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Ausstellungen<br />

Mu Chen & Shao<br />

Yinong<br />

»Assembly Halls« und<br />

»Mi«<br />

Monatelang reiste das Künstler- und<br />

Ehepaar Mu Chen und Shao Yinong<br />

zwischen 2002 und 2004 durch chinesische<br />

Provinzen, um ehemalige Versammlungsräume<br />

ausfindig zu machen,<br />

die die Rote Armee während der Kulturrevolution<br />

(1966-1976) für Propagandaveranstaltungen<br />

genutzt hat. Nur<br />

der Bruchteil aller fotografisch dokumentierten<br />

Innenräume bündelten die<br />

Künstler zu der Serie »Assembly Halls«,<br />

mit der sie Aspekte und Funktionen der<br />

subjektiven und kollektiven Erinnerung<br />

thematisieren bzw. persönliche<br />

Kindheitserinnerungen distanziert und<br />

unsentimental visualisieren.<br />

Einige der »Assembly Halls« sind detailgetreu<br />

rekonstruiert worden oder zeugen<br />

durch Relikte wie politische Wandbehänge<br />

und -parolen noch immer von der<br />

Vergangenheit; andere Säle sind längst<br />

zu modernen Gaststätten, Theatern,<br />

Cafés, Bars, Schulzimmern oder auch<br />

Beträumen umfunktioniert worden.<br />

Schließlich finden sich in der Fotoserie<br />

auch leerstehende, dem Verfall anheimgegebene<br />

oder völlig »ruinierte« Versammlungsstätten<br />

abgebildet, in denen<br />

keine oder kaum noch Spuren ihres historischen<br />

Nutzens auszumachen sind.<br />

Nahezu geisterhaft muten mitunter die<br />

stets menschenleer fotografierten Räume<br />

an. Und tatsächlich vermag diese Leere<br />

die Geister der Vergangenheit wachzurufen,<br />

sei es durch Erinnerung oder<br />

durch die Fantasie des Betrachters. Die<br />

Stille und Verlassenheit lässt den Nachhall<br />

von einstigen Zusammenkünften<br />

vernehmbar werden, auf denen propagiert,<br />

indoktriniert, öffentlich gedemütigt,<br />

»Selbstkritik« geübt, denunziert,<br />

Revolutionslieder gesungen, applaudiert<br />

und gefeiert wurde. So fungieren<br />

die »Assembly Halls« als Reminiszenz<br />

der jüngeren chinesischen Geschichte.<br />

Die Serie »MI« des Künstlerpaars zeigt<br />

Installationen an Gebäuden, welche<br />

64 <strong>brennpunkt</strong> 4/<strong>2012</strong><br />

Fotografien © Mu Chen & Shao Yinong, »Pukou«, (Original in Farbe)<br />

ebenfalls eine Bildkultur der Erinnerung<br />

visualisiert. Während der Kulturrevolution<br />

wurden die Fenster von unzähligen<br />

Gebäuden mit X-förmig angebrachten<br />

Klebstreifen armiert, um die Menschen<br />

vor herumfliegenden Splittern bei den<br />

angeblich kurz bevorstehenden kapitalistischen<br />

Bombenangriffen zu schützen.<br />

Diese Propagandamaßnahme<br />

führte dazu, dass auf den Fenstern das<br />

Schriftzeichen X für das Wort »MI« (auf<br />

Deutsch »Reis«) zu lesen war, was ungewollt<br />

provokativ den Gedanken an eine<br />

politische Demonstration assoziierte.<br />

Anders als in der »Assembly Halls«-<br />

Serie wird in der »Mi«-Serie nicht die<br />

am Architekturfragment ablesbare Historie<br />

beleuchtet, sondern der durch<br />

seinen ephemeren Charakter nur noch<br />

mittels des überlieferten propagandistisch-didaktischen<br />

Materials aus der<br />

Zeit der Kulturrevolution dokumentierte<br />

architektonische Eingriff reinszeniert.<br />

Die Fenster der historischen Gebäude<br />

wurden von den Künstlern erneut mit<br />

weißen Bändern versehen und anschließend<br />

fotografisch in nüchternen Außenaufnahmen<br />

festgehalten.<br />

Die performativ angelegte künstlerische<br />

Werkstrategie stellt sich somit als Rekonstruktion<br />

der ehemals politisch-ideologisch<br />

motivierten Ereignisse dar.<br />

Im Bühnenbild wiederbelebter historischer<br />

Realität holt uns die verdrängte<br />

politische Geschichte Chinas ein und<br />

Fotografien © Mu Chen & Shao Yinong, (O.i.F.)<br />

»MI«-Serie: »Moganshana «<br />

baut sich in der stillen Präsenz des photographischen<br />

Abbildes und in der für<br />

Shao Yinong un Mu Chen charakteristischen<br />

poetischen Feierlichkeit und<br />

monumentalen Anmutung vor uns auf.<br />

bis 28. Oktober <strong>2012</strong><br />

Forum für Fotografie<br />

Schönhauser Straße 8<br />

50968 Köln<br />

Mi – Fr 14 – 18 Uhr<br />

Sa 12 – 18 Uhr<br />

So 12 – 16 Uhr

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