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Joel Sternfeld<br />

»Retrospektive«<br />

Eine epische Reise quer durch die USA<br />

jenseits eingetreter Tourismuspfade und<br />

bekannter Sehenswürdigkeiten. Die<br />

Landschaften, Straßenzüge, Grünanalagen<br />

und Häuser mitsamt ihren Bewohnern<br />

erscheinen unspektakulär, harmlos<br />

und alltäglich. Diese Motive haben es<br />

jedoch in sich! Unter der fotografischen<br />

Oberfläche verbergen sich gescheiterte<br />

Utopien, vergessene Schicksale und blutige<br />

Tatorte. Diese deckt Joel Sternfeld<br />

nüchtern und präzise auf und rückt so<br />

die menschliche Begrenzung der Wahrnehmung,<br />

die Leichtigkeit des Vergessens<br />

sowie die tägliche Gewalt in den<br />

Fokus. Gerade im stillen Verzicht auf<br />

jegliche Sensationsgier liegt die explosive<br />

Sprengkraft seiner Bilder und offenbart<br />

einen skeptischen, zuweilen dennoch<br />

liebevollen Blick auf eine erschütterte<br />

Nation Ende des 20. Jahrhunderts.<br />

Seinen als abgeschlossen konzipierten<br />

Werkgruppen gehen intensive Recherchen<br />

voran und werden oft von deskriptiven<br />

Texten begleitet. Erst durch diese<br />

kann der Betrachter etwa den Balkon,<br />

auf dem Martin Luther King erschossen<br />

wurde, die Farm einer radikal religösen<br />

Sekte oder den Schauplatz einer<br />

Vergewaltigung mitten im Central Park<br />

in den richtigen Kontext setzen. Hierdurch<br />

erhalten Joel Sternfelds tiefgehende<br />

Erkundungen der USA ihre<br />

eigentliche Brisanz. Gleichzeitig rückt<br />

dadurch das Problem der Objektivität<br />

und die Interpretierbarkeit von Fotografie<br />

und Bildern allgemein in den Vordergrund.<br />

»Die Erfahrung hat mich immer<br />

wieder von neuem gelehrt, dass man<br />

nie wissen kann, was sich unter einer<br />

Oberfläche oder hinter einer Fassade<br />

verbirgt. Bei der Einschätzung eines<br />

Ortes, dem Betrachten von Fotografien<br />

einer Landschaft ist unser Verständnis<br />

zwangsläufig Fehldeutungen unterworfen.«,<br />

so Joel Sternfeld. Seine Bilder sind<br />

nicht nur ernsthaft, illustrativ und kritisch,<br />

sondern vor allem auch ironisch<br />

und humorvoll - jedoch auf eine Freudsche,<br />

nervöse Art, die eine innere, unangenehme<br />

Wahrheit beinhaltet.<br />

© Joel Sternfeld, »McLean« (O.i.F.)<br />

Mit seinen Fotografien von Menschen<br />

innerhalb ihres Lebensumfeldes bezieht<br />

sich Joel Sternfeld einerseits auf die soziologischen<br />

Studien von August Sander<br />

und andererseits auf die fotografische<br />

Vermessung der USA von Walker Evans<br />

und Robert Frank. Gleichzeitig sind bei<br />

ihm eine eindeutige Zuordnung und<br />

eine einfache Typologisierung der Porträtierten<br />

nicht mehr möglich.Denn in<br />

seinen Werken erscheinen Punks als<br />

bieder, Feuerwehrmänner als fahrlässig<br />

und Anwälte als nicht vertrauenerweckend<br />

- sogar die idyllische Landschaft<br />

wirkt brüchig.<br />

C/O Berlin präsentiert in Kooperation<br />

mit dem Folkwang Museum, Essen, erstmals<br />

in Deutschland eine große Retrospektive<br />

von Joel Sternfeld, die seine<br />

Serien »American Prospects«, «Sweeth<br />

Earth«, »Stranger Passing« und »On this<br />

Site« umfasst.<br />

Joel Sternfeld, 1944 in New York geboren,<br />

studierte am Dartmouth College<br />

und zählt neben William Eggleston und<br />

Stephen Shore zu den Fotografen, die<br />

Ende der 1970er die Farbe für die Kunstfotografie<br />

wiederentdeckten und damit<br />

den Begriff »New Color« prägten. Seine<br />

Arbeiten wurden unter anderem im Art<br />

Institute of Chicago, dem San Francisco<br />

Museum of Modern Art, dem Museum<br />

of Modern Art, New York, der Tate<br />

© Joel Sternfeld, »Washinton DC«, 1974<br />

<strong>brennpunkt</strong> 4/<strong>2012</strong><br />

Galerien<br />

Modern, London, dem S.M.A.K., Gent,<br />

und dem Fotomuseum Winterthur ausgestellt.<br />

1978 und 1982 erhielt er für die<br />

Realisierung seiner Werkgruppe »American<br />

Prospects« zwei Guggenheim-Stipendien,<br />

1990/91 den Prix-de-Rome.<br />

Joel Sternfeld war Gewinner des international<br />

anerkannten Deutsche Börse<br />

Photography Prize 2004.<br />

3. November <strong>2012</strong> bis 13. Januar 2013<br />

C/O Berlin<br />

International Forum For Visual<br />

Dialogues<br />

Oranienburger Straße 35/36<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 11 – 20 Uhr<br />

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