brennpunkt 4-2012 .indd - Edition dibue
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Lutz Matschke<br />
Michele Caliari<br />
»STEINPFAD«<br />
Wo Alpen und Anden aufeinander treffen<br />
– eine Fotoausstellung.<br />
Wo beginnt die intakte Welt der Berge,<br />
jenes Grenzgebiet zwischen Himmel<br />
und Erde, das einst nur Mythen und<br />
Legenden vorbehalten war? Jenseits des<br />
Hochpasses, zwischen den kolossalen<br />
Kesseln? Oder im Wald, am Fuß der trotzigen<br />
Riesen? Die Fotografen Michele<br />
Caliari und Lutz Matschke zeigen Bilder<br />
der Bergwelten, die ihre Jugend prägten,<br />
Welten die sie zurückgelassen haben,<br />
und gerade deswegen so lebendig wirken.<br />
Ein »Steinpfad« verbindet zweier<br />
Blicke und Orte, das unterschiedlicher<br />
nicht sein könnten: Alpen und Anden,<br />
fern und nah.<br />
Der bestimmte Ort da draußen erreicht<br />
man nicht bloß über Hänge und Wege,<br />
man hat den Ort ersucht, man hat die<br />
Strecken und die Beschaffenheit erlernt:<br />
Faltungen, Brüche, Reibungen – und die<br />
Zeichen, die der Mensch hinterlassen<br />
hat. Was er dabei nicht verändern kann<br />
ist die schiere Größe der Bergwelt, der<br />
finstere Umfang des Gipfels über nachts,<br />
das immer wiederkehrende Werden und<br />
Vergehen der Farne im Tal. Den Wanderer<br />
überkommt das Gefühl ein ungebetener<br />
Gast zu sein. Das Eigenleben von<br />
dieser Welt – deren intimes Abbild – ist<br />
was beide Fotografen mit sich nehmen,<br />
hier hat sich zwischen beiden Blicken<br />
einen Pfad geschlagen.<br />
Caliari, der in Trentino-Südtirol, aufwuchs,<br />
erfasst dieses Gefühl über seine<br />
Polaroid-Bilder. Die Technik wird Mittel<br />
einer Entfremdung. Die Kulturlandschaft<br />
»Trentino«, der Berg als unabdingbare<br />
Ressource des Alltags wird durch Normalobjektiv<br />
und weiche Emulsion als<br />
Bild eingerichtet, wird zur Erzählung<br />
»Erinnerung an Erinnerung«. Matschke,<br />
der in der Metropole Buenos Aires aufwuchs,<br />
hält mit seiner Rolleiflex aus<br />
den 1960er Jahren ein Patagonien fest,<br />
das bis heute unberührbar, unverrückbar<br />
erscheint, zumindest in den Bildern,<br />
die es im Kopf des Betrachters erzeugt.<br />
In der Wahl des Mediums und des Stil-<br />
© Lutz Matschke, » Lago Traful«, Patagonien, Januar 1989<br />
mittels der S/W Fotografie kommt auch<br />
die Nostalgie zum Ausdruck, mit der<br />
beide Fotografen ihren Blick auf den<br />
Steinpfad richten.<br />
Bei Caliari richtet sich der Blick zuvorderst<br />
auf den Gipfel, Non-Plus-Ultra der<br />
Alpen und seit jeher das höchste Ziel<br />
des Alpinismus, ein Sport, der in den<br />
Anden erst viel später Einzug hielt. Wie<br />
in Caliaris Kindheit und Jugend sind die<br />
weitläufigen Alpenlandschaften auch<br />
in seinen Bildern nur selten von Menschen<br />
bevölkert. Umso deutlicher treten<br />
die Zeichen menschlicher Präsenz<br />
hervor: ein Wegweiser, eine Berghütte,<br />
eine Straße. »Der Berg ruft nicht, er ist<br />
scharf und windig, erhaben, unheimlich<br />
präsent: sublim«, schreibt Caliari über<br />
seine Bergfahrt.<br />
Matschke hingegen hebt vor allem die<br />
Details hervor, die die Natur der Hochtäler<br />
nur demjenigen offenbart, der im<br />
Aufstieg innehält und schauend verweilt.<br />
Seine Bilder der rauhen Natur der Anden<br />
tragen das Stigma der Ursprünglichkeit<br />
in sich, sie transportieren die »chaotische<br />
Unruhe der Pflanzenwelt, die die<br />
bis 7. November <strong>2012</strong><br />
Photoplatz<br />
im Hotel Bogota<br />
Schlüterstraße 45<br />
10707 Berlin-Charlottenburg<br />
www.bogota.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 4/<strong>2012</strong><br />
Galerien<br />
© Michele Caliari, » Bergfahrt«, Pola, 2006<br />
Dinge unwirklich erscheinen läßt«, und<br />
rufen im Betrachter das Gefühl hervor,<br />
wie bei Charles Darwins Patagonischer<br />
Aufenthalt, neue Arten zu entdecken,<br />
fremde Lebenswelten zu betreten.<br />
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