12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kritiker ist in die Welt gesandt worden, um diese Apriorität über Großes und Kleines redend klar<br />

ans Licht treten zu lassen und zu verkünden, um mit den hier geschauten und errungenen Maßstäben<br />

der Werte jede einzelne Erscheinung zu richten. Die Idee ist früher da, als alle ihre Äußerungen, sie<br />

ist ein seelischer Wert, ein Weltbeweger und Lebensgestalter für sich.“ 131<br />

Christian Schneider betont, „dass ‘Leben’ für Lukács immer eine doppelte Bedeutung hat: einerseits<br />

ist es das trübe und unreine Gemisch des Alltagslebens, die depravierte Empirie der ideenverlassenen<br />

Welt; andererseits, als ‘reines’ gedacht, der normative Ort der individuellen und allgemeinen<br />

Werterfüllung. [...] auf der einen Seite das schiere Sein, auf der anderen das absolute Sollen.“ 132 Mit<br />

den Worten Lukács’: „zwei Typen seelischer Wirklichkeit: das Leben ist der eine und das Leben der<br />

andere; beide sind gleich wirklich, sie können aber nicht gleichzeitig wirklich sein.“ 133 In seinem Essay<br />

über Paul Ernst („Metaphysik der Tragödie“) spricht Lukács dann aber das Urteil über das Leben:<br />

„Alles fließt und fließt ineinander, hemmungslos, in unreiner Mischung; alles wird zerstört und alles<br />

zerschlagen, nie blüht etwas bis zum wirklichen Leben.“ 134 Die Kunst bleibt diesem Leben verhaftet,<br />

gerade in dem es ihm Form verleiht, „in dem Kunst ‘zum Organon des Wunsches zur Einheit wird’<br />

wird sie zum bloßen Vehikel der Mitteilung und sinkt zum Mittel der alltäglichen<br />

Kommunikationsformen herab“. 135<br />

Der Gegenstand der Kunst, darüber ist sich Lukács vorerst mit Balázs einig, ist Sehnsucht. Doch<br />

diese setze erst der Kritiker in ihr Recht, als „eine letzte, nicht mehr aufzuhebende Kategorie der<br />

Erlebnismöglichkeit“. 136 Dies freilich vermag die Kritik nur als Mittler einer Polarität zwischen<br />

Kunstwerk und System, als Vorläufer, nicht so sehr im zeitlichen Sinne denn als „logische<br />

Differenz“. 137 Ebenso wie die Formen, die durch die Kunst geschaffenen Gestalten, realisiert auch<br />

das durch den Kritiker artikulierte Erleben - und hier bedient sich Lukács der Diltheyschen<br />

Kategorien: das „Erlebnis“ der Form, das Erkennen des „Schicksalhafte[n] in den Formen“ 138 , des<br />

131 Ebd.<br />

132 Schneider, Essay, Moral, Utopie, S. 59.<br />

133 Lukács, Die Seele und die Formen, S. 11f.<br />

134 Ebd., S. 219. Im Tagebuch notiert Lukács, beim Schreiben des „Ernst-Essay“: „[D]as ist, jawohl, der<br />

Unterschied zwischen dem Leben und dem Leben. Das Leben verwäscht alles“. (Lukács, Tagebuch, S. 21. Eintrag<br />

vom 29.5.1910)<br />

135 Schneider, Essay, Moral, Utopie, S. 60. Das Zitat st<strong>am</strong>mt aus Georg Lukács, Heidelberger Philosophie der<br />

Kunst (1912-14) [= Werke. Bd. 16. Frühe Schriften zur Ästhetik I]. Aus dem Nachlaß herausgegeben von<br />

György Márkus und Frank Benseler. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand, 1974, S. 15.<br />

136 Lukács, Die Seele und die Formen, S. 30.<br />

137 Schneider, Essay, Moral, Utopie, S. 58.<br />

138 Lukács, Die Seele und die Formen, S. 16.<br />

101

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!