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Galerien<br />

Gino Puddu<br />

»Poesie der Großstadt«<br />

Der italienische Fotograf Gino Puddu lebt<br />

und arbeitet seit 30 Jahren in Berlin.<br />

Ab dem 12. Oktober werden seine<br />

schönsten Hauptstadt-Fotografien in der<br />

Galerie UNTERWEGS ausgestellt. Unter<br />

dem Titel: »Poesie der Großstadt«.<br />

Italien galt den Deutschen jahrhundertelang<br />

als Land der Sehnsucht, wo<br />

»im dunklen Laub die Gold-Orangen<br />

glühn«. In den 1980er Jahren trieb es<br />

einen Italiener in die entgegengesetzte<br />

Richtung, nach Berlin. Vielleicht, so<br />

Gino Puddu, hatte das mit seiner schon<br />

in Norditalien gepflegten seltsamen<br />

Vorliebe für Würstchen mit Sauerkraut<br />

zu tun. Dazu Weißwein.<br />

Geboren auf Sardinien, lebte er in der<br />

Nähe von Mailand. Zwei Regionen, die<br />

unterschiedlicher kaum sein könnten.<br />

Doch »Heimat« war für Puddu damals<br />

schon keine Frage der Geografie, sondern<br />

etwas Mentales. Ließ er sich deshalb<br />

vielleicht mitreißen von diesem<br />

tiefemotionalen Überschwang beim<br />

Fall der Mauer? Von der Euphorie der<br />

Vereinigung? Vom »Wir sind ein Volk«?<br />

Seltsamerweise überhaupt nicht! Im<br />

Gegenteil, das Berlin der 80er Jahre<br />

erschien ihm als nicht zeitgemäß -<br />

Kohleöfen, marode Häuser, der alte<br />

Durchsteckschlüssel zum Öffnen der<br />

Haustür.<br />

Und dennoch, das Verheißungsvolle,<br />

das Goethe in Italien suchte – Puddu<br />

fand es in der halbierten Metropole:<br />

Brachen inmitten der Stadt, breite<br />

Straßen und Alleen mit so viel Platz, dass<br />

man sogar den Sonnenuntergang sehen<br />

konnte. DAS war für ihn als Fotograf eine<br />

Perspektive!<br />

Eine poetische Perspektive, wie die<br />

Ausstellung seiner Arbeiten in der<br />

Galerie UNTERWEGS beweist. Puddus<br />

Blick zeigt - meist menschenleere -<br />

Außenansichten Berlins. Und, zum<br />

Vergleich, Landschaftsaufnahmen aus<br />

Italien.<br />

Die Ausstellung empfängt die Besucher<br />

mit ungewohnten Ansichten vertrauter<br />

Orte: Reichstag, das Rote Rathaus, die<br />

Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche, die U-<br />

Bahnen. Aber auch weniger bekannte<br />

Orte wie der Bautzener Platz werden<br />

44 <strong>brennpunkt</strong> 4/<strong>2012</strong><br />

© Gino Puddu<br />

gezeigt, dazu eine magisch-subjektive<br />

Farbserie mit biographischem Charakter.<br />

Es fällt auf, dass die Architektur oft von<br />

Bäumen verdeckt wird. Wären die<br />

Aufnahmen im Sommer entstanden,<br />

würden die Blätter selbst den letzten<br />

Rest der Gebäude verschwinden lassen.<br />

Da die Aufnahmen dieser ersten<br />

Ausstellungsserie jeweils im Frühling<br />

der Jahre 1998 bis 2002 entstanden,<br />

bleibt immer diese reizvolle mysteriöse<br />

Ahnung von dem, was sich hinter den<br />

Dingen befindet.<br />

Das Geheimnisvolle zeigt sich ebenso<br />

deutlich in der zweiten Serie vom<br />

Bautzener-Platz (1997-99). Dunkle<br />

Baumstämme, im Zwielicht oder bei<br />

Nacht aufgenommen, glänzende Wasser-<br />

und raue Erdoberflächen, durch den<br />

Schwarz-Weiß-Kontrast geheimnisvoll<br />

und beinahe unheimlich aufgeladen.<br />

Beide Serien spiegeln die Außenwelt. Sie<br />

wirken eher distanziert, was sich vor allem<br />

im Vergleich mit der dritten Bildgruppe<br />

zeigt: Farbige Landschaftsaufnahmen<br />

aus Italien, in denen die Natur vom<br />

Menschen dominiert, umzäunt und zubetoniert<br />

wurde. Nichts ist mehr so, wie<br />

es einmal war, außer vielleicht die alte<br />

Maschine auf dem Feld und das kleine<br />

Boot am Ufer. Diese Bilder wirken<br />

wie eine malerische Visualisierung der<br />

Innenwelt Puddus - seiner Nostalgia.<br />

Die Serie heißt »Lina Mello«, ein<br />

Anagramm des Ortes Lomellina. So<br />

fern die Atmosphäre von Lina Mello den<br />

© Gino Puddu<br />

Berlin-Blicken auch scheint, für Puddu<br />

ist dieser Ort »so flach wie in Berlin«.<br />

Hier schließt sich also der Kreis. Und es<br />

beweist sich: Die Poesie Berlins verträgt<br />

sogar Würstchen mit Sauerkraut. Dazu<br />

Weißwein.<br />

Kurzbiografie Gino Puddu:<br />

1957 geboren in Tula, Sardinien, aufgewachsen<br />

in Vigevano, Nähe Mailand,<br />

seit 1982 in Berlin, Mitarbeit bei Frank<br />

Wolffram in der Galerie Fotodesign.<br />

1987 Ausstellung in der Galerie<br />

Fotodesign, seit 1990 u.a. Kurator im Café<br />

Aroma Photogalerie 1993 Teilnahme<br />

an der 5. Biennale der Fotografie, Turin<br />

1994 Beginn der Porträtserie über<br />

Italiener in Berlin mit einer Hasselblad;<br />

in den folgenden Jahren zahlreiche<br />

Ausstellungen, Ausstellungsteilnahmen<br />

und Buchpräsentationen in Deutschland<br />

und Italien Veröffentlichungen<br />

1996 Autoritratto und andere berliner<br />

Geschichten, Periplo Edizioni/exposeverlag,<br />

Lecco/Berlin.<br />

2001 Sulle tracce dell‘orso, exposeverlag,<br />

Berlin; Un‘idea di Sardegna, Soter<br />

Editrice, Sassari; Album fotografico<br />

1997/2001, Italienisches Kulturinstitut,<br />

Berlin.<br />

2007 Autoritratto in vielen Gesichtern<br />

vor gleichem Hintergrund, Soter Editrice,<br />

Villanova Monteleone.<br />

2010 Ausstellungskatalog: Anna, Renzo<br />

und all die anderen. Italiener in Berlin<br />

heute, Italienisches Kulturinstitut,<br />

Berlin.<br />

12. Oktober bis 15. November <strong>2012</strong><br />

Unterwegs - Antiquariat & Galerie<br />

Torstraße 93<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 15 – 19 Uhr<br />

Sa 12 – 15 Uhr

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