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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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affair. After Balázs left her, Irma committed suicide by throwing herself into the Danube.“ 96 Eine<br />

Quelle für Hellers Vermutung, gar für Zsuffas Schilderung gibt es nicht, „nichts weißt darauf hin“, so<br />

Júlia Bendl, „dass Balázs gerade wegen seiner heiligen Freundschaft mit Lukács Irma verlassen<br />

hätte“. 97 Im Gegenteil: es sollte sich noch erweisen, dass der „Frauentausch“ zwischen den beiden<br />

noch keineswegs zum Ende gekommen war.<br />

Balázs selbst hat erst im Herbst 1913 in seinem Tagebuch ausführlicher darüber geschrieben 98 , und<br />

es gibt Gründe, auch seiner Wahrnehmung zu misstrauen, ja er selbst misstraut ihr: „Sie hat mich<br />

geliebt“, welche Vorstellung auch immer Balázs mit diesem Wort verbunden haben mag, „und wir<br />

haben besprochen, dass wir nichts bewahren, weder gegenüber Gyuri noch gegenüber jemandem<br />

anderen, wenn wir uns voneinander fernhalten. Wir würden uns nur selbst einer Freude berauben<br />

(des höchsten Glücks - sagt sie), ohne dass d<strong>am</strong>it jemand geholfen wäre. Sie wüsste alles, wüsste,<br />

dass ich Edith gehöre, aber ich sollte ihr 2 Wochen schenken, die sie wie ein Souvenir behalten<br />

möchte, und dass wir gute Freunde bleiben werden, einander dankbar. So redete sie. Und ich hatte<br />

nicht das Recht, dies zurückzuweisen. Ich konnte nicht ahnen, aber sie auch nicht! dass dies das<br />

Ende sein würde.“ Aber er fragt sich, nur zu Recht, „ob diese Worte und Gedanken Irmas vielleicht<br />

aus meiner Suggestion entsprungen sind? Dass ich mir im voraus Absolution erteilen ließ, von ihr?!<br />

Denn es stimmt, dass ich besorgt war und mich davor gefürchtet habe [...]. doch ich habe mich<br />

dagegen nicht gewehrt und nichts dagegen getan und ich wollte sie dennoch haben, sie begehrt und<br />

die Philosophie nur suggeriert, d<strong>am</strong>it sie es schön und leicht erträgt.“ 99 Es gibt wenig Grund, daran zu<br />

zweifeln, dass Balázs’ Verweis auf Edith immerhin stichhaltiger war als seine heilige Freundschaft zu<br />

Lukács. Und ebenso wenig Grund freilich auch, nicht daran zu zweifeln, dass Balázs Irmas Gefühle<br />

wirklich verstand. Die beiden Männer auf der Photographie, die Balázs aus Florenz mitbrachte, sie<br />

mögen Irma Seidler, die psychisch instabil und haltsuchend in Budapest auf eine Erlösung wartete,<br />

einander näher erschienen sein, als dies tatsächlich der Fall war. Es mag sein, dass sie die<br />

Ausweglosigkeit ihrer Situation, ihre Erniedrigung auf profundere Weise erkannte, als Balázs und<br />

Lukács dies jemals zugegeben haben. Das Treffen <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stag, von dem in dem Brief die Rede war,<br />

96<br />

Zsuffa, Béla Balázs, S. 37. Zsuffa gibt keine Quelle an, aber er paraphrasiert offensichtlich Agnes Heller, deren<br />

Formulierung bei ihm schon als „Zitat“ von Balázs erscheint.<br />

97<br />

Bendl, Lukács György élete, S. 121.<br />

98<br />

Aus der Zeit zwischen Februar 1909 und Juli 1911 sind keine Tagebücher überliefert.<br />

99 Balázs, Napló 1902-1914, S. 618.<br />

93

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