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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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um Edith zu schonen, habe er bislang über das belastende Thema geschwiegen. 111 Nun endlich<br />

könne er sich von dem auf Lüge aufgebauten Dasein befreien. Und er spricht von der „hochmütigen<br />

und systematischen Askese“, mit der er sich für das Leiden „als Genossen und Befruchter“ seiner<br />

Seele entschieden habe. Ein Zufall hätte ihm allein das Geheimnis enthüllt: „den Selbstmord und<br />

seinen Freund als Verursacher dieses Selbstmords“. 112 Er habe, trotz allen Misstrauens den<br />

Menschen gegenüber, auf diese Freundschaft gerechnet, weil „sie festere Wurzeln als Gefühle oder<br />

Erlebnisse zu haben schien, das einzige Sichere“ 113 , das er nach dem Zus<strong>am</strong>menbruch des<br />

„lebendigen Lebens“ 114 noch erblickt habe. Er spricht von einem Beweis, nicht „deutlich genug, um<br />

das Vergehen“ des Freundes und das Leid der Toten ganz klar erscheinen zu lassen, aber doch „klar<br />

genug, um es<br />

⎮:ihm:⎮ für immer einzuprägen, dass hier ein Verbrechen begangen wurde“. 115 Nun<br />

war der Moment gekommen: „[D]as Gericht, das er über den Menschen, der ihrer aller Leben<br />

zerstört hat, [...] zu halten hat.“ 116 Die Frau des Freundes ist schon tot, als er eintrifft. Und so nimmt<br />

das „Gericht“ seinen Lauf. Paul, mit weichem Gesicht und „milden Kinderaugen“ 117 , errät schnell,<br />

worüber Erwin sprechen will, und blickt ihn, in seiner ganzen Feigheit, „höhnisch und<br />

verachtungsvoll“ 118 an. Leise spricht Erwin das Wort aus, auf das dieser nur wartet: „Mörder“. Paul<br />

entgegnet kalt, nicht sein Gewissen, sondern die Kenntnis von Erwins Charakter habe ihn erwarten<br />

lassen, was nun komme. Und Erwin erwidert, das Pauls Gewissen ihn nicht interessiere: „Ich bin<br />

nicht gekommen, um Dir eine Beichte abzunehmen, sondern um das Gericht über Dich abzuhalten“ -<br />

„Sprich!“ D<strong>am</strong>it endet Lukács’ „Dialog“. Edith Hajós hat beide, hat Balázs und auch Lukács, dreißig<br />

111 „Lange Jahre erwartete er diesen Augenblick, den Augenblick, der ihn - so dachte er - aus der Erstarrung eines<br />

auf Lüge aufgebauten Daseins erretten würde, und das Quälende dieser Erwartung steigerte nur noch die<br />

Selbsttortur, dass er den Tod des ⎮:von ihm:⎮ <strong>am</strong> reinsten geliebten Menschen wünschen musste, dass das<br />

Opfer der ewigen Lüge, die [das] er gerade dieser Frau gebracht hat, nicht nur sein inneres Leben<br />

, sondern auch das, sie für ihn sein konnte, zerfrass. [...] D<strong>am</strong>als geschah es, dass<br />

die Frau , die einzige, die er geliebt hat ⎮:unerwartet und unerklärlich:⎮ starb. “ Und<br />

später heißt es: „So hat er sich zur Komödie entschlossen, alle Gebärden der Freundschaft<br />

aufrechterhalten und [...] seinen Hass und seine völlige Desillusionierung hinter diesem Gestus ⎮:völlig:⎮zu<br />

verbergen. Aber die Lüge blieb nicht isoliert, konnte es nicht bleiben: sie zersetzte die Intensität des<br />

Hasses, denn die warmen Worte färbten auf Stimmungen ab und reiche und schöne Stunden wurden<br />

unvermeidlich zus<strong>am</strong>men erlebt; sie beschmutzten das Angedenken an die Tote.“ (Lukács, Napló - Tagebuch, S.<br />

60)<br />

112 Ebd., S. 60.<br />

113<br />

Ebd.<br />

114<br />

Ebd., S. 61.<br />

115<br />

Ebd.<br />

116<br />

Ebd., S. 62.<br />

117<br />

Ebd., S. 63.<br />

118 Ebd.<br />

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