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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Unlängst schrieb ich Herbert über das ‘Stottern’: ja, er wäre besser als niemand, vielleicht auch Leo<br />

[...].“ 103<br />

Für Ferenc Fehér zehrt dieses Bündnis von der Grundlage einer „gemeins<strong>am</strong>en neuen Ethik“ 104 , „der<br />

heftige und unwiderstehliche Protest gegen jeden ethischen Formalismus, der die Konventionen der<br />

bürgerlichen Gesellschaft auf postulativer Grundlage zu regeln wünscht, sich aber trotzdem zum<br />

Grundsatz bekennt, daß der Mensch dem Menschen Wolf oder - selbst innerhalb geregelter Formen<br />

- ‘Schranke’ ist“. 105 Was aber ist von dem Schluss des Lukács-Schülers Fehér zu halten, dass<br />

nämlich „der mystische Traum über die Einswerdung des Subjekts und des Anderen [...] ein Utopie<br />

von freier menschlicher Gemeinschaft“ 106 sei?<br />

Im September 1913, als Lukács und Balázs sich im italienischen Badeort Bellaria trafen, war Lukács<br />

mit gemischten Gefühlen angereist. Die Begegnung war folgenreich. Balázs und seine Frau (im<br />

Frühjahr 1913 hatten Edith Hajós und er geheiratet und Balázs war zum Katholizismus konvertiert)<br />

hatten Besuch aus Paris: Helena (Jelena, bzw. Ljena) Andrejewna Grabenko, eine russische<br />

Revolutionärin, mit der Balázs in Paris anderthalb Jahre zuvor eine kurze Affaire hatte und die nun<br />

bald Lukács’ erste Frau werden sollte. Edith Hajós wiederum, Lukács wusste es, hatte eine Reihe<br />

schwerer psychischer Krisen hinter sich. Nicht nur die Briefe Balázs’ an Lukács in der Zeit zwischen<br />

1910 und 1912 waren angefüllt mit Sorgen um sie, angesichts von Depressionen und<br />

Selbstmorddrohungen. 107 Auch Lukács nahm an Edith Hajós offenbar großen Anteil. Vermutlich um<br />

ihretwillen hatte Lukács seine Ahnungen über Balázs und Irma bis zum Herbst 1913 zurückgehalten<br />

und eine Konfrontation mit Balázs vermieden.<br />

103 Lukács, Tagebuch, S. 26f. Eintrag vom 26.6.1910. Weiter heißt es dort: „- vielleicht wird auch Paul Ernst so<br />

etwas. Nicht das brauche ich aber! Am wenigsten die ‘gescheiten’, die hervorragenden und ‘sachverständigen’<br />

Leute; ich wäre unfähig, Simmel, oder Bloch, oder Karli [Polányi] auch nur einen Satz zu sagen [...].“<br />

104 Fehér, „Das Bündnis von Georg Lukács und Béla Balázs“, S. 169.<br />

105 Ebd., S. 153f.<br />

106 Ebd.<br />

107 Am 16.8.1911 beispielsweise berichtet er, „daß ich die schwersten Stunden meines Lebens erlebe, Stunden, wie<br />

ich sie mit zügellosester Phantasie nicht hätte ausmalen können -, wem sonst soll ich das erzählen, wenn nicht Dir<br />

und Máli? Ich würde es natürlich niemandem erzählen, wenn es nicht um Edith ginge, auf die ihr auch Anspruch<br />

habt. Selbst so darf und kann ich nichts anderes sagen, als daß die Schlacht, wie ich meine, sich ihrem Ende<br />

nähert, daß niemand etwas tun kann und ich auch nur soviel, daß ich die Schlüssel der Festung in den Brunnen<br />

werfe, um nicht fliehen zu können, selbst wenn ich wollte.“ (In: Lukács, Briefwechsel, S. 242)<br />

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