch spürten sie irgendeine Affinität zu der von ihnen<br />

kritisierten „Beliebigkeit“ des Nyugat. Und doch war hier der einzige kulturpolitische Raum, von<br />

dem aus die Entwicklung eigenständiger Positionen überhaupt denkbar erschien. So waren ihre<br />

<strong>am</strong>bivalenten Beziehungen zu den Protagonisten der radikalen Liberalen von Zynismus und Hochmut<br />

geprägt.<br />

Zwei Zeitschriftenprojekte stehen 1910 und 1911 im Mittelpunkt ihrer strategischen Überlegungen,<br />

die Renaissance und A Szellem (Der Geist). Unter der Herausgeberschaft von Árpád Zigány und<br />

Béla Révész 155 , einem Freund Endre Adys, war die Renaissance 1910 als Zeitschrift für Politik,<br />

Kunst und Literatur begründet worden, stand dem Kreis der Soziologischen Gesellschaft nahe,<br />

versuchte aber zu Nyugat auf Distanz zu gehen. Ady, so schreibt Balázs an Lukács, der sich zu<br />

dieser Zeit zumeist in Berlin aufhält, „haßt Nyugat. Denk Dir, er will eine Stellung annehmen bei der<br />

Krankenversicherung, nur um sich endlich freizukaufen.“ 156 Balázs und Lukács machen sich<br />

Hoffnungen, bei Renaissance ein Forum für ihre Ideen zu schaffen, „mit der Zeit einen Anti-Nyugat<br />

daraus machen“ 157 zu können. Balázs berichtet Lukács im Mai 1910, dass Oskar Jászi ihn persönlich<br />

angesprochen und aufgefordert habe, für die Renaissance zu schreiben. „Ich meine, mein Gyuri, daß<br />

man das, was wir einmal mit Magyar Szemle (Ungarische Rundschau) vorhatten, bei der<br />

Renaissance machen könnte. Wir sollten uns in ganzer Breite einnisten. Dann könnten wir, meiner<br />

Meinung nach, die obskurantistischen Wanzen, von denen es dort wimmelt [...] verdrängen. [...] Wir<br />

sollten wenigstens den literarischen Teil für uns beschlagnahmen.“ 158 Lukács bittet Leo Popper um<br />

Texte für die Renaissance. Doch Popper hat Bedenken. Denn „ich fürchte, daß mit diesem Blatt<br />

wiederbelebt wird, was man sowieso nie erschlagen konnte, ich fürchte, daß daraus ein Cabaret<br />

zwischen Huszadik Század und Nyugat wird. [...] Auch ihr beide, Du und Balázs, könnt mir dort<br />

nicht gefallen, in der Gesellschaft von Andor Cserna (Du mußt diesen beiliegenden Dreck lesen, Du<br />

wirst Dich krumm lachen) [...].“ 159<br />

155<br />

Béla Révész (1876-1944), Schriftsteller und Journalist, ab 1906 Leiter der literarischen Beilage der Népszava, der<br />

Zeitung der ungarischen Sozialdemokraten.<br />

156<br />

Balázs an Georg Lukács, Ende Mai 1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 123. Balázs scheut auch vor einer Prise<br />

antisemitischer Polemik gegen den Nyugat-Herausgeber Miksa Fenyö (1877-1972) nicht zurück: „Wir hatten<br />

bereits ein wenig getrunken und fielen über den kleinen Juden her, daß er sich wie ein Wurm krümmte und<br />

davonlief.“ (Ebd.)<br />

157<br />

Georg Lukács an Leo Popper, 28.5.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 119.<br />

158<br />

Balázs an Georg Lukács, 12.5.1910, in Lukács, Briefwechsel, S. 113. Balázs versucht auch, Mihály Babits<br />

einzubeziehen, er sei schließlich ein „Vielschreiber“ (ebd.), aber dieser lehnt ab.<br />

159<br />

Leo Popper an Georg Lukács, 13.6.1910, in: Lukács, Briefwechsel, S. 131. Mit Andor Cserna wird auch Balázs im<br />

nächsten Jahr beim Versuch, seine Novellen zu veröffentlichen, noch schlechte Erfahrungen machen.<br />

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