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Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

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Lukács schließt, wie er im Februar 1911 an Irma schreibt, mit diesem Brief seine Jugend ab. Und<br />

wenige Tage später erhält er eine Antwort von Irma Seidler, die die Widmung akzeptiert. 68 Bald<br />

wird sich zeigen, dass sie Lukács’ Brief wohl anders verstanden hat, als er dies wollte. Doch was<br />

wollte Lukács? Er hat bekommen, was er von ihr verlangt hatte, die Unterwerfung unter sein Maß,<br />

die Absolution. Doch Irma lässt ihm keine Ruhe. „Ich habe ihr beschämend wenig bedeutet, es fragt<br />

sich nur, ob es beschämend für sie oder für mich war? Unsinnige Frage: es ist dies eine Tragödie,<br />

aber sie erhob sich nicht dort, wo ich mich emporschwang. Das Weib kann keine Tragödie haben.<br />

‘Das Weib ist nur Weib’.“ 69 „Die Frau ist nur Frau“, das ist eine Zeile eines Gedichtes von Béla<br />

Balázs, das Lukács beschäftigt. 70 Schon <strong>am</strong> 26. 6.1910 hatte er im Tagebuch notiert. „Herberts<br />

Gedicht ‘Die Frau ist nur Frau...’ ließe sich, in den Mund der Frau gegeben, durchaus umkehren.<br />

Und nach all dem müßte und muß man abrechnen: ich bin und bleibe allein. Und es ist nicht gestattet,<br />

daß aus mir ohne sie weniger freikomme als mit ihr freigekommen wäre [...].“ 71 Für Balázs und<br />

Lukács gleichermaßen hatte die Lektüre von Weiningers Geschlecht und Charakter, seine<br />

misogyne Einschätzung der Inferiorität des Weiblichen eine zentrale, wenn auch nicht immer explizite<br />

Rolle gespielt. 72<br />

Im März 1911 kommt Lukács, der sich 1910 vor allem in Berlin und in Florenz aufgehalten hatte,<br />

nach Budapest zurück. Nun weiß er definitiv, „daß ihre Ehe gescheitert ist“. 73 Und er redet sich ein,<br />

Irma helfen zu können: „[E]s wäre mir eine große Lebenssache (selbst wenn alle Ihr-Zugehörigkeit<br />

bereits in ein negatives Anderes umschläge - dann sogar erst recht), etwas für sie tun zu können.“ 74<br />

Umständlich erklärt er Leo Popper in einem Brief seine Motive dafür, sie nun doch wiederzusehen<br />

Mein Mystizismus besteht gerade darin, daß mich alle Dinge angehen, und ich fühle diese Einheit nicht nur<br />

innerhalb der Kunst.“ (Lukács, Briefwechsel, S. 123f.)<br />

68<br />

Diese soll nun heißen: „Irma von Réthy-Seidler, in dankbarer Erinnerung“. (Siehe Georg Lukács an Irma Seidler,<br />

2.2.1911, in: Lukács, Briefwechsel, S. 198)<br />

69<br />

Lukács’ Tagebuch vom 11.2.1911. Hier zitiert aus Heller, „Das Zerschellen des Lebens an der Form“, S. 88f. (Die<br />

deutsche Tagebuchausgabe ist an dieser Stelle unverständlicherweise unvollständig.)<br />

70<br />

Es handelt sich um Balázs’ Gedicht „Widmung an einen Freund“ in seinem Buch A vándor énekel (Der<br />

Wanderer singt), das sich auf Zoltán Kodály bezieht. „Hier ist eine Handvoll Lieder. Blut des Herzen der Frau /<br />

Immer noch deines. Denn viele sind die Frauen / Und das Lied bleibt, die Frau entschwindet. / Immer noch deines.<br />

Denn viele sind die Frauen / Und weil ich sie dir gegeben haben möge / Denn die Frau ist nur Frau, aber wir alle<br />

müssen sterben.“<br />

71<br />

Lukács, Tagebuch, S. 28. Eintrag vom 26.6.1910.<br />

72<br />

Vgl. dazu Bendl, Lukács György élete, S. 110.<br />

73<br />

Georg Lukács an Leo Popper, etwa 19.3.1911, in: Lukács, Briefwechsel, S. 208.<br />

74 Ebd., S. 209.<br />

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