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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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„Schicksalsmoment [...] wo die Dinge zu Formen werden“ 139 - gerade nicht die „Erfüllung“ dieser<br />

Sehnsucht, „die sie ja aufheben würde, sondern [ihre] Gestaltung, die sie - ihre eigenste und nunmehr<br />

unteilbare Wesenheit - zum ewigen Wert erlöst und errettet. Diese Gestaltung bringt der Essay.“ 140<br />

Und d<strong>am</strong>it, so schließt Lukács, lasse sich nicht nur die Frage nach dem Status des Essay als<br />

Kunstgattung beantworten - in dem Sinne, in dem Lukács den einzelnen Gattungen die nur ihnen<br />

mögliche Gestaltung eines eigenen Gegenstandes, eines „eigenen, vollständigen Lebens“ 141 zumisst -<br />

sondern auch die Aporie auflösen, die sich zwischen reiner Reflexion und Form („Kunstwerk“)<br />

auftut: „Der Essay ist ein Gericht, doch nicht das Urteil ist das Wesentliche und Wertentscheidende<br />

an ihm (wie im System) sondern der Prozeß des Richtens.“ 142<br />

So ist Lukács’ Richter doch nur „der reine Typus des Vorläufers“ 143 , ist doch nur der Prophet des<br />

Kommenden. Er ist das Medium, denn in ihm werden die Maße des Richtens erschaffen, und sein<br />

Hochmut und seine Demut sind eins: denn „es ist der große Wertbestimmer der Ästhetik, der immer<br />

Kommende, der noch nie Angelangte, der einzig zum Richten Berufene, der sie ihm eingibt“. 144<br />

Theodor W. Adorno hat dem entschieden widersprochen, als er dem Essay einen Status jenseits der<br />

Spanne zwischen Kunstform oder Theorie und einen eigenen Anspruch auf Wahrheit, das heißt<br />

Kritisierbarkeit seiner Begriffe zuwies. „Weder leitet er sich bündig aus ihr [der Theorie] ab - der<br />

Kardinalfehler aller späteren essayistischen Arbeiten von Lukács - noch ist er Abschlagszahlung auf<br />

kommende Synthesen. [...] Er ist, was er von Beginn war, die kritische Form par excellence; und<br />

zwar, als immanente Kritik geistiger Gebilde, Ideologiekritik.“ 145<br />

Philippe Despoix hat darauf hingewiesen, dass auch Leo Popper Lukács eine andere Position<br />

entgegenstellte, und dies gerade in seiner emphatischen Rezension, die er über die ungarische<br />

Ausgabe von Die Seele und die Formen in Budapest veröffentlichte. Dort stellt er den „Kritiker des<br />

Lebens“, als der ihm Lukács erscheint, dem „Kritiker der Form“ gegenüber, der „die Sprache der<br />

Formen jenseits der Menschensprache versteht“ 146 , der jenseits der Intentionen des Künstlers und<br />

139 Ebd., S. 17.<br />

140 Ebd., S. 30.<br />

141 Ebd., S. 31.<br />

142 Ebd.<br />

143 Ebd., S. 29.<br />

144 Ebd.<br />

145 Theodor W. Adorno, „Der Essay als Form“, in: ders., Noten zur Literatur [Ges<strong>am</strong>melte Schriften 11]. Hg. von<br />

Rolf Tiedemann. <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong>: Suhrk<strong>am</strong>p, 1981, S. 26.<br />

146 Leo Popper, „Die Erkenntnis und die Erlösung. György Lukács: Die Seele und die Formen“, in: ders., Schwere<br />

und Abstraktion: Versuche. Berlin: Brinkmann & Bose, 1987, S. 45.<br />

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