brennpunkt 4-2012 .indd - Edition dibue
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Galeriebericht<br />
die nach dem Menschen, der nicht<br />
vorkommt. Nur seine Spuren.<br />
Ein verrotteter Gartenstuhl, findet Janos<br />
Frecot, ist Spur genug. Er kann von<br />
tiefsinnigen Gesprächen zeugen unter<br />
Freunden. Im verlassenen Garten des<br />
verstorbenen Malers und Architekten<br />
Johannes Niemeyer hat Frecot 1981<br />
mit der Kamera gewildert und die Ausbeute<br />
kürzlich sorgsam auf Baryt vergrößert,<br />
für die schöne Galerie der<br />
Mutter Fourage in Wannsee. Das ist<br />
ein beglückender Ort, Gärtnerei, Bioladen<br />
und Café, zu dem die versponnenen<br />
filigranen Schwarzweißfotos wunderbar<br />
passen. Janos Frecot hat derzeit<br />
bei Kicken eine kleine Ausstellung, bis<br />
15. Dezember. Der Kurator und langjährige<br />
Direktor der Fotosammlung der<br />
Berlinischen Galerie hat selber einen<br />
Garten, in Belzig. Den hat wiederum<br />
Gabriele Kostas in Farbe herrlich abgelichtet,<br />
neben anderen Gärten in ganz<br />
Europa.<br />
Zuvor war die Photographen Lounge<br />
Potsdam in der Fourage zu Gast. Das<br />
war – wie immer – Fotokunst auf allerhöchstem<br />
Niveau. Es wäre nicht fair,<br />
© Katja Gragert, (Original in Farbe)<br />
einzelne der 8 Personen hervorzuheben.<br />
Neu in der exklusiven Runde ist Anita<br />
Reinsch, die wir Ihnen in dieser Ausgabe<br />
mit einem Portfolio vorstellen.<br />
Und neu sind für mich die »Künstlichen<br />
Landschaften« der Potsdamer Fotografin<br />
Katja Gragert, im September im Treffpunkt<br />
Freizeit des Fotoclubs Potsdam.<br />
Sie sagt, die Vielfalt der Brandenburger<br />
Landschaft hätte sie inspiriert. Aber die<br />
Brandenburger würden sich in Gragerts<br />
kargen geometrischen Räumen wohl<br />
kaum wohlfühlen. Dennoch: Es geht<br />
56 <strong>brennpunkt</strong> 4/<strong>2012</strong><br />
eine starke ästhetische Faszination von<br />
den Bildern aus. Die wenigen Bäume<br />
sind windzerzaust, die blassen Farben<br />
verstärken die gespenstische Leere. Es<br />
bleibt viel Raum für die Fantasie des<br />
Betrachters, und das verdanken wir in<br />
diesem Fall dem Computer.<br />
Welch ein Kontrast dazu ist die Arbeit von<br />
Lorenz Kienzle, der mit einer schweren<br />
Plattenkamera durch den märkischen<br />
Sand stapft, auf den Spuren von Theodor<br />
Fontane. Er erkundet die Schauplätze<br />
der Romane, ohne das heutige<br />
Erscheinungsbild zu leugnen. Damit<br />
schlägt er eine Brücke über fast zwei<br />
Jahrhunderte in der Ausstellung »Tatort<br />
Fontane« in Falkensee. Die detailreichen<br />
Großformate in schwarzweiß sind die<br />
reine Freude. Ob wir sie nach dem<br />
Willen des Fotografen als Porträts der<br />
© Lorenz Kienzle, »Wanddetail in einem<br />
Treppenhaus«, Berlin 2011<br />
Romanheldinnen verstehen können, in<br />
Abwesenheit derselben, bleibt fraglich.<br />
Diese Geschichte hinter dem Bild<br />
erschließt sich kaum.<br />
Einer, der historische Fototechnik auf die<br />
Spitze treibt, ist Jens Knigge, noch bis<br />
13. Oktober bei Johanna Breede. Er hat<br />
guten Grund dazu, denn er taucht ein<br />
in die Geschichte bis ins 12. Jahrhundert,<br />
als die Zisterzienser sich in der Provence<br />
ihre Abtei Le Thoronet bauten, bis<br />
heute modern in der Schlichtheit ihrer<br />
klaren geometrischen Formen, fast ohne<br />
allen Zierrat. Dieser romanische Bau hat<br />
1953 Le Corbusier inspiriert, als er sein<br />
Alterswerk plante, das Dominikaner-<br />
© Jens Knigge, »Le Thoronet«<br />
kloster La Tourette bei Lyon. Was liegt<br />
näher für einen passionierten Architekturfotografen<br />
als ein Vergleich der<br />
beiden Bauten?<br />
Und der Einsatz eines historischen Verfahrens?<br />
Jens Knigge hat 1998 bei Altmeister<br />
Wolfgang Moersch die Geheimnisse<br />
des Platin-Palladium-Drucks<br />
erlernt, den auch Paul Outerbridge und<br />
Irving Penn wiederbelebt haben. Dafür<br />
belichtet er mit der Linhof ein 13x18-<br />
Negativ und kopiert es im Kontakt auf<br />
ein zuvor selbst beschichtetes Archespapier,<br />
dessen Geschichte bis auf das Jahr<br />
1492 zurückgeht, als Columbus Amerika<br />
entdeckte. Das sind natürlich Zutaten,<br />
die jeden Sammler in Begeisterung<br />
versetzen. Der Tonwertreichtum und<br />
die fast unbegrenzte Haltbarkeit erhöhen<br />
noch den Reiz. Wie Jens Knigge auf<br />
diesem kostbaren Papier auch Formate<br />
bis ca. 60x90 zaubert, verrät er uns nicht.<br />
Die Zeitschrift Photonews hat ihm im<br />
September eine Doppelseite gewidmet.<br />
Die Nachdrucke können freilich nur<br />
eine Ahnung von der Wirkung des Originals<br />
vermitteln. Es fehlt die besondere<br />
Anmutung der Oberfläche, die Feinheit<br />
von Struktur und Tonung. Das Original<br />
bezieht seinen Wert aus der Geschichte,<br />
so sehr, dass die äußerst ästhetische<br />
Bildgestaltung zweitrangig wird. Es ist<br />
die Geschichte vor dem Bild.<br />
Klaus Rabien