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nights to meet you jonathan meese colorblind +plus - proud magazine

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streets<br />

they got the right - we got the night.<br />

Jede Nacht riskieren Sprayer in den Straßen dieser Stadt viel mehr als du denkst.<br />

erklärt, warum.<br />

§ 303 Sachbeschädigung<br />

(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache<br />

beschädigt oder zerstört, wird mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder<br />

mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt<br />

das Erscheinungsbild einer fremden<br />

Sache nicht nur unerheblich und nicht<br />

nur vorübergehend verändert.<br />

(3) Der Versuch ist strafbla bla bla…<br />

Sachbeschädigung. Dieser kleine<br />

Fetzen Beamtendeutsch blitzt immer<br />

wieder auf, wenn Nacht für Nacht<br />

Künstler dieser Stadt ihre Taschen<br />

packen. Er ist der Grund, warum<br />

man an den Boden der Dosen kleine<br />

Magnete klebt. Sie halten die Kugel<br />

in der Kanne fest und unterdrücken<br />

das verräterische „Klack-Klack-Klack“<br />

Geräusch, das in einer menschenleeren<br />

Straße die Lautstärke eines englischen<br />

Hooligans zu haben scheint. Was lässt<br />

man sich nicht alles für einen Quatsch<br />

einfallen, um ja nicht gefickt zu werden.<br />

Man zieht sich orange Warnwesten an<br />

und kleistert wie selbstverständlich<br />

die Wand zu. Man schneidet den<br />

Boden aus Pizza-Kar<strong>to</strong>ns und klebt<br />

stattdessen eine Schablone rein, um<br />

irgendwo zwischen James Bond und<br />

Mr. Bean ganz beiläufig eine Mauer zu<br />

besprühen. Immer wieder geht man<br />

mögliche Fluchtwege im Kopf durch,<br />

um dann trotzdem beim kleinsten<br />

Geräusch zusammenzuzucken. Warum?<br />

14 streets<br />

Um ja nicht erwischt zu werden.<br />

Denn das Problem mit dem Erwischt<br />

werden beschränkt sich nicht<br />

auf ein mögliches Verfahren, auf<br />

Reinigungskosten, Sozialstunden oder<br />

Hausdurchsuchungen, obwohl das<br />

nicht unterschätzt werden darf. Einen<br />

besprühten Waggon wieder „sauber“ zu<br />

kriegen kostet einige zehntausend Euro<br />

und da die Ansprüche nicht verfallen,<br />

haben sich auf diese Weise schon<br />

einige Kids bis in’s Rentenalter ruiniert.<br />

Für die meisten Künstler wiegt ein<br />

anderer Punkt viel schwerer: Der<br />

Verlust der eigenen Identität. Einer<br />

der faszinierendsten Aspekte am<br />

Sprayen ist die paradoxe Verbindung<br />

von Bekanntheit und Unbekanntheit.<br />

Ein Tag kann stadtbekannt sein und<br />

die Person dahinter trotzdem anonym<br />

bleiben. Man schiebt eine neue<br />

Identität vor die eigene Persönlichkeit,<br />

eine Identität die nur auf Mauern<br />

lebt, und umgeht damit elegant die<br />

stetige Forderung der Gesellschaft<br />

zur Selbstdarstellung. Die Künstler<br />

verbringen viel Zeit damit, ihr Tag<br />

(weiter-) zu entwickeln und machen<br />

sich buchstäblich Stück für Stück<br />

einen Namen in der Stadt. Doch in der<br />

Sekunde, in der das grelle Licht einer<br />

Polizeitaschenlampe vom frischen<br />

Piece an der Wand auf den eigenen<br />

Personalausweis wandert, verschwindet<br />

die Grenze zwischen den beiden<br />

Identitäten, und die Künstler müssen<br />

ihren Namen beerdigen. Berlin hat<br />

die bundesweit größte SOKO Graffiti,<br />

und diese Sonderkommission hat das

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