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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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dem geschichtlichen Inhalt der Kunst jene „wilde und selbständige Absicht“ 147 , die „Magie der<br />

Form“ 148 zu sehen imstande ist. Poppers „Erwartung - die zugleich eine kritische Herausforderung<br />

war -, Lukács’ Entwicklung werde ihn von der Lebens- zur Formkritik führen, hat sich nicht<br />

erfüllt“. 149<br />

„Wie kann und muß man heute leben?“ 150 fragt Lukács in seinem Essay über Novalis. Und wenn,<br />

wie Leo Popper schrieb, die Schriften von Lukács „Lebensbewältigungen“ sind, welche<br />

Lebensmöglichkeit „bewältigt“ der Essay? Die Utopie als Lebensform, in der sich reine Reflexion<br />

und Form, Augenblick und Dauer in einem Moment verbinden, die flüchtige Einheit von Seele und<br />

Form, auf den diese Gebärde zielt, stellt die Frage nach der Möglichkeit eines ethischen Erlebnisses,<br />

in dem Sein und Sollen zus<strong>am</strong>menfallen. „Das ethische Erlebnis par excellence ist das des Opfers: die<br />

Aufopferung des individuellen Glücks, um die Bedingung der Möglichkeit, es allgemein zu machen,<br />

aufzuweisen.“ 151 Die Auflösung der Aporie ist das Paradox des Feuers, „Feuer des Herdes und der<br />

Brand der Apokalypse“ zugleich, wie Bachelard schreibt. Die Utopie selbst kennt keine Form:<br />

„solange das nicht da ist: daß alles Berührung und alles gleichermaßen Berührung ist, solange ist gar<br />

nichts da“ 152 , solange es die totale Kommunikation, die Möglichkeit der „allgemeinen und restlosen<br />

Mitteilbarkeit von allem Menschlichen“ 153 nicht gibt, verlangt „der Weg dorthin [...] das Paradox, das<br />

Mittel vom Zweck zu trennen.“ 154<br />

Zweckgemeinschaften und Ziele, Sachen und Arbeit. Balázs und Lukács unternahmen große<br />

Anstrengungen, um sich eine unabhängige Stellung zu erkämpfen, und dabei war taktisches Geschick<br />

gefragt. Nyugat und Huszadik Század besetzten die Positionen der Moderne in Ungarn auf eine<br />

Weise, die ihnen zutiefst suspekt war. Weder teilten sie die Hoffnung der Soziologischen<br />

Gesellschaft auf eine westlich-bürgerliche, demokratische und zugleich soziale Entwicklung innerhalb<br />

147 Ebd., S. 45.<br />

148 Ebd., S. 47.<br />

149 Philippe Despoix, Ethiken der Entzauberung. Zum Verhältnis von ästhetischer, ethischer und politischer<br />

Sphäre <strong>am</strong> Anfang des 20. Jahrhunderts. Bodenheim: Philo, 1998 [Originalausgabe: Éthiques du<br />

désenchantement. Essais sur la modernité allemande au début du siècle, 1995], S. 111. Popper schreibt: „Die<br />

Schriften von György Lukács, heute noch Abhandlungen über das Leben, die von den Dingen der Seele mit<br />

tieftraurigem Wissen Nachricht geben, werden eines Tages Formkritik sein“. (Popper, „Die Erkenntnis und die<br />

Erlösung“, S. 47)<br />

150 Lukács, „Zur romantischen Lebensphilosophie: Novalis“ [1907], in: Die Seele und die Formen, S. 69.<br />

151 Schneider, Essay, Moral, Utopie, S. 119.<br />

152 Lukács, Tagebuch, S. 10. Eintrag vom 8.5.1910.<br />

153 Lukács, Heidelberger Philosophie der Kunst, S. 15.<br />

154 Schneider, Essay, Moral, Utopie, S. 119.<br />

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