12.12.2012 Aufrufe

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

Frankfurt am Main - KOPS - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schon in seinem frühestem kunstphilosophischem Fragment, der Todesästhetik, deutet Balázs das<br />

Märchen, über seine Bedeutung als Gattung hinaus, auch als ein Medium, in dem Sehnsucht und<br />

Ausdruck zur „Wahrheit der Form“ verschmelzen würden, „die noch wichtiger ist als die Wahrheit<br />

des Inhalts“. Balázs’ Wendung zum Film, für die er sein Interesse an Märchen, Dr<strong>am</strong>en und Prosa<br />

freilich nie aufgab, wird hier als Versuch zu lesen sein, im Kontext der modernen, technisierten<br />

Massengesellschaft ein dem Märchen entsprechendes populäres Medium zu etablieren, das<br />

Entfremdung in einem Initiationsakt rituell und kontrolliert aufzuheben vermag - um den Preis freilich,<br />

die reale Erfüllung der Sehnsucht gegen einen Akt visueller Vereinigung mit dem Erträumten<br />

einzutauschen.<br />

Es sind nicht von ungefähr gerade seine Märchen, aber eben auch nicht nur sie, in denen er das<br />

Modell der Möglichkeit solcher Erfahrungen erprobt. „Der Mantel der Träume“, ein Märchen, das<br />

Balázs 1921, genau an der Schwelle zu seiner Arbeit für den Film wie im Rausch verfasste, hat<br />

diesen Zus<strong>am</strong>menhang von Traum und Initiation, Allmacht und Projektion, imaginärer Erfüllung und<br />

Distanz geradezu emblematisch verdichtet.<br />

Wenn diese Arbeit nun den Versuch unternimmt, die Geschichte und Vorgeschichte einer Ästhetik<br />

des Kino ähnlich prozesshaft biographisch zu beschreiben, wie auch ihr Entstehen eine dr<strong>am</strong>atische<br />

Auseinandersetzung Balázs’ mit den Möglichkeiten der Medien als Beziehungen und der<br />

Beziehungen als Medien war, dann lässt sie die essayistische Grundhaltung eines intellektuellen<br />

Flanierens, die Balázs und Lukács gleichermaßen von Georg Simmel gelernt hatte und die Georg<br />

Lukács freilich gewalts<strong>am</strong> in einem System überwinden wollte, noch einmal zu ihrem Recht kommen.<br />

Georg Simmel hat in der Einleitung zu seiner „Philosophischen Kultur“ der Erkenntnis einen Weg zu<br />

weisen versucht, der in der Pointe gipfelt, es reiche, die Welt gründlich genug umzugraben, nicht um<br />

den versprochenen Schatz zu heben, aber um reiche Frucht zu ernten. 5<br />

Der vorliegenden Studie kann diese mehrfache Bezogenheit auf den Essay, als Gegenstand und als<br />

Form einer prozesshaften Kritik zugleich, aber auch leicht zum Problem werden. So soll der<br />

biographische und der textimmanente Rekonstruktionsversuch durch eine Reihe von theoretischen<br />

Exkursen gekontert werden, die die Beziehungen zwischen Übergangsriten und Magie, Märchen und<br />

Film entfalten sollen, um den Ertrag dieser Betrachtungen wiederum auf Balázs’ Texte zu spiegeln.<br />

5 Vgl. Georg Simmel, Philosophische Kultur. Berlin: Wagenbach, 1983, S. 11.<br />

VI

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!