05/2017 Berufswahl-Spezial
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Mai <strong>2017</strong><br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
Was will ich<br />
werden?<br />
Alles Wissenswerte zur<br />
Stellensuche – auf 68 Seiten!<br />
Die Roboter kommen<br />
Welche Berufe<br />
verschwinden werden<br />
Cool bleiben!<br />
Wie Eltern ihre Kinder am<br />
besten unterstützen<br />
Welcher Job passt zu mir?<br />
Wie Jugendliche den<br />
richtigen Beruf finden
crbasel<br />
LERNE DRUCKTECHNOLOGIN,<br />
WERDE KUNSTTHERAPEUTIN.<br />
PROFIS KOMMEN WEITER.<br />
Eine Initiative von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt.<br />
2 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>-<strong>Spezial</strong>
Sonderbeilage Mai <strong>2017</strong><br />
Sonderbeilage Mai <strong>2017</strong><br />
Sonderbeilage Mai <strong>2017</strong><br />
Bild: Vera Hartmann / 13 Photo<br />
Nik Niethammer<br />
Chefredaktor<br />
«Der Beruf sollte zum<br />
Kind passen und<br />
nicht den Ehrgeiz<br />
der Eltern befriedigen.»<br />
Bildungsforscher Markus Neuenschwander<br />
Macht, was euch am<br />
meisten Spass macht!<br />
Zum dritten Mal nach 2015 und 2016 möchten wir Sie, liebe<br />
Eltern, liebe Jugendliche, mit diesem Sonderheft fit machen<br />
für die <strong>Berufswahl</strong>. Mein Kollege Stefan Michel hat erneut<br />
zahlreiche Fakten und Informationen zusammengetragen,<br />
eingeordnet und gut verständlich aufbereitet. Wir gehen in<br />
diesem Heft der Frage nach, welche Berufe aufgrund der<br />
digitalen Revolution überflüssig werden, fragen, welcher Job<br />
zu welcher Person passt, und zeigen auf, dass gerade weniger<br />
beliebte Berufe die besten Perspektiven bieten.<br />
Liebe Schulabgänger und Lehrstellensuchende, lasst euch<br />
Zeit mit eurer Entscheidung. Wählt den Weg, der euch am<br />
meisten Spass macht. Und beherzigt den Rat des Informatikwissenschaftlers<br />
Oliver Bendel: «Be obachtet die<br />
Welt und fragt: Was könnte ich noch tun? Wofür<br />
gibt es eine Nachfrage?»<br />
Ihnen, liebe Eltern, wünsche ich vor allem eins:<br />
Geduld und Gelassenheit mit ihren Sprösslingen.<br />
Die packen das schon!<br />
Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />
Sie hätten es fast aufs<br />
Cover geschafft:<br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
Was will ich<br />
werden?<br />
Alles Wissenswerte zur<br />
<strong>Berufswahl</strong> – auf 68 Seiten!<br />
Geigenbauerin<br />
Corina Baumann<br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
Was will ich<br />
werden?<br />
Alles Wissenswerte zur<br />
<strong>Berufswahl</strong> – auf 68 Seiten!<br />
Automatiker<br />
Sandro Allenbach<br />
Bild: Privat<br />
Die Autoren:<br />
Stefan Michel<br />
staunt immer wieder über<br />
15-Jährige, die wissen, welchen<br />
Beruf sie ausüben wollen.<br />
Selber hat der 44-Jährige viel<br />
länger gebraucht, um über ein<br />
Studium der Geschichte und<br />
Politikwissenschaft zum<br />
Journalismus zu finden. Heute<br />
arbeitet er freiberuflich und oft ausserhalb seines<br />
Büros. Damit bewegt er sich in der Arbeitswelt der<br />
Zukunft. Als Printjournalist verdient er sein Geld<br />
hingegen in einem Bereich, der seit Jahren als dem<br />
Untergang geweiht gilt.<br />
Bild: R. Adhietty/ 13Photo<br />
Roshan Adhihetty<br />
hat sich auf Porträts und<br />
Reportagen spezialisiert.<br />
Der Solothurner Fotograf<br />
hat nach 2016 zum zweiten<br />
Mal das <strong>Berufswahl</strong>-Heft<br />
fotografiert. Bekannt wurde<br />
der 26-Jährige mit seiner<br />
Arbeit «Nacktwanderer».<br />
Zwischen 2014 und 2016 begleitete er Nudisten<br />
in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Die<br />
Bilder wurden mehrfach ausgezeichnet und in<br />
verschiedenen Ausstel lungen gezeigt.<br />
Was will ich<br />
werden?<br />
Alles Wissenswerte zur<br />
<strong>Berufswahl</strong> – auf 68 Seiten!<br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
Koch-Lernender<br />
Lukas Heller<br />
Hier findest du deine Lehrstelle:<br />
www.yousty.ch<br />
Alle Lehrstellen täglich aktualisiert<br />
Schnupperlehrstellen aus allen Branchen<br />
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Welche Berufe<br />
verschwinden werden<br />
Wie Eltern ihre Kinder am<br />
besten unterstützen<br />
Wie Jugendliche den<br />
richtigen Beruf finden<br />
Mai <strong>2017</strong><br />
Inhalt<br />
<strong>Berufswahl</strong> / Mai <strong>2017</strong><br />
16 38 46<br />
Sandro Allenbach, 18, aus Steinhausen<br />
arbeitet im 3. Lehrjahr als Automatiker.<br />
Lou Diethelm will Grafiker werden. Die<br />
vielen Mitbewerber schrecken ihn nicht ab.<br />
Fetije Elshani: «Die Pflege ist nur etwas für<br />
starke, kluge und mitfühlende Menschen.»<br />
03 Editorial<br />
06 Ein Beruf – früher und heute<br />
08 Berufe mit Zukunft<br />
18 So werden wir arbeiten<br />
Viele Tätigkeiten werden bald von<br />
Robotern ausgeführt, sagt der<br />
Wissenschaftler Oliver Bendel.<br />
20 Angebot und (keine) Nachfrage<br />
Jedes Jahr bleiben Tausende<br />
Lehrstellen unbesetzt.<br />
26 Seltene Berufe<br />
Wer Küfer, Pelznäherin oder<br />
Orgelbauer lernt, wird nicht viele<br />
Kollegen haben.<br />
36 Lehre, Gymi oder was?<br />
Die Angst vor einer beruflichen<br />
Einbahnstrasse ist unbegründet.<br />
Solange man sich weiterbildet,<br />
stehen (fast) alle Wege offen.<br />
42 Lehrstellenplattform zum<br />
Online-Schnuppern<br />
44 Betreuungsberufe<br />
In der Pflege zeichnet sich ein<br />
Mangel an Fachkräften ab.<br />
50 Besondere Bedürfnisse<br />
Welche Unterstützung erfahren<br />
lernschwache Schüler bei der<br />
<strong>Berufswahl</strong>?<br />
52 Abbruch und Neustart<br />
60 Kann ich, was ich will?<br />
Ob man ein Berufsprofil erfüllt,<br />
entscheiden nicht nur die Noten.<br />
62 Service<br />
Adressen, Tipps und Tricks.<br />
64 Impressum<br />
66 «Rock Your Life!»<br />
Studierende unterstützen<br />
Jugendliche bei der <strong>Berufswahl</strong>.<br />
30 Eltern, haltet euch zurück!<br />
Mütter und Väter sollten bei der<br />
<strong>Berufswahl</strong> ihrer Kinder den<br />
eigenen Ehrgeiz hintanstellen, sagt<br />
Markus Neuenschwander.<br />
32 Das war noch nicht alles ...<br />
Manche Berufe lassen sich nicht<br />
direkt nach der Schule erlernen.<br />
54 Ich mache Karriere<br />
Ohne Studium in die Chefetage.<br />
56 Harziger Start ins Berufsleben<br />
Was tun, wenn es mit der<br />
Lehrstelle einfach nicht<br />
klappen will?<br />
Die Roboter kommen<br />
Cool bleiben!<br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
Was will ich<br />
werden?<br />
Alles Wissenswerte zur<br />
Stellensuche – auf 68 Seiten!<br />
Welcher Job passt zu mir?<br />
Cover<br />
Desirée Schweizer,<br />
23, arbeitet im<br />
4. Lehrjahr als<br />
Automobil-<br />
Mechatronikerin.<br />
Bild: Roshan Adhihetty<br />
4 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Berufsporträt<br />
Die Zukunft lernen –<br />
mit einer Ausbildung bei Roche<br />
60 Jahre<br />
Berufsbildung<br />
Eine Lehre bei Roche, in einem der weltweit<br />
führenden Unternehmen im forschungsorientierten<br />
Gesundheitswesen, legt den Grundstein<br />
für einen vielversprechenden Berufsweg.<br />
Denn die Berufsbildung Roche bietet erstklassige<br />
Ausbildungsgänge in 14 verschiedenen<br />
zukunftsorientierten Berufen an. Bei Roche<br />
entwickeln sich rund 300 Lernende zu Fachleuten,<br />
die jetzt und in Zukunft gefragt sind. Wer<br />
bei Roche lernt, kann seit 60 Jahren auf eine<br />
erstklassige Ausbildung zählen. Seit sechs<br />
Jahrzehnten ist eine Lehre bei Roche für viele<br />
jungen Menschen somit ein idealer Startpunkt<br />
in das Berufsleben mit vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
hineinwachsen. So werden sie im Laufe der Ausbildung<br />
zu Experten auf dem jeweils gewünschten<br />
Gebiet.<br />
Das Schullabor EXPERIO Roche – begeistert,<br />
weckt und fördert Interessen<br />
Roche bietet mit dem Schullabor Schülerinnen und<br />
Schülern ab der 4. Primarschulklasse bis hin<br />
zum Gymnasium Workshops in den MINT-Bereichen<br />
Naturwissenschaft, Technik und Informatik an.<br />
Roche setzt somit Massstäbe beim Generieren von<br />
wichtigen Schlüsselerlebnissen und damit bei<br />
der Förderung der MINT-Berufe. Das Schullabor<br />
EXPERIO Roche ist sowohl in der Qualität der Ausstattung<br />
wie auch in der fachlichen und pädagogischen<br />
Betreuung einzigartig in der Schweiz.<br />
Modernste Infrastruktur im Roche Ausbildungszentrum<br />
in Kaiseraugst<br />
Im Ausbildungszentrum in Kaiseraugst befindet sich<br />
eine moderne Labor- und Werkstattinfrastruktur,<br />
die optimal auf die Bedürfnisse der Lernenden und<br />
der Fachbereiche bei Roche zugeschnitten ist.<br />
Die Jugendlichen können unter besten Bedingungen<br />
komplexe Aufgabenstellungen selbstständig lösen,<br />
wichtige Erfahrungen sammeln und in den Beruf<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Weitere Infos<br />
Informationen zur Berufslehre bei Roche und<br />
zum Schullabor EXPERIO Roche inklusive<br />
aller Kontaktdaten finden Sie im Internet unter:<br />
www.berufslehre.roche.ch<br />
und unter www.experio-roche.ch<br />
Mai <strong>2017</strong>5
F R Ü H E R<br />
Bild: akg images/Keystone<br />
1895<br />
Ein Meister mit zwei Gesellen und einem Lehrling in einer Berliner Backstube.<br />
6 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
H E U T E<br />
Bild: Gaetan Bally/Keystone<br />
2014<br />
Produktion von Vorspeise-Snacks aus Blätterteig bei der Roland Murten AG.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>7
Wann übernehmen<br />
die Roboter?<br />
Die Frage, welchen Beruf sie ein Leben lang ausüben wollen, stellt sich den<br />
heutigen Schulabgängern nicht mehr. Eher müssen sie sich fragen, welche<br />
Berufe in zwanzig Jahren noch existieren. Und welche neuen Chancen<br />
sich auftun. Text: Stefan Michel Bilder: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
8 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>9
Selbstfahrende Autos,<br />
Roboter, die Kranke<br />
pflegen, Drohnen, die<br />
Pakete ausliefern – der<br />
technische Fortschritt<br />
wartet zurzeit mit spektakulären<br />
neuen Maschinen auf. Sie werden<br />
uns das Leben erleichtern, und sie<br />
werden einen immer grösseren<br />
Teil der Arbeit übernehmen, mit<br />
dem bisher Menschen ihr Geld<br />
verdient haben. Die viel zitierte<br />
Studie der beiden Oxford-Wissenschaftler<br />
Carl Frey und Michael<br />
Osborne prognostiziert, dass bis<br />
in zwanzig Jahren 47 Prozent der<br />
Berufe der Digitalisierung zum<br />
Opfer fallen. Das Erstaunlichste<br />
an der 702 Tätigkeiten umfassenden<br />
Liste: In den obersten dreissig<br />
Rängen dominieren Bürojobs:<br />
Einkäufer, Telefonverkäufer, Versicherungssachbearbeiter.<br />
In Fabriken haben Roboter<br />
eine lange Entwicklung hinter sich<br />
und werden immer genauer und<br />
geschickter. Im Gesundheitswesen<br />
sind es eher Prototypen, die zum<br />
Beispiel schweren Patienten >>><br />
Viele der heutigen<br />
Bürojobs wird es in<br />
zwanzig Jahren<br />
nicht mehr geben.<br />
Nach diesen Lehrstellen suchen<br />
die Jugendlichen am häufigsten<br />
1. Kaufmann/-frau EFZ Profil E, Profil B<br />
2. Detailhandelsfachmann/-frau EFZ<br />
3. Informatiker/-in EFZ<br />
4. Fachmann/-frau Gesundheit EFZ<br />
5. Medizinische/-r Praxisassistent/in EFZ<br />
6. Logistiker/-in EFZ<br />
7. Fachmann/-frau Betreuung EFZ<br />
8. Dentalassistent/-in EFZ<br />
9. Büroassistent/-in EBA<br />
10. Zeichner/-in EFZ<br />
Suche nach offenen Lehrstellen auf yousty.ch vom<br />
Lehrbeginn 2015 bis zum Lehrbeginn 2016 (August).<br />
Total der Abfragen: 560 <strong>05</strong>8.<br />
Ich erzähle<br />
«Manchmal<br />
schauen mich die<br />
Leute komisch an»<br />
Desirée Schweizer, 23, aus<br />
Bonaduz GR, arbeitet im<br />
4. Lehrjahr als Automobil-<br />
Mechatronikerin. Sie will einmal<br />
alles können, was mit Autos zu<br />
tun hat.<br />
«Am liebsten mag ich ja alte Autos.<br />
Mein Traum, einmal einen 67er<br />
Chevrolet Impala zu restaurieren,<br />
brachte mich dazu, die Lehre als<br />
Automobil-Mechatronikerin zu<br />
machen. Ich habe mich auch für<br />
Informatik und Hochbauzeichnerin<br />
interessiert. Schliesslich überwog<br />
aber das Interesse an Autos.<br />
Perfekt für mich ist, dass wir in<br />
meinem Lehrbetrieb nicht nur<br />
neue Autos warten und reparieren,<br />
sondern auch Oldtimer restaurieren.<br />
Diese Arbeit mag ich am<br />
liebsten. Aber ich will alles können,<br />
was man an einem Auto machen<br />
kann, und da gehört die Elektronik<br />
einfach dazu. Zum Beispiel erstelle<br />
ich mit den verschiedenen Testgeräten<br />
die Diagnose und behebe<br />
dann das Problem. Als junge Frau<br />
musste ich mich in der Garage<br />
natürlich besonders beweisen, und<br />
noch heute schauen mich einige<br />
komisch an, besonders, wenn ich<br />
mal eben an einem Auto eine de -<br />
fekte Glühlampe auswechsle. Nach<br />
der Lehre möchte ich die Weiterbildung<br />
zur Fahrzeug-Restauratorin<br />
machen – und mir irgendwann<br />
meinen Chevy Impala kaufen und<br />
restaurieren.»<br />
10
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>11
12 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Ich erzähle<br />
«Das ist genau<br />
mein Ding»<br />
Jeremy Grlj, 20, aus Biel BE,<br />
arbeitet im 2. Lehrjahr als<br />
Interactive Media Designer.<br />
Später möchte er ein Studium<br />
als Interaction Designer<br />
beginnen.<br />
«Weil ich keine Lehrstelle als Informatiker<br />
oder Mediamatiker fand,<br />
machte ich eine KV-Lehre bei<br />
Viscom, dem Arbeitgeberverband<br />
der grafischen Industrie. Während<br />
meiner Lehrzeit wurde dort das<br />
Berufsbild des Interactive Media<br />
Designer entwickelt. Das war genau<br />
mein Ding, denn Websites und<br />
andere kreative Arbeiten am Computer<br />
interessieren mich schon<br />
lange. Gleich nach dem KV-Lehrabschluss<br />
suchte ich eine neue Lehrstelle<br />
und erhielt nach einigen<br />
Absagen einen Vertrag bei meinem<br />
jetzigen Lehrbetrieb. Dass ich privat<br />
schon Websites gestaltet hatte,<br />
half mir sicher. Das ist nun auch<br />
meine Hauptbeschäftigung: We b-<br />
inhalte erstellen. Mal ist es ein Teil<br />
eines E-Shops, mal ein animiertes<br />
Werbebanner. Momentan gestalte<br />
ich Powerpoint-Vorlagen für einen<br />
Kunden. Wir lernen aber nicht primär<br />
zu programmieren, sondern<br />
wie Webinhalte gestaltet werden<br />
müssen, damit sie sich gut nutzen<br />
lassen und dem User ein positives<br />
Erlebnis ermöglichen. Nach der<br />
Lehre möchte ich mich in der Programmierung<br />
weiterbilden und<br />
vielleicht ein Studium als Interaction<br />
Designer machen.»<br />
Die am häufigsten gewählten Berufslehren<br />
Beruf Total Männer Frauen<br />
1. Kaufmann/-frau EFZ B + E 14 250 5 977 8 273<br />
2. Detailhandelsfachmann/-frau EFZ 5 077 2 049 3 028<br />
3. Fachmann/-frau Gesundheit EFZ 4 147 534 3 613<br />
4. Fachmann/-frau Betreuung EFZ 3 170 584 2 586<br />
5. Elektroinstallateur/-in EFZ 2 159 2 113 46<br />
6. Informatiker/-in EFZ 1 976 1 831 145<br />
7. Koch/Köchin EFZ 1 750 1 111 639<br />
8. Zeichner/-in EFZ 1 630 1 115 515<br />
9. Logistiker/-in EFZ 1 618 1 446 172<br />
10. Polymechaniker/-in EFZ 1 568 1 511 57<br />
Neu abgeschlossene Lehrverträge 2015.<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, aufbereitet durch Schweizerisches<br />
Dienstleistungszentrum Berufsbildung<br />
Mensch und Maschine als<br />
Tandem: Wir helfen ihnen,<br />
immer mehr von unserer<br />
Arbeit zu machen.<br />
>>> aufhelfen. «An vielen Orten<br />
werden Roboter im Tandem mit<br />
Menschen arbeiten», sagt Oliver<br />
Bendel. Der Professor sieht sich<br />
regelmässig die neusten Roboter<br />
an und entwickelt zusammen mit<br />
seinen Studierenden autonome,<br />
digital gesteuerte Maschinen.<br />
Bereits im Einsatz sind laut<br />
dem deutschen Experten Transport-<br />
und Lieferroboter als Testgeräte<br />
sowie Sicherheits- und<br />
Überwachungsroboter in Einkaufszentren<br />
und auf Betriebsgeländen.<br />
Die selbständig arbeitenden<br />
Maschinen sind das Gesicht<br />
der vierten industriellen Revolution,<br />
wie die jüngste Phase der<br />
Digitalisierung genannt wird.<br />
Im Büro sind es nicht Roboter,<br />
sondern autonome Computerprogramme,<br />
die Geschäftsberichte<br />
schreiben, Lohnbuch ha ltung<br />
führen, Bestellungen entgegennehmen<br />
und vieles mehr. An personalisierte<br />
Werbung im Internet<br />
haben wir uns längst gewöhnt.<br />
Software beobachtet unser Verhalten<br />
und zeichnet daraus ein immer<br />
genaueres Profil unserer Bedürfnisse<br />
und Vorlieben. In ähnlicher<br />
Weise lernen Programme, Arbeiten<br />
wie die oben genannten auszuführen.<br />
Menschliches Feedback<br />
hilft ihnen dabei, immer mehr zu<br />
verstehen und immer weniger<br />
Fehler zu machen.<br />
Übernehmen also bald die<br />
Maschinen? Was bleibt für uns<br />
Menschen? In der Vergangenheit<br />
entstanden stets mehr neue<br />
Arbeitsstellen, als alte ver- >>><br />
13
Viele Berufe werden nicht<br />
einfach verschwinden.<br />
Aber sie werden sich<br />
grundlegend verändern.<br />
Experten raten, sich nicht<br />
zu stark zu spezialisieren,<br />
sondern sich breites<br />
Wissen anzueignen.<br />
>>> loren gingen, wenn sich der<br />
technische Fortschritt beschleunigte.<br />
Der Übergang von der<br />
Landwirtschafts- zur Industrieund<br />
schliesslich zur Dienstleistungsgesellschaft<br />
hat Einkommen<br />
und Wohlstand in den Ländern<br />
des Nordens vervielfacht.<br />
Ob auch die Digitalisierung<br />
mehr Jobs schafft, als sie zerstört,<br />
ist umstritten. Die enorm gestiegene<br />
und weiterhin steigende<br />
Leistungsfähigkeit der Computer<br />
hat bis jetzt jedenfalls nicht für<br />
weniger Arbeit gesorgt. Alt-SP-<br />
Nationalrat und Ökonom Rudolf<br />
Strahm hält die Angst vor der<br />
Digitalisierung für unbegründet.<br />
Er diagnostiziert ein «Roboter-<br />
Syndrom bei profilierungssüchtigen<br />
amerikanischen Professoren<br />
und Buchschreibern». Die digitale<br />
Revolution werde massenhaft<br />
Fachkräfte brauchen, um voranzukommen,<br />
ist Strahm überzeugt.<br />
Einer der von Strahm angesprochenen<br />
Autoren ist Martin<br />
Ford. Er ist IT-Unternehmer und<br />
schrieb das preisgekrönte Buch<br />
«Aufstieg der Roboter», in welchem<br />
er Massenarbeitslosigkeit<br />
voraussagt. Gegenüber der «Neuen<br />
Zürcher Zeitung» anerkennt er,<br />
dass weiterhin neue Geschäftsfelder<br />
entstehen. Diese seien aber<br />
nicht sehr arbeitsintensiv. Ein<br />
Beispiel dafür ist Google, das 2015<br />
einen vergleichbaren Umsatz er -<br />
wirtschaftete wie der Industriekonzern<br />
Siemens (74,98 Milliarden<br />
Dollar bei Google, 75,69<br />
Milliarden Euro bei Siemens), dies<br />
jedoch mit weniger als einem<br />
Fünftel Angestellten (rund 61 000<br />
Mitarbeiter bei Google, 348 000<br />
Mitarbeiter bei Siemens).<br />
Bedrohte Berufe<br />
In welchem Beruf ist man denn<br />
für die Zukunft gewappnet? Wenn<br />
Roboter immer wichtiger werden,<br />
sind Leute gefragt, die Roboter<br />
konstruieren, bauen und programmieren<br />
können, also Konstrukteure,<br />
Automatiker, Informatiker<br />
und Ingenieure. Doch auch<br />
in Design und Entwicklung macht<br />
die Software rasch Fortschritte.<br />
Wo persönlicher Kontakt gefragt<br />
ist, können Maschinen die Menschen<br />
nicht ersetzen, ist eine gängige<br />
Vorstellung. Doch wie wir<br />
unserem Smartphone mündlich<br />
erklären, was es für uns tun soll,<br />
so geschieht das bereits an einzelnen<br />
Hotelrezeptionen und in<br />
bestimmten Einkaufszentren, wo<br />
Roboter die Kunden informieren.<br />
Er sei in San Francisco dem Roboter<br />
Pepper begegnet, der auch bald<br />
im Glattzentrum bei Zürich eingesetzt<br />
werde, erzählt Oliver Bendel.<br />
Doch die Vorstellung, dass<br />
Berufsleute von der Digitalisierung<br />
einfach beiseitegeschoben<br />
und entsorgt würden, ist sicherlich<br />
zu einfach. Aus dem Automechaniker<br />
ist der Automobil-<br />
Mechatroniker geworden, der von<br />
Apps und Updates ebenso viel<br />
versteht wie von Zylindern und<br />
Vergasern. Technische Zeichnerinnen<br />
üben heute einen anderen<br />
Beruf aus als die Generation vor<br />
ihnen. Trotzdem gibt es sie weiterhin.<br />
Bendel wie Ford empfehlen<br />
jungen Leuten, sich nicht zu sehr<br />
zu spezialisieren, sondern sich<br />
vielfältiges Wissen anzueignen<br />
und flexibel zu bleiben. Der<br />
Hochschulprofessor sieht in<br />
einem breit angelegten Studium<br />
am meisten Potenzial. Ein Hochschulabschluss<br />
kann auch in<br />
Zukunft nicht von der Mehrheit<br />
der Schweizerinnen und Schweizer<br />
erwartet werden. Doch es gibt<br />
mittlerweile in jeder Branche<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten, die<br />
14 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Digitalisierung<br />
Wie stark ist ein Beruf durch Robotertechnik und künstliche Intelligenz<br />
bedroht? Je höher der Prozentsatz, desto gefährdeter ist der Beruf.<br />
Beruf<br />
Gefährdung<br />
Bediener von Anlagen für fotografische Erzeugnisse 100 %<br />
Datenerfasser 100 %<br />
Fachleute technisch voranbringen<br />
und die auch berufsübergreifendes<br />
Wissen vermitteln. So fällt ein<br />
Branchenwechsel leichter.<br />
Für Rudolf Strahm ist dies der<br />
Schlüssel, wie er im «Tages-Anzeiger»<br />
schrieb: «Die adäquate Antwort<br />
auf die digitale Revolution<br />
heisst berufliche Weiterbildung,<br />
sie heisst, Neues hinzulernen, lernen<br />
und nochmals lernen. Da -<br />
durch verdrängt die vierte industrielle<br />
Revolution die Menschen<br />
nicht aus der Arbeit, sondern gibt<br />
ihnen neue Rollen und Funktionen<br />
in der Arbeit.»<br />
Digitalisierung schafft Freiheit<br />
Schaffen Digitalisierung und<br />
Robotisierung denn auch weitere<br />
neue Jobs, so wie in den Neunzigerjahren<br />
den Webdesigner oder<br />
jüngst den Social-Media-Manager?<br />
Oliver Bendel mutmasst, dass<br />
ein neuer Job darin bestehen könnte,<br />
Roboter an ihren Arbeitsort zu<br />
bringen und selbstfahrende Lastwagen<br />
bis zur Autobahn zu fahren,<br />
weil der Verkehr in den Siedlungsgebieten<br />
noch zu komplex für das<br />
autonome Navigieren ist. Auch<br />
müssten Kollaborationsroboter in<br />
der Produktion zunächst von<br />
Menschen trainiert werden. Andere<br />
neue Jobs hat das Internet<br />
bereits hervorgebracht: Die<br />
moderne, flexible Arbeitskraft<br />
kann ein Zimmer auf Airbnb vermieten,<br />
Uber-Fahrdienste verrichten<br />
oder das eigene Auto über<br />
Sharoo verleihen. Daneben >>><br />
Telefonverkäufer 100 %<br />
Nichtakademische Fachkräfte im Rechnungswesen 99 %<br />
Fachkräfte für Abrechnungs- und Speditionsdienstleistungen 99 %<br />
Sekretariatsfachkräfte im juristischen Bereich 99 %<br />
Produkttester und -klassierer (ohne Nahrungsmittel und Getränke) 99 %<br />
Mannequins/Dressmen und sonstige Modelle 99 %<br />
Bediener von Verpackungs-, Abfüll- und Etikettiermaschinen 99 %<br />
Bürokräfte in der Lohnbuchhaltung 98 %<br />
Quelle: www.job-trends.ch, eine Dienstleistung von Angestellte Schweiz,<br />
politan und x28<br />
Routineintensität<br />
Je wichtiger in einem Beruf Routinetätigkeiten sind, desto höher ist<br />
die Gefahr, dass Maschinen oder Computerprogramme diese<br />
übernehmen und die Berufsleute überflüssig machen. Je mehr ein Beruf<br />
situationsbezogenes Handeln oder abstraktes Denken erfordert, desto<br />
weniger ist er von der Digitalisierung gefährdet. Auch viele handwerkliche<br />
Berufe erfordern situationsbezogenes Handeln.<br />
Beruf<br />
Routineintensität<br />
Kodierer, Korrekturleser und verwandte Bürokräfte 100 %<br />
Schreibkräfte und Bediener von Textverarbeitungsanlagen 93 %<br />
Kassierer und Kartenverkäufer 93 %<br />
Sekretariatsfachkräfte im juristischen Bereich 92 %<br />
Sekretariatskräfte (allgemein) 92 %<br />
Bürokräfte in der Lohnbuchhaltung 91 %<br />
Bank- und andere Schalterbedienstete 88 %<br />
Nichtakademische Fachkräfte im Rechnungswesen 85 %<br />
Telefonisten 85 %<br />
Bürokräfte im Rechnungswesen und in der Buchhaltung 83 %<br />
Quelle: www.job-trends.ch, eine Dienstleistung von Angestellte Schweiz,<br />
politan und x28<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>15
kann sie für Amazon Me <br />
chanical Turk kleine Auftragsarbeiten<br />
am Computer verrichten.<br />
Eine Familie lässt sich so allerdings<br />
kaum ernähren.<br />
Arbeit auf Abruf werde in der<br />
Schweiz zunehmen, sagt eine<br />
Studie der Consulting-Firma<br />
Deloitte voraus. «Die Menschen<br />
arbeiten, wann sie wollen und so<br />
viel sie wollen», stellt es die Studie<br />
positiv dar. «Auf der anderen Seite<br />
fallen sie nicht mehr unter den<br />
geltenden Arbeitnehmerschutz»<br />
(z. B. Kündigungsschutz oder<br />
Sozialversicherungsbeiträge des<br />
Arbeitgebers), räumen die De <br />
loitte-Experten ein. Mehr Freiheit<br />
bedeutet hier auch weniger Sicherheit.<br />
Im Gegensatz zu Rudolf Strahm<br />
erwarten Oliver Bendel und<br />
Martin Ford, dass es in Zukunft<br />
weniger Arbeit für die Menschen<br />
geben wird und diese mehr Zeit<br />
zur freien Verfügung haben<br />
werden. Roboter und Software<br />
nehmen ihnen aber nicht nur<br />
Arbeit ab, sondern kosten sie auch<br />
Einkommen. Darum befürworten<br />
Bendel und Ford ein Grundeinkommen,<br />
wie es in der Schweiz<br />
kürzlich an der Urne abgelehnt<br />
worden ist.<br />
Noch ist alles Prognose und<br />
einiges Spekulation. Doch es<br />
zeichnet sich ab, dass der technische<br />
Fortschritt nicht nur die<br />
Arbeit an sich verändert, sondern<br />
die Art, wie wir leben. Es gibt viel<br />
dazuzulernen, nicht nur für die<br />
Berufseinsteiger.<br />
>>><br />
Ich erzähle<br />
«Ich muss<br />
hundertprozentig bei<br />
der Sache sein»<br />
Sandro Allenbach, 18, aus<br />
Steinhausen ZG, arbeitet im<br />
3. Lehrjahr als Automatiker. Er hat<br />
sich schon immer dafür interessiert,<br />
was in einer Maschine passiert.<br />
«Es faszinierte mich schon immer, wie<br />
sich eine Maschine bewegt und wie sie<br />
funktioniert. Ich habe auch als Polymechaniker<br />
und Elektroniker geschnuppert.<br />
Als Automatiker habe ich ein wenig von<br />
allem. Ich löte Schaltungen, baue aber<br />
auch ganze Maschinen zusammen, was<br />
körperlich anstrengend ist. Und ich<br />
muss mit dem Kopf hundertprozentig<br />
Neue Berufe<br />
Beruf<br />
bei der Sache sein, mitdenken und<br />
Lösungsvorschläge machen. In meinem<br />
Lehrbetrieb bauen wir nur Sondermaschinen,<br />
die in einer Fabrik irgendeinen<br />
speziellen Arbeitsschritt ausführen<br />
müssen. Manche könnte man auch<br />
Roboter nennen. Der Kunde sagt uns<br />
zum Beispiel, welche Teile die Maschine<br />
herstellen soll und in welcher Zeit. Dann<br />
entwickeln wir sie, bauen sie mechanisch<br />
auf und verdrahten sie. Programmiert<br />
wird die Anlage dann von einem<br />
Informatiker. Unsere Maschinen stehen<br />
in der ganzen Welt, und ein Ausgelernter<br />
oder mehrere gehen jeweils mit zum<br />
Kunden, um die Inbetriebnahme zu<br />
begleiten. Geschäftlich nach Mexiko<br />
oder Shanghai zu reisen, würde mir<br />
natürlich auch gefallen.»<br />
Inkraftsetzung<br />
Hotel-Kommunikationsfachfrau/-mann EFZ* <strong>2017</strong><br />
Hörsystemakustiker/-in EFZ 2016<br />
Fachfrau/-mann öffentlicher Verkehr EFZ 2015<br />
Entwässerungstechnologe/-in EFZ 2014<br />
Interactive Media Designer EFZ 2014<br />
Systemgastronomiefachfrau/-mann EFZ 2013<br />
Fachfrau/-mann Bewegungs- und Gesundheitsförderung<br />
EFZ<br />
2012<br />
Fachfrau/-mann Kundendialog EFZ 2011<br />
Veranstaltungsfachfrau/-mann EFZ 2011<br />
Bühnentänzer/-in EFZ 2009<br />
Arbeiten, wo und so viel man<br />
will – aber auch ohne Schutz<br />
und mit wenig Einkommen.<br />
* EFZ: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis<br />
Quelle: Staatsekretariat für Bildung, Forschung<br />
und Innovation SBFI<br />
16
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>17
«Langfristige Verträge und<br />
feste Arbeitsplätze<br />
werden verschwinden»<br />
Oliver Bendel ist <strong>Spezial</strong>ist für Mensch-Maschinen. Ein Gespräch mit dem<br />
Informatik wissenschaftler über aussterbende Berufe, die Frage, wie Roboter<br />
unseren Alltag verändern, und die Zukunft des Baugewerbes. Interview: Stefan Michel<br />
Herr Bendel, wie gross ist das Risiko,<br />
dass ein Verkäufer im Supermarkt<br />
in zwanzig Jahren von Robotern<br />
oder Computerprogrammen<br />
abgelöst wird?<br />
Sehr gross. Bediente Kassen gibt<br />
es bald nicht mehr. Wo fachliche<br />
Beratung gefragt ist, wird es weiter<br />
Menschen brauchen – auch wenn<br />
eine Maschine eher als ein Mensch<br />
3000 Produkte vergleichen und<br />
eine Empfehlung abgeben kann.<br />
Wie sieht es im kaufmännischen<br />
Bereich aus?<br />
Bei Banken und Versicherungen<br />
werden massiv Stellen wegbrechen.<br />
Das liegt auch am Verhalten<br />
der Kunden, die sich immer seltener<br />
persönlich beraten lassen wollen.<br />
Sie wollen ihre Versicherung<br />
spontan mit drei Klicks über das<br />
Smartphone abschliessen.<br />
«Bei Versicherungen und<br />
Banken brechen massiv<br />
Stellen weg. Bediente Kassen<br />
gibts schon bald nicht mehr.»<br />
Wie sicher sind die Jobs im Gesundheits-<br />
und Betreuungswesen?<br />
Ich glaube, dass das noch lange<br />
eine menschliche Domäne bleiben<br />
wird. Obwohl schon viele Prototypen<br />
von Pflegerobotern vorhanden<br />
sind. Ich halte diese für sinnvoll,<br />
wenn sie beispielsweise der<br />
Pflegefachkraft helfen, einen<br />
schweren Menschen umzubetten.<br />
Ich greife mal einen handwerklichen<br />
Beruf heraus: den Koch.<br />
Ich glaube nicht, dass es je einen<br />
Roboter geben wird, der sehr gut<br />
kochen kann. Diese Arbeit geht ins<br />
Kreative, ins Künstlerische hinein.<br />
Nur der Mensch kann schmecken.<br />
Vielleicht kann irgendwann ein<br />
Roboter feststellen, ob der Wein<br />
Zapfen hat.<br />
Sind kreative Tätigkeiten vor<br />
Maschinen sicher?<br />
Nein, das sind sie nicht. Wenn<br />
Programme mit Daten gefüttert<br />
werden, können sie beispielsweise<br />
prima Autos konstruieren oder<br />
auch simple Texte schreiben.<br />
Welche Zukunft sehen Sie für das<br />
Baugewerbe?<br />
Da ist die Robotisierung schon ein<br />
Stück weit gediehen. Fertigbauteile<br />
werden in Fabriken hergestellt.<br />
Es gibt 3-D-Drucker, die Häuser<br />
ausdrucken. Doch gerade der<br />
3-D-Druck im Bau wird nur in<br />
visionären Projekten eingesetzt.<br />
Um Gebäude von Robotern oder<br />
3-D-Druckern hochziehen zu lassen,<br />
sind riesige und komplexe<br />
Maschinen nötig, die enorm teuer<br />
sind. Ich bin überzeugt, dass es<br />
auch in dreissig Jahren noch Bauarbeiter<br />
geben wird.<br />
Wo werden wir sonst noch Roboter<br />
in unserer Arbeitswelt oder im Alltag<br />
antreffen?<br />
In vielen Bereichen werden Ko -<br />
operations- und Kollaborationsroboter<br />
immer wichtiger. Früher<br />
waren die Roboter in der Produktion<br />
hinter Gittern, damit sie Menschen<br />
nicht gefährden. Heute<br />
arbeiten sie im Abstand von Zentimetern<br />
mit uns zusammen. In<br />
einem BMW-Werk in den USA<br />
beispielsweise gibt es einen Roboter,<br />
der zusammen mit einem<br />
Menschen Türen montiert und<br />
dabei Türdichtungen eindrückt.<br />
Transportroboter bringen in Fabriken<br />
oder auf Firmengeländen<br />
selbständig Material von einem<br />
Ort zum anderen. Die Schweizerische<br />
Post hat einen Paketroboter<br />
getestet. Nun sind die Lieferdrohnen<br />
dran.<br />
18 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Eigentlich sind Roboter nichts Neues.<br />
Was hat sich geändert, dass sie<br />
so im Gespräch sind?<br />
Früher waren die Roboter hoch<br />
spezialisiert. Jetzt können sie verschiedene<br />
Tätigkeiten übernehmen.<br />
Man kann ihre Arme be <br />
wegen und sie so trainieren.<br />
Einige können durch Beobachten<br />
dazulernen. Die künstliche Intelligenz<br />
macht das möglich.<br />
Sehen Sie im Zusammenhang mit<br />
Robotern neue Berufe für Menschen<br />
entstehen?<br />
Ich könnte mir vorstellen, dass es<br />
Menschen braucht, die Roboter an<br />
ihren Einsatzort bringen. Oder<br />
Chauffeure, die Lastwagen zur<br />
Autobahn fahren, wo sich diese<br />
dann autonom fortbewegen.<br />
Welche Veränderungen in der<br />
Arbeitswelt sehen Sie sonst noch<br />
kommen?<br />
Das langfristige Arbeitsverhältnis<br />
und der feste Arbeitsplatz werden<br />
wohl verschwinden. Wir arbeiten<br />
immer mehr auf Nachfrage, und<br />
zwar dort, wo es uns gerade<br />
braucht. Und wir werden wohl<br />
unsere Tätigkeit immer wieder<br />
wechseln.<br />
Welche Ausbildung empfehlen Sie<br />
jungen Leuten, damit sie in zwanzig<br />
Jahren nicht von einer Maschine<br />
überflüssig gemacht werden?<br />
Die besten Chancen sehe ich für<br />
Menschen, die ein generalistisches<br />
Studium absolvieren und sich ein<br />
breites Wissen aneignen. Vor allem<br />
aber rate ich zu der Ausbildung,<br />
die einem am meisten Spass macht.<br />
Man darf sich jedoch nicht auf<br />
einen Beruf und eine Tätigkeit<br />
versteifen. Wer eine Schreinerlehre<br />
macht, sollte auch fähig sein,<br />
strategische Entscheide im Zusammenhang<br />
mit Holz zu fällen. Ich<br />
empfehle, die Welt zu beobachten<br />
und zu überlegen: Was könnte ich<br />
noch tun? Wofür gibt es eine<br />
Nachfrage?<br />
«Die besten Zukunftschancen<br />
haben Jugendliche mit einem<br />
generalistischen Studium<br />
und breitem Wissen.»<br />
Zur Person<br />
Oliver Bendel ist Germanist, Philosoph,<br />
Informationswissenschaftler und Doktor der<br />
Wirtschaftsinformatik. Als Professor der Fachhochschule<br />
Nordwestschweiz beschäftigt er sich besonders mit<br />
autonom funktionierenden Maschinen und<br />
Computerprogrammen sowie den ethischen Fragen,<br />
die sich daraus ergeben. Ein weiteres <strong>Spezial</strong>gebiet sind<br />
Mensch-Maschinen und künstliche Kreaturen in Texten<br />
von der Antike bis heute. Oliver Bendel hat mehrere Romane<br />
veröffentlicht.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>19
Lehrlinge<br />
gesucht<br />
Jedes Jahr bleiben Tausende Lehrstellen<br />
unbesetzt. Gleichzeitig erhalten Tausende<br />
Jugendliche keinen Lehrvertrag. Dabei bieten<br />
gerade einige weniger beliebte Berufe gute<br />
Perspektiven. Text: Stefan Michel Bilder: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
20 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Ich erzähle<br />
«Jeder Schaden<br />
ist anders»<br />
Lars Werner, 19, aus Alten ZH,<br />
arbeitet im 4. Lehrjahr als<br />
Carrosserie-Spengler. An<br />
Weiterbildung denkt er noch<br />
nicht.<br />
«Seit der ersten Klasse wollte ich<br />
Schreiner werden. Doch in der<br />
Schnupperlehre merkte ich, dass<br />
das nicht das Richtige ist für mich.<br />
Meinen Lehrbetrieb lernte ich eher<br />
zufällig kennen: an einem Tag der<br />
offenen Tür. Ich ging dann<br />
schnuppern und erhielt auf meine<br />
Bewerbung hin eine Lehrstelle.<br />
Automobil-Mechatroniker hätte<br />
mich auch interessiert. Aber mir<br />
scheint, dass die vor allem Teile<br />
auswechseln. Ich mag es, dass wir<br />
reparieren, was kaputt ist. Jeder<br />
Schaden ist anders, das ist die<br />
Abwechslung in meinem Beruf. Der<br />
Vorher-Nachher-Effekt ist gross,<br />
und es ist eine Freude, wenn der<br />
Kunde am Schluss glücklich ist.<br />
Manche bedanken sich sogar mit<br />
einer Karte oder bringen ein Znüni<br />
vorbei. In der Berufsschule höre ich<br />
manchmal, wo überall Carrosserie-<br />
Spengler gesucht werden. Ich habe<br />
den Beruf aber nicht gewählt, weil<br />
viele Stellen offen sind, sondern<br />
weil mir die Arbeit mit Autos Spass<br />
macht. An Weiterbildungen denke<br />
ich noch nicht. Ich freue mich<br />
darauf, einfach mal arbeiten zu<br />
können.»<br />
21
Irgendwo am Übergang von<br />
der Primarschule in die<br />
Oberstufe geht das Interesse<br />
am Handwerk verloren.<br />
Waren vorher Automechaniker<br />
oder Coiffeuse noch<br />
Wunschberufe, sind gegen Ende<br />
der Schulzeit Bürojobs und Be <br />
treuungsarbeit gefragt. Betriebe,<br />
die Kaufleute oder Informatiker<br />
ausbilden, werden mit Bewerbungen<br />
überhäuft. Lehrstellen für<br />
Elektroinstallateure, Köchinnen<br />
oder Maurer bleiben zu Tausenden<br />
unbesetzt.<br />
Das Lehrstellenbarometer des<br />
Bundes nennt bei Lehrbeginn im<br />
August 2016 rund 10 000 offene<br />
Lehrstellen – mehr als jede zehnte<br />
Lehrstelle in der Schweiz konnte<br />
nicht besetzt werden. Besonders<br />
betroffen sind das verarbeitende<br />
Gewerbe (Bäcker, Metzger, Schreiner<br />
usw.), die Dienstleistungen<br />
(Coiffeuse, Koch, Restaurantangestellte<br />
usw.) und technische Berufe<br />
(Elektroinstallateur, Polymechaniker,<br />
Sanitärinstallateur usw.).<br />
Gleichzeitig fanden 11 000 Ju <br />
gendliche 2016 keine Lehrstelle.<br />
Gute Perspektiven im Handwerk<br />
Noch immer lassen sich Tausende<br />
junge Menschen zu Mechanikern<br />
oder Köchinnen ausbilden.<br />
Schmutzige Hände schrecken nur<br />
eine Minderheit ab. Aber auch<br />
wenn nur zwei von zehn >>><br />
Bäcker, Coiffeur oder<br />
Polymechanikerin? Hier<br />
gibt es noch Lehrstellen.<br />
Ich erzähle<br />
«Französisch<br />
zu sprechen, ist<br />
heute kein<br />
Problem mehr»<br />
Alexandra Zollet, 18, aus<br />
Wünnewil FR, arbeitet im<br />
3. Lehrjahr als Coiffeuse. Später<br />
will sie im Beruf bleiben und<br />
sich vielleicht zur Stylistin<br />
weiterbilden.<br />
«Ich wuchs auf einem Bauernhof<br />
auf. Doch ich wollte einen Beruf, bei<br />
dem ich mit den Händen kreativ<br />
arbeiten kann. Ich schnupperte<br />
auch als Schneiderin, aber Coiffeuse<br />
gefiel mir besser. Ich konnte<br />
dann gleich im Schnupperbetrieb<br />
die Lehre machen, ohne eine zwei<br />
te Bewerbung zu schreiben. Die<br />
grösste Herausforderung am<br />
Anfang war, dass ich mit vielen<br />
Kundinnen und Kunden französisch<br />
sprechen muss, Freiburg ist<br />
ja zweisprachig. Nach fast drei Jahren<br />
Lehre ist das kein Problem<br />
mehr. Ganz besonders gefällt es<br />
mir, Menschen zu beraten, was zu<br />
ihnen passen könnte. Wenn sie<br />
danach glücklich hinausgehen,<br />
einige sogar mit neuem Selbstbewusstsein,<br />
ist das ein super<br />
Gefühl für mich. Meine Freunde<br />
kommen gerne zu mir in den Salon,<br />
um sich von mir ihre Haare schneiden<br />
oder stylen zu lassen. Nach der<br />
Lehre möchte ich im Beruf bleiben<br />
und Erfahrungen sammeln. Vielleicht<br />
bilde ich mich irgendwann<br />
noch zur Stylistin oder in Make-up<br />
weiter.»<br />
22
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>23
Ich erzähle<br />
«In der Küche<br />
gefällt es mir<br />
besser als auf<br />
der Baustelle»<br />
Lukas Heller, 18, aus<br />
Grindelwald BE, ist Koch-<br />
Lernender im 2. Lehrjahr. Später<br />
möchte er im Ausland arbeiten<br />
– oder er übernimmt das Hotel<br />
seiner Eltern.<br />
«Meine Eltern führen ein Vier-<br />
Sterne-Hotel in Grindelwald. Trotzdem<br />
konnte ich frei entscheiden,<br />
welchen Beruf ich lernen will. Ich<br />
habe auch als Elektroinstallateur<br />
geschnuppert, weil mich die<br />
Technik fasziniert. Aber in der<br />
Küche gefällt es mir doch besser<br />
als auf der Baustelle. Nun lerne ich<br />
in einem eher kleinen Betrieb mit<br />
Gourmetküche. Ich mag die<br />
Vielseitigkeit der Arbeit. Ich mache<br />
jeden Tag etwas anderes. Im ersten<br />
Jahr lernte ich die kalte Küche, vor<br />
allem Salate und Desserts, im zweiten<br />
Gemüse und Beilagen. Jetzt<br />
freue ich mich auf Fleisch und Saucen.<br />
Die Stimmung in unserer<br />
Küche ist gut. Dass ich regelmässig<br />
am Abend arbeite, stört mich nicht.<br />
In meiner Berufsschulklasse haben<br />
ein paar die Lehre abgebrochen.<br />
Mir scheint, das sind Leute, die<br />
nicht wirklich etwas aus ihrem<br />
Leben machen wollen. Nach der<br />
Lehre möchte ich an verschiedenen<br />
Orten Erfahrungen sammeln, gerne<br />
auch im Ausland. Gut möglich, dass<br />
ich irgendwann das Hotel meiner<br />
Eltern übernehme. Es kann aber<br />
auch ganz anders kommen. Ich bin<br />
frei in meiner Entscheidung.»
Lehrstellen pro Jahr unbesetzt<br />
bleiben, summiert sich das<br />
über die Jahre zu Tausenden<br />
fehlenden Fachleuten. Die betroffenen<br />
Branchen reagieren mit<br />
Imagekampagnen und der Aufwertung<br />
ihrer Berufslehren,<br />
manche auch, indem sie neben<br />
anspruchsvollen drei- und vierjährigen<br />
EFZ-Lehren zwei- oder dreijährige<br />
EBA-Lehren anbieten. Im<br />
Bau gewerbe übernehmen junge<br />
Erwachsene Anfang zwanzig Führungspositionen,<br />
weil die Berufsleute<br />
fehlen.<br />
Hier liegt ein Paradoxon der<br />
Be rufsbildung in der Schweiz: Die<br />
Aufstiegschancen sind in technischen<br />
und handwerklichen Berufen<br />
besonders gross. Die Gefahr<br />
der Digitalisierung ist in vielen<br />
handwerklichen Berufen wesentlich<br />
kleiner als in vielen Bürojobs.<br />
Spannend ist das Arbeiten mit<br />
Kopf und Händen sowieso.<br />
>>><br />
Die betroffenen Branchen<br />
reagieren mit<br />
Imagekampagnen.<br />
Berufsporträt<br />
Forme deine Zukunft mit<br />
neuen Perspektiven.<br />
zkb.ch/lehrstellen<br />
Deine Lehrstelle als Kauffrau / Kaufmann Branche Bank<br />
Mit einer kaufmännischen Lehrstelle bei<br />
der Zürcher Kantonalbank schaffst du dir<br />
ein sicheres Fundament für deine berufliche<br />
Zukunft. Während deiner Ausbildung am<br />
Arbeitsplatz absolvierst du verschiedene<br />
Einsätze in unterschiedlichen Abteilungen.<br />
Dabei wirst du sowohl in deiner Heimfiliale<br />
als auch in zentralen Lernwerkstätten eingesetzt.<br />
Verschiedene interne Ausbildungen<br />
vertiefen deine betrieblichen Kenntnisse<br />
und fördern deine Beratungskompetenz.<br />
Die überbetrieblichen Kurse am CYP ergänzen<br />
Für die anspruchsvolle und abwechslungsreiche<br />
Ausbildung bringst du Interesse<br />
am Bankgeschäft und an wirtschaftlichen<br />
Zusammenhängen mit. Du überzeugst durch<br />
Initiative und Lernwille, hast Freude am<br />
Kundenkontakt und zeichnest dich durch<br />
Neugier, Zuverlässigkeit und Engagement<br />
aus.<br />
Mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis<br />
verfügst du über gute Perspektiven für dein<br />
Berufsleben im Banking. Neben attraktiven<br />
fältige Weiterbildungsmöglichkeiten in einer<br />
spannenden Branche.<br />
Bereit für den nächsten Schritt?<br />
Wir freuen uns auf deine Online-Bewerbung<br />
unter zkb.ch/lehrstellen.<br />
dabei Das Schweizer die branchenspezifische ElternMagazin Fritz+Fränzi Ausbildung. <strong>Berufswahl</strong> Arbeitsbedingungen Mai <strong>2017</strong>25<br />
bieten wir dir viel-
Die seltensten<br />
Berufe<br />
der Schweiz<br />
In einigen Berufen braucht es jährlichTausende<br />
Lehrabsolventen, in anderen nur eine Handvoll.<br />
Küfer, Pelznäherin und Orgelpfeifenbauer gehören<br />
zu den seltensten Berufen hierzulande. Text: Stefan Michel<br />
Bild: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
Dass ein Beruf selten<br />
ist, macht ihn noch<br />
nicht zwingend<br />
interessant. Doch<br />
es sind viele spezielle<br />
handwerkliche oder technische<br />
Tätigkeiten unter den seltensten<br />
Berufen der Schweiz. So<br />
wird nur alle paar Jahre ein Küfer<br />
ausgebildet, also ein Holzhandwerker,<br />
der Weinfässer herstellt.<br />
Das Bundesamt für Statistik<br />
listet für 2015 insgesamt 31 Berufe*<br />
auf, in denen sich jeweils nur<br />
eine einzige Person in der Lehre<br />
befand, darunter eine Pelznäherin,<br />
ein Orgelpfeifenbauer und<br />
eine Papiertechnologin.<br />
Dabei ist nicht nur altes Handwerk<br />
unter den seltenen Berufen.<br />
Neben der Papiertechnolo- >>><br />
Nur alle paar Jahre<br />
wird ein Küfer<br />
ausgebildet.<br />
Ich erzähle<br />
«Pro Jahr gibt es<br />
zwei Lehrstellen.<br />
Ich bekam<br />
eine davon»<br />
Corina Baumann, 21, aus<br />
Brienz BE, ist Geigenbauerin<br />
im 1. Lehrjahr. Sie hat ihren<br />
Traumberuf gefunden.<br />
«Nach der Matura wusste ich<br />
immer noch nicht, was ich machen<br />
wollte. Schon lange spielte ich<br />
Geige, ich liebte das Fach Bildnerisches<br />
Gestalten – warum nicht<br />
Geigenbauerin werden? Ich machte<br />
die zweitägige Eignungsprüfung<br />
an der Geigenbauschule<br />
Brienz, dem einzigen Ort in der<br />
Schweiz, wo regelmässig Geigenbauer<br />
ausgebildet werden. Tatsächlich<br />
erhielt ich einen der zwei<br />
Ausbildungsplätze, die es pro Jahr<br />
gibt. Nun arbeite ich an meiner<br />
zweiten Geige. Vorgesehen ist,<br />
dass man während der vierjährigen<br />
Lehre acht Instrumente baut,<br />
darunter ein Cello und eine Bratsche.<br />
Man muss nicht unbedingt<br />
perfektionistisch sein, aber Ge <br />
duld und Genauigkeit gehören<br />
dazu. Bis Geigendecke und Geigenboden<br />
die richtige Wölbung<br />
haben, hobelt und schleift man<br />
mehrere Monate. Und immer wieder<br />
gibt es Arbeitsschritte, die<br />
ganz genau sein müssen, weil<br />
nicht jeder Fehler korrigiert werden<br />
kann. Im Berufsalltag ist der<br />
Neubau von Instrumenten die<br />
Ausnahme. Meistens reparieren<br />
oder restaurieren Geigenbauer<br />
bestehende Streichinstrumente.<br />
Auch auf diese Arbeit freue ich<br />
mich. Ja, ich lerne meinen Traumberuf.»<br />
26
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>27
37 Personen machten<br />
2015 die Ausbildung zur<br />
Theatermalerin.<br />
>>> gin lernt auch der einzige<br />
Mikrozeichner in der <strong>Spezial</strong>isierung<br />
Stanzwerkzeuge und Giessformen<br />
seinen Beruf in einem<br />
modernen Industriebetrieb.<br />
Bei gewissen Tätigkeiten würde<br />
man weniger Lernende vermuten:<br />
Wer hätte gedacht, dass 2015<br />
immerhin 37 Personen die Lehre<br />
zur Theatermalerin machten oder<br />
sich 40 Matrosen der Binnenschifffahrt<br />
in Ausbildung befanden?<br />
Auf der anderen Seite gibt es<br />
Berufe, die immer seltener werden,<br />
bis sie schliesslich aussterben.<br />
So wurde der Beruf des Fotolaboranten<br />
aus der offiziellen Liste<br />
gestrichen, weil es im Zeitalter der<br />
Digitalfotografie kaum noch<br />
jemanden braucht, der Fotos ab<br />
Negativ entwickelt.<br />
Andere traditionsreiche Ge <br />
werbe haben beste Chancen, noch<br />
lange zu bestehen, zum Beispiel<br />
der Geigenbau: Solange Streichinstrumente<br />
gespielt werden,<br />
braucht es Fachleute, die sie herstellen<br />
und reparieren können.<br />
Die zwei bis drei Lernenden, die<br />
jedes Jahr die Lehre abschliessen,<br />
werden keine Mühe haben, eine<br />
Stelle zu finden.<br />
>>><br />
* Zahlen des Bundesamtes für<br />
Statistik. Die meisten dieser<br />
31 Berufe (sowie der 64 Berufe<br />
ohne Lernende 2015) sind als<br />
EFZ- oder EBA-Lehren neu<br />
strukturiert worden und haben<br />
unter der neuen Bezeichnung<br />
viel mehr Lernende.<br />
Berufe, die es seit 2007 nicht mehr gibt<br />
• Bahnbetriebsdisponent/-in<br />
• Bahnbetriebssekretär/-in<br />
• Bahnbüroangestellte/-r<br />
• Berufssportler/-in<br />
• Cheminist/-in<br />
• Etuismacher/-in<br />
• Fotolaborant/-in<br />
• Glasmacher/-in (NW)<br />
• Hohlglasschleifer/-in (NW)<br />
• Kuvertmaschinenführer/-in<br />
• Laborist/-in<br />
• Luftverkehrsangestellte/r<br />
• Metalldrücker/-in<br />
• Spengler-Sanitärinstallateur/-in<br />
• Tiefdruckgraveur/-in<br />
• Zementmaschinist/-in<br />
• Zinngiesser/-in (ZH)<br />
• Zugbegleiter/-in<br />
Die meisten Berufe sind in einen anderen Beruf übergegangen.<br />
Quelle: Staatsekreatriat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI<br />
Die seltensten Berufe der Schweiz<br />
Beruf Total Männer Frauen<br />
Gusstechnologe/-in EFZ 4 2 2<br />
Holzhandwerker/-in EFZ 3 2 1<br />
Geigenbauer/-in 3 0 3<br />
Marmorist/-in EFZ 3 3 0<br />
Korb- und Flechtwerkgestalter/-in EFZ 3 0 3<br />
Glasapparatebauer/-in 3 2 1<br />
Vergolder/-in / Einrahmer/-in EFZ 2 1 1<br />
Etuismacher/-in 2 1 1<br />
Glasmaler/-in EFZ 2 0 2<br />
Industriekeramiker/-in EFZ 1 1 0<br />
Anzahl 2015 abgeschlossene Lehrverträge. Berufe, in denen 2015 keine<br />
Lehrverträge abgeschlossen wurden, erscheinen nicht. Nicht<br />
berücksichtigt wurden Berufslehren unter der alten Bezeichnung,<br />
wenn bereits eine EFZ-Lehre besteht.<br />
Quelle: Bundesamt für Statistik, aufbereitet durch Schweizerisches<br />
Dienstleistungszentrum Berufsbildung<br />
28 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Publireportage<br />
Die textile Berufswelt ist ein Arbeitsfeld für neugierige junge Menschen, die Freude an textilen Materialien und technisches Verständnis mitbringen.<br />
Ausbildung in einer der innovativsten<br />
Branchen der Schweiz<br />
Die verschiedenen textilen Grundbildungen mit eidgenössischem<br />
Fähigkeitszeugnis (EFZ) und eidgenössischem Berufsattest<br />
(EBA) vermitteln fundiertes Fachwissen, sind attraktiv,<br />
spannend, vielfältig und bieten hervorragende Weiterbildungs-<br />
und Karrieremöglichkeiten – www.textilberufe.ch.<br />
MICHAEL BERGER<br />
Die Welt der Textilien ist vielseitig: Von den Kleidern, die wir<br />
gerade tragen, über das Handtuch, das wir am Morgen benutzen<br />
bis hin zum Teppich unter unseren Füssen oder dem Stoff<br />
unseres Sofas, auf dem wir sitzen. Doch wer denkt schon an<br />
den Akustik-Filter im Smartphone, an Implantate für die Medizinaltechnik,<br />
an Flugzeugsitze oder an Sicherheitsgurten? Viele<br />
Unternehmen der Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie<br />
schauen auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück und<br />
sind heute auf <strong>Spezial</strong>itäten fokussiert. Immer wieder ist es<br />
ihnen gelungen, sich neuen Entwicklungen und Märkten anzupassen<br />
und eine Vorreiterrolle zu übernehmen, indem sie bewährte<br />
Techniken für neue Anwendungen einsetzen.<br />
Textil oder als Kauffrau/-mann EFZ. In der Grundbildung zum<br />
Textiltechnologe/-in EFZ stehen fünf Fachrichtungen zur<br />
Auswahl: Verarbeitung, Veredlung, Seil- und Hebetechnik,<br />
Mechatronik und Design. Je nach Betrieb sind die Berufsleute<br />
mit Tätigkeiten in der industriellen Verarbeitung, der Veredlung<br />
sowie mit der Prüfung von Fasern und textilen Flächen<br />
betraut. Sie führen oder bedienen Anlagen, überwachen und<br />
regeln Prozesse, prüfen und analysieren Qualitätsstandards<br />
und beteiligen sich an Design- und Innovationsentwicklungen.<br />
Nach Abschluss der Grundbildung kann das Fachwissen<br />
«on the job» im internationalen Umfeld oder mit einer<br />
gezielten Weiterbildung erweitert werden. Zur Auswahl stehen<br />
Berufsprüfungen, Höhere Fachprüfungen Höhere Fachschulen<br />
sowie Bachelor- und Masterlehrgänge mit Abschlüssen<br />
in den Bereichen Technik, Design, Mode oder Wirtschaft.<br />
Viele der Aus- und Weiterbildungen finden an der Schweizerischen<br />
Textilfachschule (STF) statt.<br />
INNOVATIVE BRANCHE MIT ZUKUNFT<br />
Von Stoffen und Stickereien für die Haute Couture bis zu technischen<br />
Textilien im Gesundheitswesen oder der Fahrzeugindustrie<br />
AUS- UND WEITERBILDUNGEN<br />
So abwechslungsreich und spannend wie die Anwendungsfelder<br />
der Textilien sind, so vielfältig ist auch das Angebot an<br />
entwickeln, produzieren und vermarktet die Schweizer Textil- und<br />
Bekleidungsindustrie ihre Erzeugnisse in der ganzen Welt.<br />
weiterführende Informationen: www.textilberufe.ch<br />
zukunftsorientierten Aus- und Weiterbildungen. Jugendliche<br />
haben die Wahl zwischen der zweijährigen Grundbildung Swiss Textiles, Textilverband Schweiz, Beethovenstrasse 20<br />
Textilpraktiker/-in EBA und den dreijährigen Ausbildungen<br />
CH-8022 Zürich, Tel. 044 289 79 11<br />
Das als Schweizer Textiltechnologe/-in ElternMagazin Fritz+Fränzi EFZ, Laborant/-in <strong>Berufswahl</strong> EFZ Mai <strong>2017</strong>29<br />
www.swisstextiles.ch<br />
Fachrichtung
«Der Beruf soll zum Kind passen und<br />
nicht den Ehrgeiz der Eltern befriedigen»<br />
Wer den Beruf wählt, der zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt, hat grössere Chancen<br />
auf ein erfolgreiches Berufsleben, sagt Bildungsforscher Markus Neuenschwander. Ein Gespräch<br />
über zu hohe Erwartungen der Eltern, die Vorzüge einer Berufslehre und die Frage, was<br />
Jugendlichen bei der <strong>Berufswahl</strong> am meisten hilft. Interview: Stefan Michel<br />
Herr Neuenschwander, welche Rolle spielen die Eltern<br />
bei der <strong>Berufswahl</strong> ihrer Kinder?<br />
Nach unseren Daten eine grosse. Die Jugendlichen<br />
nennen ihre Eltern als wichtigste Ansprechpersonen<br />
bei der <strong>Berufswahl</strong>. Für viele sind sie ein Vorbild<br />
dafür, was man mit Engagement erreichen kann. Die<br />
meisten Eltern motivieren ihre Kinder, sich mit der<br />
<strong>Berufswahl</strong> ernsthaft auseinanderzusetzen, und<br />
geben Ratschläge. Zudem helfen die Eltern ihren<br />
Kindern, Rückschläge wegzustecken, und ermutigen<br />
sie, dranzubleiben. Man muss sich bewusst sein, dass<br />
14-Jährige mit der <strong>Berufswahl</strong> überfordert sind. Ohne<br />
jegliche Erfahrung sollen sie aus über 200 Ausbildungen<br />
wählen. Da sind die Eltern wichtige Ratgeber.<br />
Manche Eltern geben ihren Kindern aber eher vor, was<br />
sie zu tun haben, als dass sie sie in ihrer Erkundung<br />
unterstützen.<br />
Die meisten Eltern möchten das Beste für ihr Kind.<br />
Das Beste heisst für einige Eltern ein hoher beruflicher<br />
Status, sichere Anstellung, ein gutes Einkommen.<br />
Manchen geht es dabei auch um ihr eigenes<br />
Ansehen: Sie meinen, dass sie gute Eltern sind, wenn<br />
sie ihre Kinder ans Gymnasium bringen.<br />
Und die Jugendlichen tun, was die Eltern von ihnen verlangen?<br />
Ich habe tatsächlich in unseren umfangreichen Befragungen<br />
noch keinen Jugendlichen getroffen, der<br />
gegen den ausdrücklichen Willen seiner Eltern eine<br />
bestimmte Lehre gemacht hat. Die Eltern steuern in<br />
der Regel aber eher fein, als dass sie sagen, in welche<br />
Richtung es geht. Viele Eltern passen ihre Beratung<br />
den Fähigkeiten und Interessen ihres Kindes an.<br />
Vielen ist nur das Gymnasium gut genug und sie treiben<br />
ihre Kinder entsprechend an.<br />
Früher war das Gymnasium das Nadelöhr, um an<br />
einer Universität studieren zu können. Heute ist das<br />
Bildungssystem durchlässiger. Nur scheint mir, dass<br />
der Weg über eine Berufslehre zur Berufsmaturität<br />
und über Passerelle oder Fachhochschule an die Uni<br />
noch zu wenig bekannt ist. Eine Untersuchung zeigte<br />
übrigens, dass jene, die nach einer Berufslehre an<br />
einer Fachhochschule studierten, ein höheres Lebenseinkommen<br />
erzielen als jene, die Gymnasium und<br />
Universitätsstudium abschlossen.<br />
Was wären aus Ihrer Sicht sinnvolle Anreize anstelle von<br />
Status und Einkommen?<br />
Ich empfehle, dass man eine Ausbildung wählt, die<br />
zu den eigenen Fähigkeiten und Interessen passt. Tut<br />
sie das, führt das zu Entspannung. Jugendliche, die<br />
eine passende Lehre gefunden haben, sind zufriedener<br />
und leistungsstärker, sie wechseln seltener den<br />
Beruf und haben ein geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko.<br />
Diese Passung muss man aber immer wieder<br />
von Neuem herstellen, das ganze Berufsleben lang.<br />
Berufe ändern sich, Betriebe ändern sich und auch<br />
die eigene Persönlichkeit entwickelt sich weiter.<br />
Man könnte meinen, die Mehrheit der Jugendlichen lande<br />
auf Druck der Eltern in einer Lehre oder einer Schule,<br />
die sie gar nicht wollen. Stimmt dieser Eindruck?<br />
Nein, so ist es nicht. Unsere <strong>Berufswahl</strong>studie von<br />
2003 zeigte, dass rund 65 Prozent der Jugendlichen<br />
im ersten Lehrjahr angeben, ihren Traumberuf<br />
gewählt zu haben. Am meisten Druck üben Eltern<br />
wohl tatsächlich in Bezug auf das Gymnasium aus,<br />
was für die Kinder manchmal zu Überforderung,<br />
Gesundheitsproblemen und geringer Passung führt.<br />
Was spricht für die Berufslehre?<br />
Einige Jugendliche sind nach neun Schuljahren schulmüde<br />
und möchten etwas Praktisches machen. Sie<br />
werden als junge Erwachsene in der Lehre respektiert<br />
und tragen zur Arbeit in einem Betrieb bei. Die<br />
Berufslehre ist eine Ausbildung, die zu den altersspezifischen<br />
Bedürfnissen von Jugendlichen gut passt.<br />
Wer in der Lehre unterfordert ist, kann die Berufsmaturitätsschule<br />
machen und sich so weiter qualifizieren.<br />
Leider realisieren das einige Eltern nicht. Die<br />
30 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Gymi-Hysterie in gewissen Kreisen kommt von Leuten,<br />
die unser Bildungssystem zu wenig gut verstehen.<br />
Andererseits gibt es Eltern, die ihre Kinder nicht wirklich<br />
unterstützen können. Wie wirkt sich das aus?<br />
Das kommt besonders in tieferen sozialen Schichten<br />
und bei Migrationshintergrund vor. Dann sind die<br />
Lehrkräfte gefordert. Die Erziehungsdirektorenkonferenz<br />
schlug vor, dass die Schule mehr Verantwortung<br />
dafür trägt, für alle Jugendlichen eine Lösung<br />
im Anschluss an die obligatorische Schulzeit zu finden.<br />
Bereits heute übernehmen Lehrer die Rolle des<br />
Motivierers und Ratgebers. Wir untersuchen aktuell<br />
Bildungsaufsteiger, also Unistudierende und Uniabsolventen,<br />
deren Eltern keine oder nur eine einfache<br />
Ausbildung haben.<br />
Was haben Sie herausgefunden?<br />
Erfolgreiche Bildungsaufsteiger sagten in unseren<br />
Interviews, am meisten habe ihnen die Einstellung<br />
ihrer Lehrer und Eltern geholfen. Wenn ein Kind in<br />
seinem Glauben bestärkt wird, etwas zu schaffen,<br />
kann der Aufstieg gelingen. Wenn aber die Belastung<br />
zu hoch ist, etwa weil Konflikte oder Krankheit das<br />
Familienleben beeinträchtigen, schaffen sie den Bildungsaufstieg<br />
trotz hoher Intelligenz und Motivation<br />
nicht. Eine wichtige Massnahme für die Chancengleichheit<br />
ist, dass Lehrpersonen Kinder mit Potenzial<br />
trotz geringer familiärer Unterstützung erkennen<br />
und an sie glauben.<br />
Sie untersuchen die <strong>Berufswahl</strong> als Entscheidungsprozess<br />
der Jugendlichen. Was hilft den Jugendlichen?<br />
Wie schon gesagt, sind die Hilfe und das Vorbild der<br />
Eltern zentral. Wichtig sind auch weitere Personen<br />
im Umfeld – das können Verwandte oder Nachbarn<br />
sein –, die als berufliche Vorbilder fungieren. Sie in -<br />
spirieren mit ihrem beruflichen Engagement den<br />
jungen Menschen in seiner <strong>Berufswahl</strong> und zeigen<br />
sehr anschaulich, wie in diesem Beruf gearbeitet wird.<br />
Weniger hilfreich sind nach unseren Untersuchungen<br />
schriftliche Berufsinformationen. Jugendliche brauchen<br />
konkrete Erfahrungen. Sie wollen von Bekannten<br />
anschaulich hören, wie es ist, in einem bestimmten<br />
Beruf zu arbeiten, und wie diese das bewerten.<br />
Entscheidend sind schliesslich Schnupperlehren. So<br />
kann ein Jugendlicher überprüfen, ob der Eindruck<br />
stimmt, den er von einem Beruf hatte. Manchmal<br />
führt eine positiv verlaufene Schnupperlehre dazu,<br />
dass ein Jugendlicher einen Beruf lernt, der ursprünglich<br />
nicht sein Wunschberuf war.<br />
Welche Rolle spielen gleichaltrige Freunde und Schulkameraden?<br />
Gemäss unseren Untersuchungen sind sie nicht massgebend.<br />
Zwar geben sie sich gegenseitig Tipps, aber<br />
die Gespräche unter Gleichaltrigen führen nicht<br />
direkt zur Entscheidung.<br />
Welchen Rat geben Sie Eltern, deren Kinder in der<br />
<strong>Berufswahl</strong> sind?<br />
Der Beruf soll zum Kind passen und nicht den Ehrgeiz<br />
der Eltern befriedigen! Zufrieden ist, wer den<br />
Beruf ausübt, der zu ihm passt. Das sind auch gute<br />
Voraussetzungen dafür, um nach der Lehre beruflich<br />
weiterzukommen. Unser System bietet dazu viele<br />
Wege und Möglichkeiten.<br />
Anzeige<br />
Zur Person<br />
Markus P. Neuenschwander, Prof. Dr. habil., leitet das<br />
Zentrum Lernen und Sozialisation der Pädagogischen<br />
Hochschule Nordwestschweiz FHNW in Solothurn. Zu<br />
seinen Forschungsschwerpunkten gehören<br />
Berufsbildungsentscheidungen und der Übergang von<br />
der Schule in den Beruf. Seine Erkenntnisse basieren<br />
unter anderem auf Befragungen von Tausenden<br />
Schülern, Lernenden und jungen Berufsleuten, aber<br />
auch von Eltern, Lehrpersonen und Berufsbildnern.<br />
Wir investieren gerne in<br />
Deine Zukunft<br />
NEU Köchin EFZ<br />
+ Koch/<br />
Mach Deine Lehre bei Bell.<br />
Ob Automatiker, Fleischfachfrau, Logistiker, Informatikerin, Kaufmann<br />
oder Lebensmitteltechnologin – bei Bell stehen Dir rund 15<br />
verschiedene Berufsausbildungen zur Verfügung.<br />
Detaillierte Informationen zu den Berufsprofilen findest Du unter<br />
www.bellfoodgroup.com/future@bell<br />
www.bellfoodgroup.com<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>
Wie werde ich<br />
Feuerwehrmann<br />
oder Pilotin?<br />
Nicht jeder Beruf kann direkt nach der Sekundarschule<br />
erlernt werden. Einige der Weiterbildungsberufe erfordern<br />
Berufs- und Lebenserfahrung. Text: Stefan Michel<br />
Feuerwehrmann, Polizistin,<br />
Pilot – für viele sind<br />
das Traumberufe. Und<br />
sie haben noch eine<br />
Gemeinsamkeit: Sie<br />
sind Weiterbildungsberufe. Zwar<br />
gibt es eine formale Ausbildung,<br />
diese kann aber nicht direkt nach<br />
der Sekundarschule begonnen<br />
werden. Entweder baut sie auf<br />
einem anderen Bildungsgang auf,<br />
oder es ist eine Berufslehre und<br />
entsprechende Berufserfahrung<br />
erforderlich, um aufgenommen zu<br />
werden. Für gewisse Berufe ist<br />
eine Matura vorgeschrieben.<br />
Die Enttäuschung, dass es im<br />
Wunschberuf keine Lehre gibt, ist<br />
verständlich. Doch nun gilt es,<br />
herauszufinden, was einen >>><br />
Ich erzähle<br />
«Ich helfe gerne<br />
Menschen, die<br />
in Not sind»<br />
Lukas Stadelmann, 33, aus Frick<br />
AG, hat eine Lehre als<br />
Elektroinstallateur absolviert.<br />
Seit sechs Jahren ist er<br />
Berufsfeuerwehrmann – sein<br />
Traumberuf.<br />
«Ich wollte schon als Bub Feuerwehrmann<br />
werden. Mein Vater war<br />
bei der freiwilligen Feuerwehr. Als<br />
Bild: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
ich alt genug war, trat ich ebenfalls<br />
den Miliz-Brandbekämpfern bei.<br />
Auch während meiner Lehre als<br />
Elektroinstallateur trug ich den<br />
Berufswunsch meiner Kindheit<br />
stets in mir. Trotzdem hatte ich<br />
fünf schöne Jahre auf meinem<br />
ersten Beruf, bis ich mich bei der<br />
Berufsfeuerwehr Zürich bewarb.<br />
Ich bestand den Eignungstest und<br />
begann die anderthalb Jahre dauernde<br />
Ausbildung. Nun bin ich<br />
schon sechs Jahre Feuerwehrmann<br />
bei Schutz & Rettung. Was<br />
mir daran gefällt: erstens, Men-<br />
32
schen in Not zu helfen, und zweitens<br />
die Kameradschaft in unserer<br />
Gruppe. Nur hundertprozentige<br />
Teamplayer werden Feuerwehrleute.<br />
Ich verbringe immer 24<br />
Stunden auf der Wache und habe<br />
dann 48 Stunden frei. So habe ich<br />
viele Freitage unter der Woche, arbeite<br />
aber auch oft an Feiertagen.<br />
Die Einsätze machen den kleineren<br />
Teil der Arbeit aus, meistens<br />
pflegen wir unser Material und<br />
trainieren unser Rettungshandwerk.<br />
Nur so sind wir bereit und<br />
effizient, wenn’s brennt.»<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>33
sonst noch interessiert und<br />
welche Berufsbildung für den<br />
Traumjob besonders gern gesehen<br />
wird. Bei der Berufsfeuerwehr zum<br />
Beispiel stehen technische Berufe<br />
hoch im Kurs.<br />
Einige Weiterbildungsberufe<br />
sind sehr gefragt. Wer die entsprechende<br />
Ausbildung machen möchte,<br />
muss anspruchsvolle Eignungstests<br />
bestehen und sich gegen<br />
Hunderte Mitbewerber durchsetzen.<br />
Trotzdem sollte man nicht vorschnell<br />
aufgeben. Denn Feuer müssen<br />
auch in Zukunft gelöscht und<br />
Flugzeuge gesteuert werden.<br />
>>><br />
Der Weg zum Weiterbildungsberuf<br />
Feuerwehrmann/-frau<br />
• Ausbildung/Schule: Höhere Fachschule für<br />
Rettungsberufe Zürich; Berufsfeuerwehr des<br />
Kantons Basel-Stadt; Berufsfeuerwehr der<br />
Stadt Bern<br />
• Voraussetzungen: mindestens dreijährige<br />
Berufslehre<br />
Rettungssanitäter/-in<br />
• Ausbildung/Schule: Emergency<br />
Schulungszentrum AG, Rotkreuz und Zofingen;<br />
HF für Rettungsberufe Zürich; Medi, Zentrum für<br />
medizinische Bildung, Bern; Sirmed – Schweizer<br />
Institut für Rettungsmedizin, Nottwil<br />
• Voraussetzungen: mindestens dreijährige<br />
Berufslehre oder Matura<br />
Berufsporträt<br />
DIE KV-LEHRE<br />
FUNDIERT<br />
PRAXISNAH<br />
VIELSEITIG<br />
DIE AUSBILDUNG<br />
Bei uns sind folgende<br />
Ausbildungstypen möglich:<br />
3 Jahre Kauffrau/<br />
Kaufmann<br />
Profil B (Basis)<br />
Profil E (Erweitert)<br />
Profil M (Berufsmatura)<br />
Für die Profile E und M<br />
erwarten wir Sekundarschule<br />
A.<br />
Das Profil B erfordert gute<br />
Leistungen in der Sekundarschule<br />
B.<br />
DIE STATIONEN<br />
Während deiner Ausbildungszeit<br />
bei der kantonalen<br />
Verwaltung durchläufst<br />
du verschiedene Organisationseinheiten<br />
wie z.B.:<br />
Gerichte<br />
Berufsschulen<br />
Universität und Fachhochschulen<br />
Sozialstellen<br />
Staatsanwaltschaften<br />
Strassenverkehrsamt<br />
Finanzabteilungen<br />
DAS ANGEBOT<br />
Wir bieten dir während der<br />
Ausbildung zusätzlich:<br />
Einführungskurs<br />
Lehrlings-Events<br />
lndividuelle Standortbestimmungen<br />
Sprachaufenthalt<br />
lnterne und überbetriebliche<br />
Kurse<br />
Projekttage<br />
Lehrabschluss-Vorbereitung<br />
Kontaktadresse:<br />
Personalamt Kanton Zürich<br />
Kaufmännische Berufsbildung<br />
Walcheplatz 1, Postfach<br />
8090 Zürich<br />
Wenn dich eine breite, individuelle und vielseitige Ausbildung<br />
interessiert, freuen wir uns auf deine Bewerbung.<br />
www.zh.ch/lernende<br />
Telefon 043 259 33 58<br />
kvlernende@pa.zh.ch<br />
www.zh.ch/lernende<br />
Erfahre mehr im Video:<br />
Lernende geben einen Einblick<br />
in die Ausbildung.<br />
34 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Polizist/-in<br />
• Ausbildung/Schule: kantonale und regionale<br />
Polizeischulen<br />
• Voraussetzungen: mindestens dreijährige<br />
Be rufslehre oder Matura mit einem Jahr<br />
Erwerbstätigkeit<br />
Modedesigner/-in<br />
• Ausbildung/Schule: Modedesign-Studium an<br />
einer Hochschule für Gestaltung und Kunst<br />
• Voraussetzungen: Anforderungen der jeweiligen<br />
Hochschule, u. a. (Berufs-)Matura<br />
• oder: Berufslehre Bekleidungsgestalter/-in,<br />
danach Realisieren und Vermarkten der eigenen<br />
Kleidungsstücke und/oder Praktikum/Assistenz<br />
bei erfolgreichem Modedesigner/Modelabel<br />
Pilot/-in<br />
• Ausbildung/Schule: Swiss AviationTraining (SAT)<br />
oder Horizon Swiss Flight Academy (HSFA)<br />
• Voraussetzungen: SAT: Matura; HSFA: Einstieg<br />
mit Berufslehre möglich<br />
Kameramann/-frau<br />
• Ausbildung/Schule: z. B. tpc (Tochtergesellschaft<br />
SRF), diverse private Schulen und Kursanbieter<br />
• Voraussetzungen: Berufsmatura und Lehre in<br />
verwandtem Gebiet oder gymnasiale Matura und<br />
praktische Erfahrung auf dem Gebiet oder<br />
Fachhochschulabschluss in verwandtem Beruf<br />
(z. B. Fotografie, Grafikdesign, Journalismus)<br />
Es gibt keine eidgenössisch reglementierte<br />
Ausbildung für Kameraleute. Viele lernen den<br />
Beruf «on the job».<br />
Die Zukunft gestalten<br />
Eine Lehre in der<br />
faszinierenden Welt der Technik<br />
Berufsporträt<br />
Wie nutzen wir neue Energiequellen? Wie bauen wir sparsamere<br />
Autos? Was braucht eine moderne Stadt? Technische<br />
Berufsleute suchen ständig nach kreativen Wegen, um<br />
Antworten auf aktuelle Fragen zu finden. Eine Lehre in der<br />
Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie)<br />
bietet Jugendlichen ein sehr gutes Rüstzeug, um die Zukunft<br />
mitzugestalten.<br />
Lernende in technischen Berufen sind ständig mit anderen<br />
Berufsleuten in Kontakt. Denn neue Lösungen müssen nicht<br />
nur in der Theorie entworfen werden, es gilt auch, sie auf den<br />
Kunden abzustimmen und im Team umzusetzen.<br />
Berufe in der MEM-Industrie – Ausbildungen mit Perspektiven<br />
Welches sind die geeigneten Materialien, welche Form wählen<br />
wir? Das Wissen der MEM-Berufe ist gefragt. Und bildet die<br />
• Anlagen- und Apparatebauer/in EFZ<br />
Grundlage für vielfältige Karrieremöglichkeiten.<br />
• Automatiker/in EFZ<br />
• Automatikmonteur/in EFZ<br />
• Elektroniker/in EFZ<br />
• Informatiker/in EFZ<br />
TECMANIA<br />
• Kauffrau/Kaufmann EFZ<br />
eine Welt voller Möglichkeiten<br />
• Konstrukteurin / Konstrukteur EFZ<br />
• Polymechanikerin / Polymechaniker EFZ<br />
News aus der Welt der Technik, Ausbildungsbetriebe, Karrierewege,<br />
offene Lehrstellen, Schnupperlehren<br />
• Produktionsmechanikerin / Produktionsmechaniker EFZ<br />
• Mechanikpraktikerin / Mechanikpraktiker EBA<br />
www.tecmania.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>35
Was ist<br />
dein Weg?<br />
Lehre oder Gymi, Büro oder Baustelle, Coiffeuse oder Krankenpflege?<br />
Welche Richtung Jugendliche nach dem neunten Schuljahr<br />
einschlagen, ist für die persönliche Zukunft nicht entscheidend.<br />
Viel wichtiger ist es, die Ausbildung zu wählen, die zu einem passt.<br />
Text: Stefan Michel Bilder: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
Zur Auswahl stehen<br />
2620 verschiedene<br />
Berufslehren und ein<br />
Dutzend Maturatypen.<br />
Zusammengefasst<br />
werden sie in die berufliche<br />
Grundbildung und allgemeinbildende<br />
Schulen. Die Lehre ist der<br />
direkte Weg ins Berufsleben,<br />
wobei auch hier die Berufsschule<br />
ein wichtiger Pfeiler bleibt. Dank<br />
der guten Schulbildung während<br />
der Lehre bleibt der Weg zu höherer<br />
Qualifikation und zum Studium<br />
offen. Dafür ist aber ein zu <br />
sätzlicher Effort nötig, sei es für<br />
die Berufsmatura (während oder<br />
nach der Lehre) oder danach für<br />
die Passerelle, die den Zugang an<br />
die Universität öffnet. >>><br />
Ich erzähle<br />
«Es ist schön,<br />
wenn ein<br />
Kleidungsstück<br />
zur Kundin passt»<br />
Klarissa Tschupp, 18, aus Brugg<br />
AG, absolviert eine Lehre als<br />
Bekleidungsgestalterin. Später<br />
möchte sie Schnitttechnikerin<br />
werden.<br />
«Ich nähe schon lange gern, und<br />
das textile Werken in der Schule<br />
mochte ich auch. Trotzdem interessierte<br />
ich mich auch für andere<br />
Berufe. Es gefiel mir aber in keiner<br />
Schnupperlehre so gut wie in jener<br />
im Schneideratelier. Ich mache die<br />
Lehre in einem Haute-Couture-<br />
Atelier. Das ist die Ausnahme. Die<br />
meisten lernen Bekleidungsgestal-<br />
terin in einem Lehratelier. Mir<br />
gefällt es, am Abend zu sehen, was<br />
ich gemacht habe. Am schönsten<br />
ist es, zu erleben, dass das Kleidungsstück<br />
zur Kundin passt und<br />
sich diese darüber freut. Es sind<br />
nicht viele, die es sich leisten, Kleider<br />
in einem Atelier anfertigen zu<br />
lassen. Wenn ich das Geld hätte,<br />
würde ich es tun. Im Atelier arbeite<br />
ich nach Schnittmuster. In der<br />
Berufsschule lernen wir das Modezeichnen<br />
und können kreativ sein.<br />
Bis jetzt habe ich einen Jupe ganz<br />
nach meiner eigenen Idee genäht.<br />
Nach der Lehre bilde ich mich vielleicht<br />
zur Schnitttechnikerin weiter,<br />
denn Schnittmuster zu zeichnen<br />
liebe ich. Wie jede Schneiderin<br />
träume ich davon, meine eigenen<br />
Kreationen umzusetzen und davon<br />
zu leben.»<br />
36
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>37
Ich erzähle<br />
«Ich will Grafiker<br />
werden»<br />
Lou Diethelm, 16, aus Zürich,<br />
besucht den gestalterischen<br />
Vorkurs an der Berufsschule<br />
für Gestaltung und ist intensiv<br />
auf Lehrstellensuche. Die vielen<br />
Mitbewerber schrecken ihn<br />
nicht ab.<br />
«Ich besuche den gestalterischen<br />
Vorkurs an der Berufsschule für<br />
Gestaltung Zürich. Ich will unbe-<br />
38 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
dingt Grafiker werden! Mir gefällt<br />
es sehr. Ich lerne neue Zeichentechniken,<br />
Typografie, Fotografie,<br />
den Umgang mit grafischen Computerprogrammen<br />
und Sprachgestaltung.<br />
Jeden Tag kommt etwas<br />
dazu. In der Klasse haben wir es<br />
super. Wir alle haben Freude am<br />
Gestalten, das verbindet. Ich bin<br />
noch nie so gerne zur Schule<br />
gegangen wie jetzt. Der Vorkurs<br />
hat meinen Horizont erweitert.<br />
Nun bin ich intensiv auf Lehrstellensuche.<br />
Eigene Arbeiten und eine<br />
kreative Bewerbung sind heute<br />
sehr wichtig. Ich habe extra einen<br />
Gegenstand hergestellt, der auffallen<br />
soll und auf meine Online-<br />
Bewerbung verweist. Darauf habe<br />
ich gute Feedbacks erhalten. Ich<br />
konnte mich schon bei verschiedenen<br />
Agenturen vorstellen und Probe<br />
arbeiten. Viele kreative Leute<br />
haben sich Zeit für mich genommen,<br />
dafür bin ich dankbar. Dass<br />
ich extrem viele Mitbewerber habe,<br />
belastet mich nicht. Ich will eine<br />
Lehre als Grafiker machen, und das<br />
werde ich auch schaffen.»<br />
>>> Das Gymnasium ist der<br />
Weg für jene, die gerne und gut<br />
lernen, die sich mit Büchern wohlfühlen.<br />
Klar ist auch nichts dagegen<br />
einzuwenden, in die Mittelschule<br />
einzutreten, weil man sich<br />
für keine Lehre entscheiden konnte.<br />
Falsch ist hingegen die Ansicht,<br />
nur mit der gymnasialen Matura<br />
habe man die Chance auf Karriere<br />
und gutes Einkommen. >>><br />
Das Gymnasium ist der<br />
Weg für jene, die gerne<br />
und gut lernen.<br />
Die duale Berufslehre<br />
• ist eine bezahlte praktische und<br />
theoretische Ausbildung im Betrieb<br />
und in der Berufsschule,<br />
• dauert 2 bis 3 Jahre (Eidgenössisches<br />
Berufsattest, EBA) oder 3 bis<br />
4 Jahre (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis<br />
EFZ),<br />
• vermittelt den Jugendlichen die<br />
aktuellen fachlichen Kenntnisse, die<br />
in ihrer jeweiligen Branche gefragt<br />
sind,<br />
• ist erst der Anfang, denn sie<br />
ermöglicht diverse Weiterbildungen:<br />
– berufsspezifische (Diplom-)<br />
Lehrgänge<br />
– Berufsmatura und danach<br />
Studium an einer Fachhochschule<br />
– Berufsmatura, Passerelle<br />
und danach Studium an einer<br />
Universität oder der ETH,<br />
• ist einer der Gründe für die tiefe<br />
Jugendarbeitslosigkeit in der<br />
Schweiz.<br />
Was tun im Zwischenjahr?<br />
10. Schuljahr/Brückenangebote<br />
• <strong>Berufswahl</strong> vertiefen, herausfinden,<br />
wohin man will, eventuell Defizite<br />
aufarbeiten<br />
• Beratung und Unterstützung in der<br />
Lehrstellensuche<br />
• Fachliche Vorbereitung auf eine<br />
Lehre in Branchen wie:<br />
– Informatik<br />
– Handel, Verwaltung und Verkehr<br />
– Soziales, Pädagogik und Medizin<br />
– Technik<br />
• Vorbereitung auf die Mittelschule<br />
• Diverse Angebote in allen Kantonen<br />
und vielen Gemeinden<br />
Sprachaufenthalt<br />
• Als Au-pair in einer Familie<br />
mithelfen<br />
• 10. Schuljahr in einer anderen<br />
Sprachregion der Schweiz<br />
• Auslandaufenthalt mit Besuch einer<br />
Sprachschule und/oder Praktikum<br />
Praktikum<br />
• Erfahrung sammeln und<br />
herausfinden, ob der Wunschberuf<br />
wirklich der richtige ist.<br />
• Verbreitet und etabliert sind<br />
Praktika im Gesundheits- und<br />
Betreuungswesen.<br />
• Banken, Versicherungen und<br />
Industrieunternehmen bieten oft<br />
Trainee-Programme für junge<br />
Berufseinsteiger und Interessierte.<br />
• Dauer: Sinnvoll sind 2 bis 6 Monate.<br />
Bei ganzjährigen Praktika ist zu<br />
beachten, dass Zeit für die<br />
Lehrstellensuche bleiben sollte.<br />
• Auch in der Freiwilligenarbeit sind<br />
wertvolle Erfahrungen zu gewinnen.<br />
• Wichtig: Immer ein Praktikumszeugnis<br />
oder wenigstens eine<br />
Bestätigung für den Arbeitseinsatz<br />
verlangen.<br />
Gestalterischer Vorkurs<br />
• Einjähriges Vollzeitstudium zur<br />
Vorbereitung auf eine Lehre im<br />
kreativen Bereich (Grafiker,<br />
Fotograf, Interactive Media Designer<br />
usw.)<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>39
Ich erzähle<br />
«Psychologie<br />
ist mein<br />
Lieblingsfach»<br />
Sira Gilg, 18, aus Mollis GL,<br />
möchte Primarlehrerin werden.<br />
Die Fachmittelschülerin<br />
Pädagogik durfte bereits<br />
Probelektionen halten und ist<br />
überzeugt: Das ist mein<br />
Traumberuf.<br />
«Ich weiss schon lange, was ich<br />
werden will: Primarlehrerin. Die<br />
Fachmittelschule ist mein Weg<br />
dorthin. Neben den üblichen Gymifächern<br />
haben wir solche, die uns<br />
auf die Pädagogische Hochschule<br />
und den Lehrerberuf vorbereiten,<br />
etwa Psychologie. Das ist mein<br />
Lieblingsfach, ich finde es megaspannend.<br />
Ich absolvierte schon<br />
ein dreiwöchiges Praktikum an<br />
einer Schule, wo ich viel machen<br />
durfte: Ich hielt Englischlektionen,<br />
eine Turnstunde, die ich selber vorbereitet<br />
hatte, und half Aufgaben zu<br />
korrigieren. Ich bin mir deshalb<br />
umso sicherer, dass Primarlehrerin<br />
mein Traumberuf ist. Natürlich<br />
lerne ich in der Schule auch Dinge,<br />
die ich als Primarlehrerin sicher<br />
nicht vermitteln werde, Trigonometrie<br />
zum Beispiel. Aber es wird halt<br />
erwartet, dass wir ein breites Allgemeinwissen<br />
haben. Schon bald ist<br />
die Schulzeit vorbei, im Sommer<br />
haben wir die Maturaprüfungen. Ich<br />
freue mich auf den nächsten<br />
Schritt, das Studium an der Pädagogischen<br />
Hochschule. Aber ich<br />
werde die Schule, meine Klasse und<br />
die coolen Lehrer vermissen.»<br />
>>> Eine interessante Alternative<br />
sind Fachmittelschulen. Sie<br />
führen die Schüler an die höhere<br />
Berufsbildung oder ein bestimmtes<br />
Studium heran: Gesundheit,<br />
Soziale Arbeit, Pädagogik, Kommunikation<br />
und Information,<br />
Gestaltung und Kunst, Musik und<br />
Theater, Angewandte Psychologie.<br />
Die Fachmittelschulen dauern drei<br />
Jahre und damit ein Jahr weniger<br />
lang als die Mittelschule in den<br />
meisten Kantonen.<br />
Das zehnte Schuljahr, Praktika,<br />
Sprachaufenthalte, Au-pair- oder<br />
Sozialeinsätze können für gewisse<br />
Jugendliche der richtige Zwischenschritt<br />
sein, bevor sie sich für eine<br />
Berufslehre oder eine Maturitätsschule<br />
entscheiden. Kein Abschluss<br />
ohne Anschluss, das ist die Losung<br />
des schweizerischen Bildungswesens.<br />
Solange man sich weiterbildet,<br />
stehen einem (fast) alle Möglichkeiten<br />
offen.<br />
>>><br />
40 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Welcher Beruf passt zu mir?<br />
Partygänger<br />
Gamer<br />
Modefreak<br />
Musiker<br />
Sportler<br />
• Veranstaltungsfachmann/-frau EFZ<br />
• Informatiker/-in EFZ,<br />
Informatikpraktiker/-in EBA<br />
• Interactive Media Designer EFZ<br />
• Polygraf/-in EFZ<br />
• Bekleidungsgestalter/-in EFZ,<br />
Bekleidungsnäher/-in EBA<br />
• Detailhandelsfachmann/-frau EFZ/EBA<br />
Textil<br />
• Textiltechnologe/-in EFZ<br />
• Detailhandelsfachmann/-frau<br />
Musikinstrumente EFZ<br />
• Musikinstrumentenbauer/-in EFZ (Geige,<br />
Gitarre, Orgel, Blasinstrument, Klavier)<br />
• Fachmann/-frau Bewegungs-/<br />
Gesundheitsförderung EFZ<br />
• Detailhandelsfachmann/-frau EFZ,<br />
-assistent/-in EBA Sportartikel<br />
Kreative<br />
Tierfreund<br />
• Grafiker/-in EFZ<br />
• Interactive Media Designer EFZ<br />
• Polydesigner/-in 3D EFZ<br />
• Polygraf/-in EFZ<br />
• Gestalter/-in Werbetechnik EFZ<br />
• Theatermaler/-in EFZ<br />
• Holzbildhauer/-in EFZ<br />
• Goldschmied/-in EFZ<br />
• Glasmaler/-in EFZ<br />
• Graveur/-in EFZ<br />
• Keramiker/-in EFZ<br />
• Detailhändler/-in Zoofachhandel EFZ/EBA<br />
• Pferdefachmann/-frau EFZ, Pferdewart/-in<br />
EBA<br />
• Tiermedizinische/-r Praxisassistent/-in EFZ<br />
• Tierpfleger/-in EFZ<br />
• Zoologischer Präparator/-in<br />
Achtung. Fertig. Lehre.<br />
KV? IT? Wir bieten beides an.<br />
Hast du Freude am Umgang mit Menschen? Oder reizt dich die Computerwelt? Und besuchst du die höchste<br />
Volksschulstufe?<br />
Dann werde Teil unseres Nachwuchses und gestalte unsere Zukunft mit. Wir bieten dir:<br />
• Kaufmännische Banklehre • IT-Lehre Typ Systemtechnik • IT-Lehre Typ Applikationsentwicklung<br />
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© UBS <strong>2017</strong>. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>41<br />
INCL000<strong>05</strong>916035_Advert_178x115mm_V1.indd 2 10-04-<strong>2017</strong> 19:06:36
«Der Online-Eindruck zählt»<br />
3 Fragen<br />
an Urs Casty, Gründer und Inhaber der Lehrstellen-Plattform yousty.ch.<br />
Lehrstellensuchende nutzen Online-Medien intensiv. Das ist sinnvoll,<br />
sie sollten aber auf gewisse Dinge achten. Interview: Stefan Michel<br />
«Mit yousty haben<br />
Lehrstellensuchende<br />
ihre Bewerbungen<br />
stets im Überblick.»<br />
Urs Casty ist Gründer und Inhaber der Lehrstellen-Plattform<br />
yousty.ch. <strong>Spezial</strong>ität von yousty.ch sind kurze Videoclips, in<br />
denen Lernende ihren Beruf und ihren Lehrbetrieb vorstellen.<br />
Die Lehrstellensuchenden können auf der Online-Plattform<br />
ein Profil von sich anlegen und ihre Bewerbungen verwalten.<br />
Herr Casty, wie gut lässt sich ein<br />
Lehrbetrieb aufgrund seiner Web-<br />
Präsenz einschätzen?<br />
Der Online-Auftritt einer Firma<br />
ist ein erster Einblick für Lehrstellensuchende.<br />
Es ist also extrem<br />
wichtig, wie sich die Firma hier<br />
präsentiert. Meiner Meinung nach<br />
sollten alle Lehrbetriebe einen<br />
Effort machen, die Web-Präsenz<br />
zu perfektionieren, da es eine gros-<br />
Berufsporträt<br />
Berufsporträt<br />
Die Lehre mit der grossen Portion Abwechslung<br />
Du kochst gerne? Du magst aber auch die<br />
Arbeit im Büro? Dir liegt das Organisieren und<br />
Planen und du liebst den Kundenkontakt?<br />
Marché ® Restaurants und Cindy’s Diner bieten<br />
seit 2013 neu schweizweit die Lehre Systemgastronomie<br />
an.<br />
Facts zur Lehre:<br />
Die Lehre dauert drei Jahre. Im Vergleich zur klassischen<br />
Gastronomieausbildung sind die Grenzen zwischen Küche,<br />
Restaurant und Administration fliessend. Neben der<br />
Arbeit im Küchenbereich und der Betreuung der Gäste<br />
werden auch kaufmännische Tätigkeiten in den Arbeitsalltag<br />
integriert. Du erhältst während der Ausbildung Einblick<br />
in die Organisation, Planung und Führung eines Systemgastronomiebetriebes.<br />
Und danach?<br />
Nach dem Abschluss bist du Gastronomieallrounder und<br />
gerüstet für eine Karriere in der Systemgastronomie.<br />
Melde dich!<br />
Marché Restaurants Schweiz AG<br />
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Telefon: +41 43 255 85 12, Mail: frische.lehre@marche-restaurants.ch<br />
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Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
se Chance ist, die Jugend optimal<br />
anzusprechen und zu informieren.<br />
Worauf sollen Jugendliche achten,<br />
wenn sie sich online Lehrbetrieben<br />
vorstellen? Was sollte unbedingt<br />
vermieden werden?<br />
Die Online-Bewerbung läuft<br />
Gefahr, als zu wenig persönlich<br />
und individuell gewertet zu werden.<br />
Dennoch bevorzugt unterdessen<br />
die Mehrheit der Unternehmen<br />
die digitale Bewerbung.<br />
Deshalb ist es umso wichtiger, dass<br />
sie kreativ und auf das Unternehmen<br />
personalisiert geschrieben<br />
wird. Unbedingt vermeiden sollte<br />
man Massenbewerbungen, die mit<br />
Formalitäten und Floskeln gefüllt<br />
werden.<br />
Können private, für Freunde<br />
bestimmte Posts auf Facebook, Instagram<br />
und Co. Lehrstellensuchende<br />
um ihre Chance bringen?<br />
Wir geben den Jugendlichen stets<br />
mit, dass das Internet nie vergisst.<br />
Sie sollen also unbedingt darauf<br />
achten, in welchen Bildern und<br />
Posts sie markiert werden und was<br />
sie selbst von sich preisgeben. Man<br />
hört immer mehr, dass sich ausbildende<br />
Firmen über die Kandidaten<br />
informieren und dabei auch private<br />
Posts anschauen. Sicherlich wird<br />
ein Bild, auf dem man mit Freunden<br />
feiert, einen nicht die Lehrstelle<br />
kosten. Trotzdem ist hier Vorsicht<br />
geboten.<br />
yousty.ch<br />
Auf der privaten Online-Lehrstellen-Plattform<br />
sind zwischen 17 000 und 23 000 offene<br />
Lehrstellen und gegen 80 000 Schnupperlehren<br />
zu finden. Die Plattform vereint die offiziellen<br />
Lehrstellennachweise der Kantone und Einblicke<br />
in die Firmen, welche die Ausbildungsplätze<br />
anbieten. <strong>Spezial</strong>ität von yousty.ch sind kurze<br />
Videoclips, in denen Lernende ihren Beruf und<br />
ihren Lehrbetrieb vorstellen. Firmen, die<br />
Lernende suchen, präsentieren sich auf<br />
yousty.ch, Berufsverbände werben für ihr Metier.<br />
Die Lehrstellensuchenden können auf der<br />
Online-Plattform ein Profil von sich, ihren<br />
Fähigkeiten und Interessen anlegen und ihre<br />
Bewerbungen online verwalten. Für die<br />
Jugendlichen ist yousty.ch gratis, Firmen<br />
schreiben Lehrstellen kostenlos aus. Einzig die<br />
interaktiven Firmen porträts sind kostenpflichtig.<br />
Berufsporträt<br />
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AUF DEM BAU!<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>43
Pflege und Betreuung:<br />
mit Menschen arbeiten<br />
Kranke pflegen und Menschen betreuen ist beliebt, und die Lehrstellen<br />
Fachfrau/-mann Gesundheit und Fachfrau/-mann Betreuung sind sehr<br />
gesucht. Trotzdem zeichnet sich ein Mangel an Fachkräften ab.<br />
Text: Stefan Michel Bilder: Roshan Adhihetty / 13 Photo<br />
Ich erzähle<br />
«Alte Menschen<br />
faszinieren mich»<br />
Ronja Schmid, 19, aus Herisau<br />
AR, lässt sich zur Fachfrau<br />
Betreuung Betagte ausbilden.<br />
Sie ist im 2. Lehrjahr und kann<br />
jetzt auch mit belastenden<br />
Situationen gut umgehen.<br />
«Ich habe ein Herz für alte Leute.<br />
Ich finde es interessant, wenn sie<br />
von früher erzählen, und ich will sie<br />
unterstützen in der Lebenszeit, die<br />
sie noch haben. Ich machte das<br />
zehnte Schuljahr und ein Praktikum<br />
in einer Institution für Behinderte.<br />
Ich habe es mir gut überlegt,<br />
ob ich das schaffe. Mit 16 war ich<br />
noch nicht so weit, mit 18 fühlte ich<br />
mich bereit für die Lehre. Es gibt<br />
viele belastende Situationen, zum<br />
Beispiel, wenn eine Bewohnerin<br />
stirbt oder mit Exit sterben will.<br />
Am Anfang hatte ich Mühe damit,<br />
aber ich habe gelernt, mich abzugrenzen.<br />
Meine Berufsbildnerin<br />
und meine Eltern halfen mir, die<br />
Eindrücke zu verarbeiten. Die positiven<br />
Seiten überwiegen ganz klar:<br />
Menschen Gutes tun zu können,<br />
die Zusammenarbeit im Team, das<br />
Vertrauen, das mir als Lernender<br />
entgegengebracht wird. Später<br />
würde ich gerne Sozialpädagogik<br />
studieren. Die Arbeit mit Jugendlichen<br />
interessiert mich auch. Aber<br />
vorerst bin ich glücklich hier. Als<br />
ich einmal einen Monat lang nicht<br />
in der Pflege arbeitete, freute ich<br />
mich richtig auf unsere Bewohner.»<br />
44 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>45
«Wenn ich sehe, dass jemand<br />
wieder lachen, laufen oder<br />
selber essen kann, dann bin<br />
ich glücklich.»<br />
Schaut man sich unter<br />
Jugendlichen um, könnte<br />
leicht der Eindruck<br />
entstehen, sie interessierten<br />
sich ausschliesslich<br />
für digitale Endgeräte. Doch<br />
weit gefehlt: Platz drei auf der<br />
Beliebtheitsrangliste der Lehrberufe<br />
ist die Ausbildung zur Fachperson<br />
Gesundheit (FaGe), gefolgt<br />
von der Fachperson Betreuung<br />
(FaBe).<br />
FaGe ist die berufliche Grundbildung,<br />
die nach der Sekundarschule<br />
begonnen werden kann.<br />
Ihre direkten Vorgesetzten sind<br />
diplomierte Pflegefachkräfte, die<br />
an einer Höheren Fachschule ausgebildet<br />
wurden. Ähnlich ist das<br />
Verhältnis zwischen den FaBe und<br />
den Menschen mit einer sozialpädagogischen<br />
Ausbildung. Doch beide<br />
Lehrberufe erfordern viel Einfühlungsvermögen<br />
und einen<br />
festen Charakter. Ihr Gegenüber<br />
bei der Arbeit sind stets Menschen,<br />
die auf sie angewiesen sind. >>><br />
Ich erzähle<br />
«Ich habe schon<br />
immer gerne<br />
geholfen»<br />
Fetije Elshani, 20, aus<br />
Hornussen AG, absolviert das<br />
3. Lehrjahr als Fachfrau<br />
Gesundheit. Sie findet: Die<br />
Pflege ist nur etwas für starke,<br />
kluge und mitfühlende<br />
Menschen.<br />
«Fachfrau Gesundheit, abgekürzt<br />
FaGe, war meine erste Wahl. Ich<br />
war eine gute Realschülerin und<br />
habe mich in der Schnupperlehre<br />
so gut angestellt, dass ich die Lehrstelle<br />
erhalten habe. Allerdings<br />
zuerst die EBA-Lehre zur Assistentin<br />
Gesundheit und Soziales. Mit 15<br />
unterschätzt man den Beruf, aber<br />
mir wurde in den zwei Jahren noch<br />
klarer, dass das mein Weg ist. Ich<br />
habe immer gerne geholfen, zum<br />
Beispiel meiner pflegebedürftigen<br />
Grossmutter. Die Pflege ist etwas<br />
für starke, kluge und mitfühlende<br />
Menschen. Wenn ich sehe, dass<br />
jemand wieder lachen, laufen oder<br />
auch nur selber essen kann, dann<br />
bin ich glücklich. Jetzt bin ich im<br />
dritten Lehrjahr zur FaGe. Danach<br />
werde ich erst mal arbeiten. Aber<br />
ich will auch weiterkommen. Ich<br />
bin eine ehrgeizige Person, und<br />
man hat hier immer Leute um sich,<br />
die besser ausgebildet sind. Die<br />
Höhere Fachschule möchte ich<br />
machen, um diplomierte Pflegefachfrau<br />
zu werden. Und dann?<br />
Vielleicht Anästhesie? Mit meinem<br />
Beruf bin ich jetzt schon glücklich,<br />
und es passiert noch viel im<br />
Leben.»<br />
46 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>47
Ich erzähle<br />
«Die Freude der<br />
Kinder ist das<br />
Schönste an<br />
meinem Beruf»<br />
Quirin Schnyder, 18, aus Horriwil<br />
SO, ist im 2. Lehrjahr als<br />
Fachmann Betreuung Kinder.<br />
Er übernimmt gerne<br />
Verantwortung und liebt es,<br />
täglich draussen zu sein.<br />
«Ich verspürte schon lange den<br />
Wunsch, mit Kindern zu arbeiten.<br />
Ich habe drei jüngere Geschwister,<br />
die ich oft hütete. Und ich besuchte<br />
eine Schule, in der alle Klassen,<br />
von der ersten bis zur neunten,<br />
gemischt waren. Auch da machte<br />
ich viel mit den Kleinsten. Nachdem<br />
ich in meinem jetzigen Lehrbetrieb<br />
geschnuppert hatte, wusste<br />
ich: Hier will ich die Lehre<br />
machen. Mir gefielen das Betreuen<br />
der Kinder, die Atmosphäre im<br />
Team und auch, dass es eine naturpädagogische<br />
Kindertagesstätte<br />
ist. Wir sind täglich draussen, bei<br />
jedem Wetter, wir kochen vegetarisch,<br />
all das entspricht mir sehr.<br />
Zuerst war ich ein Jahr lang Praktikant.<br />
Schon da konnte ich eigene<br />
Ideen mit den Kindern umsetzen.<br />
Jetzt, im zweiten Lehrjahr, kann ich<br />
mehr Verantwortung übernehmen<br />
und Projekte fachgerecht durchführen.<br />
Zum Beispiel habe ich im<br />
Garten ein Zwergenhaus gebaut, in<br />
das die Kinder hineinkönnen. Sie<br />
sagen zwar nicht immer Danke,<br />
aber man sieht ihnen an, wenn sie<br />
Freude haben, und das ist das<br />
Schönste an meinem Beruf.»<br />
48 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Sowohl FaBe als auch<br />
FaGe sind ge fragte Arbeitskräfte,<br />
und es zeichnet sich ein grosser<br />
Mangel ab: Die Gesundheitsdirektorenkonferenz<br />
rechnet damit, dass<br />
bis 2025 rund 40 000 zusätzliche<br />
Pflegefachkräfte gebraucht werden,<br />
also 20 Prozent mehr als heute. Die<br />
Dachorganisation Savoirsocial geht<br />
sogar von 50000 zusätzlich benötigten<br />
Arbeitskräften in der Betreuung<br />
aus, einem Zuwachs von 50<br />
Prozent. Die Lehrstellen sind nicht<br />
leicht zu erhalten. Doch wer den<br />
Abschluss in der Tasche hat, dürfte<br />
keine Mühe haben, eine Stelle zu<br />
finden.<br />
>>><br />
Praktikum statt Lehrstelle<br />
Alle anerkannten Berufslehren in der Schweiz sind so<br />
aufgebaut, dass man sie nach dem 9. Schuljahr beginnen<br />
kann. Doch viele Betreuungseinrichtungen, vor allem jene<br />
für Kinder, verlangen von den Lehrstellensuchenden, dass<br />
sie vorgängig ein Praktikum von einem halben bis zu<br />
mehreren Jahren absolvieren. Diese wehren sich nicht, in<br />
der Hoffnung, die Lehrstelle zu erhalten. Die Jugendlichen<br />
rechtfertigen das Praktikum als Möglichkeit, Erfahrung zu<br />
sammeln und herauszufinden, ob der Beruf der richtige für<br />
sie sei. So verrichten sie Arbeit, ohne dass sie ausgebildet<br />
werden, sie gehen nicht zur Schule und können sich kaum<br />
um andere Lehrstellen bemühen, weil sie Vollzeit arbeiten –<br />
und das zum Bruchteil des Lohns, den selbst ungelernte<br />
Festangestellte für die gleiche Arbeit erhalten würden.<br />
Savoirsocial, der Verband der Betreuungsberufe, ruft die<br />
Betriebe auf, Lehrstellensuchende direkt nach der Schule<br />
einzustellen. Damit würden aber die Betreuungskosten<br />
weiter steigen. Aktuell tragen die jungen Praktikanten<br />
die Kosten, indem sie praktisch umsonst arbeiten.<br />
LORYS, LERNENDER DETAILHANDELSFACHMANN<br />
ICH HABE DAS ZIEL IMMER VOR AUGEN.<br />
WIR ERREICHEN ES GEMEINSAM.<br />
Lidl lohnt sich – auch für unsere Lernenden: Angefangen bei einem tollen Team und einer einmaligen<br />
Betreuung bis hin zu besten Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten bietet Lidl vielfältige Chancen für<br />
gemeinsames Wachstum.<br />
Lehrstellen auf www.lidl.ch/lehre<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>49
Die <strong>Berufswahl</strong> bei Jugendlichen<br />
mit besonderen Bedürfnissen<br />
Für Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder anderen<br />
Beeinträchtigungen ist der Übergang von der Schule ins Berufsleben eine ganz<br />
besondere Herausforderung. Glücklicherweise stehen heute eine Reihe von Angeboten<br />
und Massnahmen zur Verfügung. Text: Claudia Schellenberg und Annette Krauss<br />
Bei Jugendlichen mit<br />
besonderen Bedürfnissen<br />
spielen Eltern<br />
bei der <strong>Berufswahl</strong><br />
eine zentrale Rolle. Sie<br />
und die Jugendlichen werden von<br />
einem Netzwerk von Fachpersonen<br />
unterstützt, welches sich insbesondere<br />
an Sonderschulen im<br />
Rahmen der Förderplanung gut<br />
eingespielt hat. An der <strong>Berufswahl</strong><br />
der Jugendlichen beteiligen sich<br />
Lehrpersonen, die Berufs- und<br />
Laufbahnberatung und oft auch<br />
die Invalidenversicherung (IV).<br />
Immer öfter sind zudem schulische<br />
Heilpädagoginnen/-pädagogen<br />
bei Aufgaben rund um die<br />
<strong>Berufswahl</strong> eingebunden. Ziel ist<br />
es, die Jugendlichen zu einer realistischen<br />
Einschätzung der eigenen<br />
beruflichen Möglichkeiten zu<br />
führen. Das Schnuppern spielt in<br />
diesem Zusammenhang eine grosse<br />
Rolle, da die eigenen Stärken<br />
und Schwächen beim direkten<br />
Erleben des Berufes erfahren werden<br />
können.<br />
sung»: Zur Wahl stehen Brückenangebote<br />
wie Motivationssemester<br />
oder Berufsvorbereitungsjahre, in<br />
welchen persönliche Stärken gefestigt<br />
werden. Für Kinder und<br />
Jugendliche aus der Sonderschulung,<br />
welche noch nicht für eine<br />
Ausbildung auf Sekundarstufe II<br />
oder eine Arbeitsstelle bereit sind,<br />
gibt es das Angebot Sonderschulung<br />
15plus, in welchem intensiv<br />
an der <strong>Berufswahl</strong> weitergearbeitet<br />
wird.<br />
Das Schweizer Bildungssystem<br />
bietet nach der obligatorischen<br />
Schulzeit abgestufte Ausbildungsmöglichkeiten<br />
auf Sekundarstufe<br />
II: Neben der anforderungs reichen<br />
drei- bis vierjährigen beruflichen<br />
Grundbildung mit eidgenössischem<br />
Fähigkeitszeugnis (EFZ)<br />
richtet sich die zweijährige berufliche<br />
Grundbildung mit eidgenössischem<br />
Berufsattest (EBA) an<br />
vorwiegend praktisch veranlagte<br />
Jugendliche.<br />
Weiter gibt es die praktische<br />
Ausbildung nach INSOS (PrA):<br />
Diese ist eine Weiterentwicklung<br />
der IV-Anlehre und soll nach<br />
Abschluss eine bessere Anschlussfähigkeit<br />
an eine EBA-Ausbildung<br />
gewährleisten. Voraussetzung für<br />
den Beginn einer PrA ist meist<br />
Verschiedene Wege von der<br />
Schule in den Beruf<br />
Fast ein Drittel der Jugendlichen<br />
absolviert nach Schulabschluss<br />
eine sogenannte «Zwischenlöeine<br />
Verfügung der Invalidenversicherung<br />
für eine berufliche<br />
Massnahme.<br />
Alle Ausbildungsgänge können<br />
grundsätzlich im ersten Arbeitsmarkt<br />
als auch an einem geschützten<br />
Arbeitsplatz absolviert werden.<br />
Geschützt bedeutet, dass in<br />
diesen Ausbildungsinstitutionen<br />
ausschliesslich Jugendliche mit<br />
einer Beeinträchtigung ausgebildet<br />
werden.<br />
Vielfältige<br />
Unterstützungsangebote<br />
Je nach Beeinträchtigung der<br />
Jugendlichen sind angepasste Ausbildungs-<br />
und Finanzierungsformen,<br />
Begleitung und Coaching<br />
nötig, um einen Ausbildungsplatz<br />
zu erhalten. In der zweijährigen<br />
beruflichen Grundbildung mit<br />
Berufsattest (EBA) haben die Lernenden<br />
Anrecht auf eine fachkundige<br />
individuelle Begleitung (FiB).<br />
Dort erhalten die Lernenden meist<br />
durch den speziell dafür geschulten<br />
Berufsfachschullehrer Unterstützung<br />
und Lernbegleitung.<br />
Erhält der Jugendliche eine<br />
Verfügung durch die Invalidenversicherung,<br />
kann bei einer Ausbildung<br />
im ersten Arbeitsmarkt<br />
eine spezielle Begleitung durch<br />
50 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
einen Job-Coach angefordert werden.<br />
Dieser berät Arbeitgebende<br />
bei Arbeitsplatzanpassungen,<br />
begleitet den Jugendlichen in der<br />
Berufsfachschule oder vermittelt<br />
bei Konflikten. Dieses Modell<br />
heisst Supported Education und<br />
ist gemäss Studienergebnissen<br />
erfolgreich (Hofmann, Schaub &<br />
Häfeli, 2013).<br />
Bei besonders herausfordernden<br />
Situationen, in denen Jugendliche<br />
mit Problemen in mehreren<br />
Lebensbereichen konfrontiert<br />
sind und der Abschluss einer<br />
beruflichen Grundbildung da -<br />
durch gefährdet ist, kann das kantonale<br />
Unterstützungsangebot<br />
Case Management Berufsbildung<br />
helfen.<br />
Jugendliche mit besonderem<br />
Förderbedarf können auch EFZ-<br />
Berufslehren oder weiterführende<br />
schulische Ausbildungen (Gymnasium,<br />
Studium) absolvieren.<br />
Auch hier gibt es unterstützende<br />
Angebote wie den Nachteilsausgleich.<br />
Dieser wird auf allen Bildungsstufen<br />
eingesetzt und soll<br />
Jugendlichen mit Teilleistungsschwächen<br />
faire Chancen für<br />
einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss<br />
eröffnen.<br />
Eine aktuelle Studie (Schellenberg<br />
et al., <strong>2017</strong>) zeigt, dass der<br />
häufigste Grund für einen Nachteilsausgleich<br />
Lese-Rechtschreib-<br />
Schwäche ist. Fast die Hälfte der<br />
gesprochenen Massnahmen be -<br />
treffen zeitliche Modifikationen<br />
(z. B. Zeitzuschlag bei Prüfungen).<br />
Zur Person<br />
Claudia Schellenberg (links), Dr. phil., Psychologin<br />
und Berufs- und Laufbahnberaterin, und Annette<br />
Krauss, M. Sc., Psychologin, arbeiten an der<br />
Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik HfH<br />
im Forschungsschwerpunkt «Erschwerter Übergang<br />
Schule – Erwerbsleben».<br />
Die Ausbildung ist für<br />
mich abwechslungsreich,<br />
ich spiele und spaziere<br />
mit den Senioren und<br />
erfahre dabei Spannendes<br />
aus ihrem Leben.<br />
Olivia, 2. Lehrjahr, Praktische<br />
Ausbildung Seniorenbetreuung<br />
Praktische Ausbildung<br />
Seniorenbetreuung<br />
www.ibk-berufsbildung.ch
Abbruch und Neustart<br />
Am Computer tun wir es immer wieder: abbrechen und neu starten. Wenn es gar nicht mehr<br />
passt, kann auch in der Ausbildung ein Neuanfang die beste Option sein – eine Krisensituation<br />
ist der Lehr- oder Mittelschulabbruch für die meisten trotzdem. Text: Stefan Michel<br />
Marco freute sich<br />
auf seine Lehre<br />
als Detailhandelsfachmann<br />
Consumer<br />
Electronics. «Ich bin gerne in Kontakt<br />
mit Menschen, berate sie gerne,<br />
und Elektronik finde ich spannend.»<br />
Die unschönen Seiten der<br />
Lehre lernte er bald kennen. «Mein<br />
Chef sprach nicht mit mir und<br />
nach einem Monat listete er im<br />
Probezeitgespräch einen Negativ-<br />
Ist es der Beruf oder der Betrieb?<br />
«Ein Lehrabbruch ist ein kritisches<br />
Ereignis und ein Misserfolg für die<br />
betroffene Person», sagt Silvan<br />
Arnold, der Marco bei dessen zweiter<br />
Lehrstellensuche berät. Die<br />
Berufsberatung ist darauf vorbepunkt<br />
nach dem anderen auf.<br />
Jeden Tag hiess es: Ihr müsst zu<br />
jedem zehnten Handy eine Versicherung<br />
verkaufen.»<br />
Vier Monate nach Lehrbeginn<br />
legte der Lehrmeister seinem Lernenden<br />
die Kündigung auf den<br />
Tisch. Marco konnte sich noch von<br />
seinen Kollegen verabschieden,<br />
mit denen er sich gut verstanden<br />
hatte. Dann war er arbeitslos.<br />
Aufgrund kantonaler Studien<br />
muss man davon ausgehen, dass 10<br />
bis 20 Prozent der Lehrverträge im<br />
ersten Lehrjahr aufgelöst werden.<br />
Knapp die Hälfte der Abbrecher<br />
findet innert Wochen oder Monaten<br />
eine neue Lehrstelle.<br />
GÄRTNER/IN<br />
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eitet, aus dieser Krise eine Chance<br />
zu machen. Meist ist die zweite<br />
Lehrstelle die richtige. Eine Einschränkung<br />
macht Arnold: Je länger<br />
die Lehre dauert, desto eher<br />
sollte man versuchen, sie zu beenden.<br />
Als Erstes gilt es nach dem<br />
Abbruch, herauszufinden, ob der<br />
Beruf grundsätzlich der richtige<br />
ist, die Probleme vom Lehrbetrieb<br />
oder von den Vorgesetzten herrühren.<br />
In diesem Fall sucht man<br />
nach einem neuen Betrieb, um die<br />
Lehre schnellstmöglich fortzusetzen.<br />
Die Berufsschule dürfen auch<br />
gekündigte Lernende besuchen.<br />
Drei Monate haben sie Zeit, einen<br />
neuen Lehrbetrieb zu finden.<br />
Marco wollte nicht zurück ins<br />
Detailhandelsgeschäft und ging<br />
deshalb auch nicht mehr zur<br />
Schule. Er machte die <strong>Berufswahl</strong><br />
zu seiner Hauptbeschäftigung.<br />
«Ich schaute mir sämtliche Berufsfilme<br />
an, die ich fand, informierte<br />
mich tagelang.» Beschäftigt zu<br />
bleiben und eine Tagesstruktur zu<br />
erhalten, ist für Lehrabbrecher<br />
ebenso wichtig wie die Suche nach<br />
einem neuen Ausbildungsplatz.<br />
Marco fand schliesslich eine Lehrstelle<br />
als Drucktechnologe in<br />
einem Reprografieunternehmen.<br />
Um die Zeit bis zum Lehrbeginn<br />
zu nutzen, machte er einen<br />
Sprachaufenthalt in England.<br />
Gefragte Gymi-Abbrecher<br />
Auch Mittelschüler können plötzlich<br />
ohne Ausbildungsplatz dastehen.<br />
Ein paar schlechte Zeugnisse<br />
genügen, und man ist raus. Viele<br />
wechseln an eine private Maturitätsschule.<br />
Andere suchen sich eine<br />
Lehrstelle. Berufsberater Bruno<br />
Ruoss hat solche Jugendliche<br />
begleitet. «Grundsätzlich sind<br />
Gymi-Abbrecher als Lernende<br />
gefragt, gerade in den Lehren mit<br />
den höchsten Anforderungen –<br />
vorausgesetzt, der oder die Jugendliche<br />
steckt nicht in einer weitergehenden<br />
Krise, sondern ist<br />
motiviert, eine Lehre anzutreten.»<br />
Weder Lehr- noch Mittelschulabbruch<br />
sind für sich allein ein<br />
grosses Unglück. Sie kommen<br />
öfter vor, als viele denken, und<br />
deshalb sind solche Brüche auch<br />
im Lebenslauf kein Killerkriterium.<br />
Entscheidend ist, was man<br />
daraus macht und wie man die<br />
plötzliche Leere füllt. So einfach<br />
wie am Computer ist dieser Neustart<br />
nicht.<br />
Detailhandelsfachfrau/fachmann<br />
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Gleisbaupraktiker/in<br />
Logistiker/in<br />
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Viele Wege führen in die Führungsetage. Es lohnt sich, auch Berufe ins Auge zu fassen, die auf den<br />
ersten Blick weniger attraktiv erscheinen. Gerade dort winken viele Chancen. Text: Stefan Michel<br />
Der Satz hat es in sich: «Wer bei uns<br />
eine Lehre macht, ist ein künftiger<br />
Kadermitarbeiter.» Das sagt nicht der<br />
Vertreter einer Bank, sondern Ueli<br />
Büchi vom Schweizer Baumeisterverband.<br />
Die Laufbahn, die Büchi meint, sieht so aus:<br />
Der ausgelernte Maurer kann nach ersten Arbeitserfahrungen<br />
Vorarbeiter werden und ein kleines<br />
Team führen. Nach der Polierschule kann er Baustellen<br />
organisieren, später als Bauführer in einem Unternehmen<br />
für mehrere Baustellen Verantwortung<br />
übernehmen und schliesslich als diplomierter Baumeister<br />
eine Baufirma führen. Der Lohn steigt mit,<br />
von durchschnittlich 5700 Franken pro Monat für<br />
einen gelernten Maurer zu 7600 für den Polier und<br />
8500 Franken für den Bauführer.<br />
«Die Hälfte der Lehrabsolventen steigt schon<br />
nach kurzer Zeit in die erste Weiterbildung ein»,<br />
freut sich Büchi. Denn im Baugewerbe gibt es trotz<br />
des gut ausgebauten Weiterbildungswesens auf den<br />
höheren Hierarchiestufen zu wenige, die das Handwerk<br />
aus eigener Erfahrung kennen. «Jedes Jahr<br />
kommen über 200 Bauingenieure von den Fachhochschulen.<br />
Das sind für uns Quereinsteiger. Die<br />
meisten von ihnen haben noch nie auf einer Baustelle<br />
gearbeitet. Die Bauunternehmen tun deshalb<br />
viel dafür, dass sich ihre gelernten Fachleute weiterbilden.»<br />
Bild: Gaetan Bally / Keystone<br />
Es geht auch ohne Gymnasium oder KV<br />
Als Anfang einer beruflichen Karriere sehen die<br />
meisten noch immer die Matura oder die kaufmännische<br />
Lehre bei einer Bank oder Versicherung.<br />
Entsprechend gross ist der Andrang auf diese Lehrstellen.<br />
Die Lehrbetriebe können es sich leisten, nur<br />
die Sekundarschüler mit den besten Noten aufzunehmen.<br />
Dabei bieten gerade weniger gesuchte<br />
Berufslehren in grossen, hierarchisch strukturierten<br />
Unternehmen gute Aufstiegschancen.<br />
So etwa die Lehre im Detailhandel: Wer Einsatz<br />
und Talent zeigt, sich weiterbildet und Verantwortung<br />
übernehmen will, nimmt schon Anfang zwanzig<br />
die ersten Stufen auf der Karriereleiter: zu erst als<br />
Leiter eines kleinen Teams, später mit der eidgenössischen<br />
Berufsprüfung zum Detailhandelsspezialisten<br />
als Leiter einer Abteilung oder einer mittelgrossen<br />
Filiale. Ein Jahresgehalt von 80 000 Franken ist<br />
auf dieser Stufe üblich.<br />
Wer sich in der Praxis gut schlägt, kann die höhere<br />
Fachprüfung zum Detailhandelsmanager in<br />
Angriff nehmen. Wie der Name sagt, stehen nun<br />
54 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Managementfunktionen im Zentrum der Ar beit,<br />
etwa als Leiter einer grossen Verkaufsstelle oder als<br />
Geschäftsführer eines kleinen oder mittleren Unternehmens.<br />
Die Verdienstaussichten liegen nun bei<br />
über 100 000 Franken, je nach individueller Position<br />
im Unternehmen sogar deutlich darüber.<br />
Der berufliche Aufstieg kann auch ein Zufallsprodukt<br />
sein, zum Beispiel, wenn ein talentierter motivierter<br />
Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />
ist. An Karriere hat Dario Allenbach nicht gedacht,<br />
als er seine Lehre als Gärtner begann. Doch schon vor<br />
Abschluss der Lehre stellte ihm sein Chef in Aussicht,<br />
dass er in zwei bis drei Jahren den Betrieb übernehmen<br />
könne. «Der Beruf gefiel mir, doch dann merkte<br />
ich, dass ich das nicht mein Leben lang machen will»,<br />
erklärt der ehemalige Gärtner ein paar Jahre später.<br />
Er entschied sich, die Berufsmatura nachzuholen, und<br />
studiert in zwischen an der Zürcher Hochschule für<br />
Angewandte Wissenschaften Facility Management.<br />
Karriereberuf Facility Manager<br />
Facility Manager auf Hochschulstufe sind verantwortlich<br />
für grosse Gebäude wie etwa eine Wohnüberbauung,<br />
ein Spital, ein Fussballstadion oder ein<br />
Flughafen. Facility Manager organisieren Reinigung,<br />
Wartung, Materialnachschub, Entsorgung, je nach<br />
<strong>Spezial</strong>isierung auch die Betreuung von Gästen, und<br />
sie führen das dafür zuständige Personal. Gut ausgebildete<br />
Facility Manager sind gefragte Fachleute und<br />
gehören zum mittleren oder höheren Kader einer<br />
Unternehmung. Lohnklasse: 150 000 Franken aufwärts.<br />
Spitäler haben es Andrea Stuber angetan. Ihre<br />
Eltern, beide in der Gastronomie tätig, rieten ihr von<br />
der Lehre als Fachfrau Hauswirtschaft ab. «Sie<br />
wünschten mir, dass ich nicht wie sie an Wochenenden<br />
und bis spätabends arbeiten muss», erinnert<br />
sich die Bernerin. Doch sie liess sich nicht abhalten<br />
und lernte ihren Beruf bei der privaten Hirslanden<br />
Klinik. Sie schätzte die Vielseitigkeit ihrer Tätigkeiten<br />
und dass sie dazu beitrug, in einem Krankenhaus<br />
ein Fünf-Sterne-Ambiente zu entfalten. «Ich rüstete<br />
auch mal in der Küche Gemüse oder putzte Böden.<br />
Doch für mich war das nicht unangenehm.» Als<br />
Bereicherung empfindet sie den Kontakt mit Menschen<br />
aus aller Welt.<br />
Inzwischen studiert auch Andrea Stuber Facility<br />
Management und wechselt damit schrittweise von<br />
der Rolle der Befehlsempfängerin in die Position<br />
derjenigen, die Direktiven erteilt. Ihr Ziel ist, weiter<br />
in Spitälern zu arbeiten, dafür zu sorgen, dass das<br />
Gebäude perfekt unterhalten ist, der Nachschub an<br />
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Berufslehren in grossen<br />
Unternehmen bieten gute<br />
Aufstiegschancen.<br />
technischem Material, Essen oder Medikamenten<br />
rechtzeitig an den richtigen Ort gelangt, Pannen<br />
umgehend behoben werden. Und sie will Projekte<br />
vorantreiben, um die Bewirtschaftung des Gebäudes<br />
noch besser zu organisieren. «Klar ermöglicht mir<br />
das Studium einen Karrieresprung. Entscheidend ist<br />
für mich aber, dass ich einen Beruf habe, der mir<br />
gefällt.»<br />
Vielleicht denkt Andrea Stuber als viel beschäftigte<br />
Managerin einmal mit Wehmut an den Anfang<br />
ihrer Karriere zurück, als sie in der Spitalküche Ge <br />
müse rüstete.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong><br />
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56 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Harziger Start<br />
ins Berufsleben<br />
Nach dem Schulabschluss weder eine Lehrstelle noch sonst einen Ausbildungsplatz<br />
zu haben, ist für Jugendliche eine Niederlage. Für die Gesellschaft ist es eine<br />
kritische Situation. Verschiedene Institutionen unterstützen die betroffenen jungen<br />
Männer und Frauen intensiv, damit es mit der Berufsbildung doch noch klappt.<br />
Text: Stefan Michel<br />
Bild: Christian Beutler / Keystone<br />
Der Übertritt von<br />
der Schule in die<br />
Berufswelt ist ein<br />
entscheidender<br />
Schritt, und er<br />
kommt früh. Nicht allen gelingt er.<br />
Gegen zwanzig Prozent der<br />
Jugendlichen in der Stadt Zürich<br />
legen nach der dritten Sekundarklasse<br />
ein Zwischenjahr ein, bevor<br />
sie eine Lehre oder eine weiterführende<br />
Schule beginnen. Für einige<br />
kommt die <strong>Berufswahl</strong> schlicht zu<br />
früh. «Es gibt Fünfzehnjährige, die<br />
sind noch Kinder. Die nehmen das<br />
Leben noch nicht ernst», weiss<br />
Markus Riesen. Er ist Prorektor<br />
der Fachschule Viventa, einer Einrichtung<br />
der Stadt Zürich. Hier<br />
kommen viele Jugendliche unter,<br />
die keine Lehrstelle und keinen<br />
schulischen Anschluss gefunden<br />
haben.<br />
Er führe keine Statistik über<br />
die Gründe, weshalb Jugendliche<br />
ein Berufsvorbereitungsjahr in<br />
der Viventa absolvierten. Aber die<br />
Bandbreite an Gründen kennt er.<br />
Sie reicht von der nicht bestandenen<br />
Gymiprüfung bis zu jenen,<br />
die sich allem verweigern, was<br />
von Erwachsenen kommt. Dazwischen<br />
sind die Schulmüden, die<br />
den Anschluss verloren, viel ge <br />
schwänzt und deshalb auch die<br />
<strong>Berufswahl</strong> verpasst haben. Zum<br />
Problem können auch fixe Vorstellungen<br />
über den richtigen<br />
Beruf werden, kommen sie nun<br />
vom jungen Menschen selber<br />
oder von dessen Eltern. Wenn nur<br />
eine KV-Lehrstelle infrage<br />
kommt, aber die Schulleistungen<br />
dafür bei Weitem nicht ausreichen,<br />
dann kann man so viele<br />
Bewerbungen schreiben, wie man<br />
will, ein Lehrvertrag wird nicht<br />
resultieren.<br />
Intensivkurs Lehrstellensuche<br />
«Das Zehnte», wie die Jugendlichen<br />
das zusätzliche Schuljahr<br />
nennen, ist nicht beliebt. >>><br />
Für viele Jugendliche<br />
kommt die<br />
<strong>Berufswahl</strong> zu früh.<br />
57
«Ich muss drei Bewerbungen<br />
pro Woche schreiben.<br />
Der Druck tut mir gut.»<br />
>>> Doch es dient vielen dazu,<br />
ihre Defizite gezielt aufzuarbeiten,<br />
ihre Bewerbung zu verbessern und<br />
ihre Ziele neu zu definieren. Oft<br />
mit Erfolg: 70 Prozent der Jugendlichen,<br />
die 2015 ihr Berufsvorbereitungsjahr<br />
an der Viventa beendeten,<br />
begannen danach eine<br />
Berufslehre.<br />
Ungefähr ein Viertel wählte<br />
eine andere Anschlusslösung: eine<br />
Vorlehre, ein Praktikum oder das<br />
ebenfalls städtische Motivationssemester.<br />
Markus Riesen weist<br />
darauf hin, dass die Fachschule<br />
Viventa alle Jugendlichen aufnehme,<br />
auch jene mit den grössten<br />
Schwierigkeiten. Andere <strong>Berufswahl</strong>schulen<br />
im Kanton Zürich<br />
selektieren vorher, dafür finden<br />
praktisch alle Absolventen des 10.<br />
Schuljahres eine Lehrstelle.<br />
Syart Saliu war Sek-A-Schüler,<br />
Notenschnitt 4,25 und eine 4 in<br />
Mathematik. Das reichte nicht für<br />
die angestrebte Informatiker-<br />
Lehrstelle. Kurz vor Lehrbeginn<br />
2015 war er nahe dran an einer<br />
KV-Lehrstelle, zog aber gegen die<br />
Mitbwerber doch den Kürzeren.<br />
Das KV ist seine Wunschlehre, er<br />
bewarb sich aber auch als Automatiker<br />
und Detailhandelsfachmann.<br />
«Mit meinem Begleiter in<br />
der Viventa habe ich vereinbart,<br />
dass ich drei Bewerbungen pro<br />
Woche abschicke. Dieser Druck<br />
hat mir in der Sekundarschule<br />
gefehlt.»<br />
Zweite Chance für<br />
Jugendstraftäter<br />
In eine noch schwierigere Lage hat<br />
sich Andrej gebracht, der seinen<br />
richtigen Namen nicht abgedruckt<br />
haben will. Mit Kollegen klaute er<br />
Scooter, wurde gefasst und verbrachte<br />
mit 15 Jahren 25 Tage in<br />
Untersuchungshaft. In den letzten<br />
zwei Schuljahren fehlte er oft. An<br />
eine gezielte Lehrstellensuche war<br />
nicht zu denken. Die Sek C schloss<br />
er mit einem tiefen Notenschnitt<br />
ab. «Ich hatte Glück, dass sie mich<br />
nicht von der Schule geschmissen<br />
haben», streicht er das Positive<br />
hervor.<br />
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58 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Wer nimmt einen vorbestraften<br />
jungen Mann mit schlechtem<br />
Schulabschluss als Lehrling? Im<br />
Fall von Andrej ist es die Stiftung<br />
Vert.igo. Die Jugendanwaltschaft<br />
sorgte dafür, dass er hier eine zweite<br />
Chance erhielt. Inzwischen ist<br />
er im dritten Lehrjahr der dreijährigen<br />
Lehre zum Fachmann<br />
Betriebsunterhalt.<br />
Vert.igo arbeitet eng mit dem<br />
Sportamt der Stadt Zürich zusammen.<br />
Andrej schleift Sitzbänke,<br />
damit sie wieder frisch aussehen,<br />
ersetzt Tornetze oder auch mal ein<br />
ganzes Goal oder einen Basketballkorb.<br />
«Bei schönem Wetter<br />
draussen macht es natürlich mehr<br />
Spass als bei Regen. Aber darum<br />
geht es nicht. Ich muss diese Lehre<br />
durchziehen, das ist meine letzte<br />
Chance», erklärt er seinen Einsatz.<br />
Andrej wohnt bei seinem Vater.<br />
Der unterstütze ihn weiter, wie<br />
auch seine Mutter. Ihnen will er es<br />
recht machen. Auch die Betreuer<br />
im Vert.igo scheinen den richtigen<br />
Ton zu treffen. «Sie geben mir das<br />
Gefühl, dass ich mich für mich<br />
selber anstrenge. Wenn ich am<br />
Morgen nicht auftauche, dann ist<br />
das mein Problem. Irgendwann<br />
würde ich hier rausfliegen und<br />
dann wäre ich wieder in Schwierigkeiten.»<br />
Seine Vorgesetzten<br />
sehen ihn auf einem guten Weg.<br />
Aufgrund seiner Arbeitsleistungen<br />
seien seine Chancen gut, im ersten<br />
Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.<br />
Syart Saliu bewarb sich für<br />
über 100 Lehrstellen und liess<br />
sich von Absagen nicht entmutigen<br />
– auch dank der Unterstützung<br />
durch seinen Betreuer und<br />
Wer nimmt einen<br />
vorbestraften Jugendlichen<br />
mit schlechtem<br />
Schulabschluss als Lehrling?<br />
durch seine Familie. Kurz vor<br />
Ende des Schuljahres erhielt er<br />
die ersehnte Lehrstelle bei einem<br />
privaten Unternehmen, das Kaufleute<br />
ausbildet. Er hat einen Tipp<br />
an andere, deren Lehrstellensuche<br />
harzt: «Regt euch nicht über Absagen<br />
auf, aber fragt immer nach<br />
dem Grund und arbeitet daran.<br />
Seid immer im Wandel!»<br />
>>><br />
Fachfrau/-mann Betriebsunterhalt EFZ<br />
und Unterhaltspraktiker/-in EBA<br />
zwei vielseitige und anspruchsvolle Berufe<br />
Berufsporträt<br />
Fachleute Betriebsunterhalt EFZ sorgen für:<br />
• einen reibungslosen Betrieb in Werkhöfen,<br />
Schulen und Sportanlagen von Gemeinden<br />
und Städten aber auch in privaten<br />
Institutionen<br />
• den regelmässigen Unterhalt von Immobilien,<br />
Strassen und Grünflächen<br />
• die regelmässige Kontrolle, Wartung und<br />
Instand setzung von Elektro- und Sanitäranlagen,<br />
Heizungen und Lüftungen<br />
Das ist die Ausbildung zur/m Fachfrau/-mann<br />
Betriebsunterhalt mit EFZ:<br />
• 3-jährige Berufslehre mit eidgenössischem<br />
Fähigkeitszeugnis EFZ<br />
• Ausbildungsschwerpunkte Hausdienst oder<br />
Werkdienst<br />
• 4 Tage pro Woche berufliche Praxis<br />
• 1080 Lektionen berufskundliche und<br />
allgemein bildende Theorie<br />
• 16 Tage überbetriebliche Kurse<br />
Unterhaltspraktiker/-in EBA sorgen für:<br />
• die Reinigung und Wartung von Gebäuden<br />
und umliegenden Plätzen, Grünanlagen<br />
und Wegen von Gemeindeverwaltungen aber<br />
auch in privaten Institutionen<br />
• einfache Unterhaltsarbeiten und Kleinreparaturen<br />
an nicht-elektrischen Installationen<br />
sowie Grünpflegearbeiten im Innenund<br />
Aussenbereich<br />
Das ist die Ausbildung zur/m<br />
Unterhaltspraktiker/-in mit EBA:<br />
• 2-jährige Berufslehre mit eidgenössischem<br />
Berufsattest<br />
• 4 Tage pro Woche berufliche Praxis<br />
• 720 Lektionen berufskundliche und<br />
allgemeinbildende Theorie<br />
• 14 Tage überbetriebliche Kurse<br />
Weitere Informationen zur Ausbildung finden Sie hier:<br />
www.betriebsunterhalt.ch/Sektionen/Zuerich/Bildung<br />
Voraussetzungen für beide Ausbildungen:<br />
Zusätzliche Voraussetzungen<br />
• Freude an handwerklicher und<br />
für Fachleute Betriebsunterhalt EFZ:<br />
praktischer Arbeit<br />
• Interesse an organisatorischen und planerischen<br />
• Flexibilität, Zuverlässigkeit und körperliche<br />
Aufgaben<br />
Das Belastbarkeit<br />
Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong> Mai <strong>2017</strong>59
Kann ich,<br />
was ich will?<br />
Zur <strong>Berufswahl</strong> gehört, dass man seine Fähigkeiten mit den<br />
Anforderungen des Arbeitslebens abgleicht. Die Schulnoten spielen<br />
dabei eine wichtige Rolle, entscheiden aber nicht allein. Text: Stefan Michel<br />
Bild: Caro / Oberhaeuser / Keystone<br />
Herauszufinden, was man will, ist<br />
schwierig genug. Und schon kommt<br />
die nächste Herausforderung: Genüge<br />
ich den Anforderungen? Bin ich<br />
gut genug für meinen Traumberuf?<br />
Eine Studie mit 514 Jugendlichen* kommt zu einem<br />
erfreulichen Resultat: Der Aussage «Ich habe die Ausbildung<br />
gewählt, die mich am meisten interessiert<br />
hat» stimmen 58 Prozent voll und ganz zu, weitere<br />
33 Prozent geben an, sie treffe für sie eher zu. Nur<br />
gerade 9 Prozent sehen ihre Interessen in ihrer aktuellen<br />
Berufsausbildung eher nicht oder gar nicht<br />
repräsentiert. Die grosse Mehrheit der Jugendlichen<br />
hat eine Lehrstelle gefunden, die sie interessiert und<br />
deren Anforderungen sie erfüllen – sonst hätten sie<br />
die Stelle ja nicht erhalten.<br />
Für die Jugendlichen, die ihre Berufsbildung erst<br />
noch finden müssen, macht das die Suche natürlich<br />
nicht einfacher. In Berufsbeschrieben, wie sie beispielsweise<br />
auf www.berufsberatung.ch angeboten<br />
werden, ist zwar angegeben, welche Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten gefragt sind: von geschickten Händen bis<br />
zum freundlichen Umgang für die Lehre zum Hauswirtschaftspraktiker;<br />
oder gute Feinmotorik, räumliches<br />
Vorstellungsvermögen für die Architekturmodellbaulehre.<br />
Angaben, nach welchen Kriterien<br />
selektiert wird und welche Rolle die Schulnoten<br />
spielen, sucht man aber meist vergebens. Dahinter<br />
steckt wohl Absicht, denn man will ja niemandem<br />
die Motivation nehmen.<br />
Per Notenschnitt zur Lehrstelle?<br />
Die nächste Frage ist dann, wie man die eigenen<br />
Fähigkeiten beweist und gut darstellt. Hier bietet sich<br />
die Schnupperlehre im Wunschberuf an. Ein positiver<br />
Schnupperlehrbericht ist für die Bewerbung fast<br />
schon Pflicht. Wer eine Lehre im Bereich Betreuung<br />
sucht und auf seine Erfahrung als Pfadileiter oder<br />
Babysitter verweisen kann, steht ebenfalls besser da<br />
als jemand, der nur seinen Wunsch, zu betreuen,<br />
anführen kann. Schulnoten können ergänzt werden<br />
mit Resultaten von Eignungstests wie «Multicheck»,<br />
«Basic-Check» oder «Kompass». Sie sind genauer auf<br />
die Anforderungen in den verschiedenen Berufsgruppen<br />
zugeschnitten und bringen teilweise auch<br />
Qualitäten zum Vorschein, die im Schulzeugnis kaum<br />
abgebildet werden.<br />
Eine Liste, die darstellt, welche Sekundarschulstufe<br />
welche Berufslehre ermöglicht, existiert nicht.<br />
Doch jeder Berufsberater mit Erfahrung kann realistisch<br />
einschätzen, was die Minimalanforderungen<br />
der Lehrbetriebe sind, auch wenn viele immer wieder<br />
60 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
eteuern, Schulnoten seien nicht entscheidend. Und<br />
auch Jugendliche, die sich mit der Lehrstellensuche<br />
auseinandergesetzt haben, entwickeln ein Gespür für<br />
die Anforderungen, auch wenn man diese nicht so<br />
gerne wahrhaben mag. Ein Besuch in einer Schule<br />
im Zürcher Stadtteil Oerlikon zeigt: Während sich<br />
in der Sek-A-Klasse viele nach einer KV-, Zeichneroder<br />
Informatiker-Lehrstelle umsehen, sind in der<br />
Sek-B-Klasse auch handwerkliche Berufe und Detailhandel<br />
gefragt.<br />
Es spricht nichts dagegen, sich für Lehrstellen zu<br />
bewerben, deren Voraussetzungen man beispielsweise<br />
bezüglich Schulleistungen nicht ganz erfüllt. Auch<br />
verbaut man sich nichts, wenn man eine Berufslehre<br />
macht, selbst wenn man in ein Gymnasium aufgenommen<br />
wäre. Wichtig ist, dass man rechtzeitig der<br />
Realität ins Auge blickt, das heisst, nach sehr vielen<br />
Absagen auch anderen Berufen als nur dem Wunschberuf<br />
eine Chance gibt.<br />
* Juvenir-Studie 2.0. Die erste grosse Entscheidung. Wie<br />
Schweizer Jugendliche eine (Berufs-)Ausbildung wählen.<br />
2013. Studie durchgeführt von Prognos AG im<br />
Auftrag der Jacobs Foundation. Download der Studie<br />
auf www.juvenir.ch.<br />
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10. Schuljahr im Institut Ftan Scuol klären sich die Berufswünsche<br />
und schulisch individuell gefördert gelingt der<br />
Start in den Lehrberuf. Oder sind die Berufswünsche weiter<br />
gesteckt? Sekundarschule, Gymnasium und Fachmittelschule<br />
mit Internat schaffen beste Grundlagen für ein<br />
Studium oder die höhere Berufsbildung.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
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Mai <strong>2017</strong>61
Service<br />
Maturitätsschulen<br />
Grundsätzlich gilt: Jeder Kanton hat seine eigenen Regeln. Es ist unabdingbar,<br />
sich in seinem Wohnkanton zu informieren. Unter gewissen<br />
Umständen ist es möglich, eine Maturitätsschule in einem anderen<br />
Kanton zu besuchen. Auch das ist von Kanton zu Kanton verschieden.<br />
Gymnasium (auch Mittelschule, Kantonsschule genannt)<br />
Vier- oder sechsjährige Schule für lernstarke Schüler. Vorbereitung auf<br />
ein Universitätsstudium.<br />
Fachmittelschule<br />
Maturitätsschule, meist dreijährig, die auf bestimmte Studienrichtungen<br />
an einer Fachhochschule vorbereitet: Gesundheit, Soziale Arbeit,<br />
Pädagogik, Kommunikation und Information, Gestaltung und Kunst,<br />
Musik und Theater.<br />
Berufsmaturitätsschule<br />
Die Berufsmaturitätstypen sind den Berufen zugeordnet:<br />
– Technik, Architektur und Life Sciences<br />
(technische und handwerkliche Berufe)<br />
– Natur, Landschaft und Lebensmittel<br />
(Berufe im Bereich Natur und Landschaft)<br />
– Wirtschaft und Dienstleistungen<br />
(KV und weitere Dienstleistungsberufe)<br />
– Gestaltung und Kunst<br />
(künstlerische, technisch-handwerkliche Berufe)<br />
– Gesundheit und Soziales<br />
(Berufe im Bereich Gesundheit, Körperpflege und Soziales)<br />
Meist sind ein zusätzlicher halber Tag Unterricht sowie zusätzliche<br />
Lernzeit nötig. Der Lehrbetrieb muss sein Einverständnis geben, denn<br />
die Berufsmaturanden arbeiten einen halben Tag weniger im Betrieb.<br />
Nach der Lehre<br />
Die Berufsmatura kann auch nach Lehrabschluss absolviert werden<br />
– als Vollzeitschule (zwei Semester) oder berufsbegleitend (drei bis<br />
fünf Semester).<br />
Passerelle zu Uni/ETH<br />
Wer nach der Berufsmatura an einer Universität oder der ETH studieren<br />
will, muss die Eignungsprüfung namens «Passerelle» ablegen. Verschiedene<br />
Schulen bieten einjährige Vorbereitungskurse an.<br />
<strong>Berufswahl</strong><br />
in 7 Schritten<br />
(nach www.myberufswahl.ch)<br />
1. Ich lerne meine Interessen und Stärken<br />
kennen.<br />
2. Ich lerne die Berufs- und Ausbildungswelt<br />
kennen.<br />
3. Ich vergleiche meine Stärken mit den<br />
Anforderungen der Berufe und<br />
Ausbildungen, die mich interessieren.<br />
4. Ich schaue mir die interessanten Berufe<br />
in einer Schnupperlehre genauer an.<br />
5. Ich überprüfe die möglichen Berufe<br />
oder Schulen und entscheide mich.<br />
6. Ich setze meine Entscheidung um, suche<br />
eine Lehrstelle oder melde mich bei<br />
einer Schule an.<br />
7. Ich bereite mich auf die Lehre oder<br />
die Mittelschule vor oder ich kläre<br />
ein Brückenangebot ab.<br />
Wer sich auf www.berufswahl.ch ein Konto anlegt,<br />
hat Zugang zu den Zusatzinformationen und<br />
interaktiven Arbeitsblättern zu allen sieben<br />
Schritten der <strong>Berufswahl</strong>.<br />
Lehre oder Gymi?<br />
Diese Fragen helfen bei der Entscheidung:<br />
– Brauche ich für mein Berufsziel eine<br />
bestimmte Vorbildung?<br />
– Wie sind meine schulischen Leistungen?<br />
– Interessiere ich mich für (fast) alle Fächer?<br />
– Mit welchen Fächern möchte ich mich<br />
vertieft auseinandersetzen?<br />
– Wie bald möchte ich in die<br />
Erwachsenenwelt eintreten?<br />
– Wie gerne bin ich Schülerin oder Schüler?<br />
– Wie sehr schätze ich es, meine berufliche<br />
Zukunft noch offen zu lassen?<br />
Quelle: ask! Beratungsdienste für Ausbildung und<br />
Beruf Aargau<br />
62 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Projekt LIFT:<br />
Arbeitserfahrungen<br />
sammeln<br />
Das Projekt LIFT unterstützt Jugendliche im Übergang von<br />
der Oberstufe in die Berufsbildung. «Zielgruppe sind Jugendliche<br />
ab der 7. Klasse mit erschwerter Ausgangslage<br />
bezüglich späterer Integration in die Arbeitswelt», heisst es<br />
auf der Website. Jugendliche, die ihre Chancen auf eine<br />
Lehrstelle verbessern wollen, können mit regelmässigen<br />
Kurzeinsätzen in Gewerbebetrieben in ihrer Region wertvolle<br />
Erfahrungen sammeln. Dabei wächst bei vielen auch<br />
das Selbstvertrauen, diesen wichtigen Schritt zu schaffen.<br />
LIFT arbeitet mit Schulen in der ganzen Schweiz zusammen.<br />
www.jugendprojekt-lift.ch<br />
<strong>Berufswahl</strong> und Lehrstellensuche online<br />
www.berufsberatung.ch<br />
www.yousty.ch<br />
www.berufskunde.com<br />
www.gateway-junior.org<br />
www.lehrstellenboerse.ch<br />
www.die-lehrstelle.ch<br />
www.berufsnavigator.ch<br />
www.deinberuf.ch (Berufsfilme von Lernenden)<br />
www.toplehrstellen.ch (nur Gebäudetechnik)<br />
www.berufslehrverbund.ch (mit Lehrstellenbörse<br />
für Stadtzürcher Jugendliche)<br />
>>><br />
Berufsporträt<br />
So sehen heute Abschlussprüfungen aus.<br />
Werde Zimmermann/Zimmerin!<br />
Eine Lehre als Zimmermann / Zimmerin bringt dich weiter.<br />
Und öffnet dir nach der Grundausbildung die Türe zu<br />
vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten und interessanten<br />
<strong>Spezial</strong>gebieten. Langweilig wird es dir nie: Technik,<br />
Kreativität, traditionelles Handwerk und ein natürlicher<br />
Baustoff sorgen für viel Abwechslung im Berufsalltag.<br />
Du arbeitest gerne im Freien, Teamwork macht dir Spass<br />
und du hast ein gutes Vorstellungsvermögen? Gute Aussichten,<br />
in dir steckt ein Zimmermann / eine Zimmerin!<br />
www.lehre-holzbau.ch
Probleme in der Lehre?<br />
www.feel-ok.ch<br />
www.jobcaddie.ch<br />
Pro Juventute Beratung + Hilfe 147 – das Sorgentelefon für<br />
Kinder und Jugendliche. Auch über SMS, E-Mail oder Chat.<br />
www.lehrlinge.ch (Beratungsangebot der katholischen und<br />
reformierten Kirche, auch für Eltern)<br />
Berufsinspektorat: Für jeden Lehrberuf gibt es ein zuständiges<br />
Berufsinspektorat. Dieses wacht darüber, dass in der Berufsbildung<br />
alles korrekt abläuft, und kann bei Konflikten vermitteln. Die<br />
kantonalen Berufsbildungsbehörden können den Kontakt zum<br />
zuständigen Berufsinspektorat herstellen.<br />
Berufslehre rechtlich: Muss ich Überstunden machen, wenn<br />
mein Chef es verlangt? Kann ich während der Lehre einem Nebenjob<br />
nachgehen? Diese und viele weitere rechtliche Fragen<br />
rund um die Lehre beantwortet der Ratgeber «Ich kenne meine<br />
Rechte – Lehrlings- und Jugendrecht von A bis Z», welchen der<br />
Schweizerische Gewerkschaftsbund heraus gibt. Er kann für Fr. 5.–<br />
bestellt oder gratis heruntergeladen werden.<br />
Weiterkommen nach der Lehre<br />
Aktuell existieren in der Schweiz 319 Berufslehren. Nach einer<br />
drei- oder vierjährigen EFZ-Lehre hat man Zugang zur höheren<br />
Berufsbildung. Wer die Berufs matura hat, kann an einer Fachhochschule<br />
studieren. So wächst die Auswahl an Berufen auf<br />
über 2000 an.Informationen zu Weiterbildungen, Weiterbildungsberufen<br />
und Studium nach der Lehre:<br />
www.berufsbildungplus.ch (Bund)<br />
www.berufsberatung.ch<br />
Angebot für Eltern<br />
Das Angebot des Vereins S.E.S.J. (Starke Eltern<br />
– Starke Jugend) richtet sich an Eltern von Jugendlichen<br />
zwischen Schule und Beruf. Der Verein<br />
unterstützt Eltern, deren Tochter oder Sohn<br />
nach der Schule keine Lehre oder eine andere Anschlusslösung<br />
gefunden hat, und informiert, wo<br />
sie sich bei Schwierigkeiten während der Lehre<br />
Hilfe holen können. Eltern erfahren ausserdem,<br />
welche Angebote es für Jugendliche ohne Anschlusslösung<br />
gibt und wie sie ihre Jugendlichen<br />
bei diesem Übergang unterstützen können. Der<br />
Verein S.E.S.J. arbeitet mit verschiedenen Beratungsstellen<br />
zusammen. Das Angebot findet in<br />
verschiedenen Sprachen statt und ist kostenlos.<br />
www.sesj.ch.<br />
Eine Lehre,<br />
zwei Sprachen<br />
In den zweisprachigen Kantonen Wallis und Freiburg<br />
gibt es spezielle Abschlüsse für jene, die mit<br />
deutscher Muttersprache ihre Lehre und die Berufsschule<br />
in Französisch abschliessen und umgekehrt.<br />
In den Kantonen Zug und Schaffhausen bieten<br />
verschiedene Betriebe KV- und Informatik-Lehren<br />
in Englisch an. Im Betrieb wird mehrheitlich,<br />
in der Berufsschule ausschliesslich englisch gesprochen.<br />
So sollen die Absolventen attraktiver<br />
für internationale Unternehmen werden, deren<br />
Verantwortliche oft gar nicht wissen, was eine Berufslehre<br />
ist.<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Stiftung Elternsein,<br />
Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />
www.elternsein.ch<br />
Redaktion<br />
Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />
n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />
Verantwortlich für diese Ausgabe:<br />
Nik Niethammer,<br />
Stefan Michel, wortbuero@weblotion.com<br />
Verlag<br />
Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />
Tel. 044 277 72 62,<br />
info@fritzundfraenzi.ch,<br />
verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
Business Development & Marketing<br />
Leiter: Tobias Winterberg,<br />
t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />
Anzeigen<br />
Administration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 62<br />
Art Direction / Produktion<br />
Partner & Partner, Winterthur,<br />
www.partner-partner.ch<br />
Bildredaktion<br />
13 Photo AG, Zürich, www.13photo.ch<br />
Korrektorat<br />
Brunner Medien AG, Kriens, www.bag.ch<br />
Auflage: 101 725<br />
64 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Berufsporträt<br />
Eine Lehre im Detailhandel<br />
Breite Grundausbildung und beste Aufstiegsmöglichkeiten. Freude am Kontakt mit Menschen sowie<br />
an der Arbeit im Team – das sollten Berufseinsteiger im Detailhandel idealerweise mitbringen.<br />
Die Arbeit mit den unterschiedlichsten<br />
und stets trendigsten Angeboten macht<br />
den Detailhandel besonders spannend<br />
und abwechslungsreich. Der Schwerpunkt<br />
der Ausbildung liegt einerseits auf<br />
der Förderung der kommunikativen<br />
Fähigkeiten, um an der «Verkaufsfront»<br />
bestmöglich auf die Wünsche der<br />
Kundinnen und Kunden eingehen zu<br />
können. Andererseits werden sehr<br />
anspruchsvolle Fach- und Branchenkenntnisse<br />
vermittelt. Attraktive<br />
Weiterbildungen mit eidgenössischer<br />
Anerkennung sichern überdies<br />
den Zugang zu Führungspositionen in<br />
kleineren und mittleren Betrieben<br />
wie auch in Grossunternehmen.<br />
facts & figures<br />
• 320 000 Mitarbeitende im Detailhandel<br />
• 17 000 Lernende und damit grösser privater<br />
Anbieter von Lehrstellen<br />
3 Berufe<br />
• Detailhandelsfachfrau/-fachmann EFZ<br />
(3 Jahre) Beratung oder Bewirtschaftung<br />
• Detailhandelsfachfrau/-fachmann mit<br />
Berufsmatura (3 Jahre)<br />
• Detailhandelsassistent/in EBA (2 Jahre)<br />
• 28 verschiedene Branchen<br />
2 Weiterbildungen<br />
• Detailhandelsspezialist/in<br />
(eidg. Fachausweis)<br />
• Detailhandelsmanager/in (eidg. Diplom)<br />
1 nationaler, branchenübergreifender<br />
Verantwortungsträger<br />
• Bildung Detailhandel Schweiz (BDS)<br />
• Weitergehende Informationen:<br />
www.bds-fcs.ch<br />
Michelle Nägeli<br />
«Mein Beruf kommt nie aus der Mode»<br />
Branche: Textil<br />
Ausbildung: Detailhandelsfachfrau EFZ (3. Lehrjahr)<br />
«Ich habe mich für eine Lehre im Detailhandel entschieden, weil mich<br />
Kleidung und die aktuellsten Fashion-Trends seit jeher fasziniert<br />
haben. Zudem liebe ich es, die Kunden in einer attraktiven Umgebung<br />
zu beraten und ihnen Freude bereiten zu können.»<br />
Brandon Wildhaber<br />
«Immer am Puls der neusten Technik»<br />
Branche: Consumer-Electronics<br />
Ausbildung: Detailhandelsfachmann EFZ (3. Lehrjahr)<br />
«Ich habe mich für eine Lehre im Detailhandel entschieden, weil mich<br />
der technische Fortschritt und die immer grösser werdende Vielfalt an<br />
Consumer-Electronics-Produkten täglich aufs Neue begeistern. Im Team<br />
können wir uns fortlaufend fachlich austauschen und das Neuste 1:1<br />
den Kunden weitergeben.»<br />
Simon Schär<br />
«Meine Branche bietet viele Entwicklungsmöglichkeiten»<br />
Detailhandelsspezialist / Geschäftsführer<br />
Verantwortlich für 70 Mitarbeitende<br />
«Die vielen wertvollen Erfahrungen, die man im Detailhandel macht, können<br />
wirklich breit eingesetzt werden. Die Entwicklungsmöglichkeiten beschränken<br />
sich nicht nur auf den Verkauf. Die Branche bietet zum Beispiel auch<br />
Jobs im Einkauf, in der Qualitätssicherung oder in Zulieferbetrieben. In meiner<br />
aktuellen Weiterbildung zum Detailhandelsmanager entwickle ich mich als<br />
Führungskraft weiter.»<br />
Isabella Keller-Bamert<br />
«Vom Lehrling zum Chef posten –<br />
im Detailhandel ist Vieles möglich.»<br />
Detailhandelsmanagerin / Einkäuferin Sport Active, Lifestyle und Diverse<br />
15 Jahre Berufserfahrung im Detailhandel<br />
«Beim höchsten eidgenössisch anerkannten Abschluss im Detailhandel<br />
ist v.a. unternehmerisches Denken und Handeln gefragt. Ich konnte zudem<br />
ein wertvolles Netzwerk mit Persönlichkeiten aus der Branche aufbauen.<br />
Als Detailhandelsmanagerin bin ich nun bestens gerüstet für weitere<br />
anspruchs volle berufliche Herausforderungen.»<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong><br />
Mai <strong>2017</strong>65
Organisation Rock Your Life!<br />
Mit dem Personal Trainer zur Lehrstelle<br />
Manche Jugendliche brauchen mehr als <strong>Berufswahl</strong>unterricht und die klassische<br />
Berufsberatung. Wenn die Eltern nicht helfen können, bieten Mentoring-Programme persönliche<br />
Begleitung auf dem Weg zur Lehrstelle. Text: Stefan Michel<br />
Ein gutes Team: die<br />
Schülerin Melanie (r.)<br />
und ihre Mentorin.<br />
Lange wusste Melanie<br />
nicht, welcher Beruf<br />
der richtige für sie ist.<br />
Ihre alleinerziehende<br />
Mutter arbeitet oft<br />
abends und kann ihr nur wenig<br />
helfen. Ihren Vater sieht sie selten.<br />
In mehreren Gesprächen mit ihrer<br />
Mentorin fand sie heraus, dass sie<br />
Fachangestellte Gesundheit werden<br />
will. «Alleine hätte ich das<br />
nicht geschafft», ist sie überzeugt.<br />
Vermittelt wurde die Mentorin<br />
durch die Organisation «Rock<br />
Your Life!», welche in sechs Städten<br />
der Schweiz solche Einzelbetreuungen<br />
ermöglicht. Das Spezielle<br />
bei «Rock Your Life!»: Die<br />
Mentorin ist selber noch in Ausbildung.<br />
In diesem Fall heisst sie<br />
Janine und besucht die Pädagogische<br />
Hochschule mit dem Ziel<br />
Sekundarlehrerin.<br />
«Dank der Altersnähe geschieht<br />
das Mentoring auf Augenhöhe»,<br />
betont Andreina Ravani, Kommunikationsverantwortliche<br />
von<br />
«Rock Your Life!». Andere Organisationen<br />
bieten professionelle<br />
Mentoren oder auch Pensionierte,<br />
die Jugendliche von ihrer Berufserfahrung<br />
profitieren lassen.<br />
Stets geht es darum, jenen individuelle<br />
Beratung zu bieten, denen<br />
der <strong>Berufswahl</strong>unterricht und die<br />
klassische Berufsberatung nicht<br />
genügen – oft, weil die Eltern<br />
nicht helfen können. Die Einzelgespräche<br />
dienen auch dazu, das<br />
Selbstvertrauen zu stärken – ein<br />
entscheidender Faktor, um den<br />
künftigen Lehrbetrieb von den<br />
eigenen Qualitäten zu überzeugen.<br />
Mentoring-Programme bieten<br />
u. a. folgende Organisationen:<br />
Ithaka (Kanton Zürich), ask!<br />
(Kanton Aargau), lehre4you (ganze<br />
Schweiz, kostenpflichtig), Rock<br />
Your Life! (sechs Städte von<br />
St. Gallen bis Freiburg), incluso<br />
(für Migranten, Caritas Zürich).<br />
www.schweiz.rockyourlife.org<br />
66 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Berufswahl</strong>
Berufsporträt<br />
«Das Büro ist nicht meine Welt,<br />
ich muss etwas machen»<br />
Zur Person<br />
Tanja Kratzer, 19 Jahre<br />
Wohnt in Zollikerberg (ZH)<br />
Fleischfachfrau in Aubildung, 3. Lehrjahr<br />
Dorfmetzg Jaun, Neuenegg (BE)<br />
Die Fleischbranche ist längst nicht mehr das,<br />
wofür sie in vielen Köpfen noch immer steht.<br />
Die blutige Metzgerschürze, mit der sie oft auch<br />
heute noch identifiziert wird, ist längst Vergangeneit.<br />
Fleischfachberufe bieten jungen, initiativen<br />
Menschen hervorragende Entfaltungs- und<br />
Karrieremöglichkeiten.<br />
«Es ist nicht so, dass wir gross, stark und dumm sind. Wir<br />
sind gross, stark und gescheit». Diejenige, die das sagt<br />
und damit auf die in weiten Bevölkerungskreisen herrschenden<br />
Vorurteile bezüglich des Metzgerberufs Bezug<br />
nimmt, ist nicht körperlich gross, wohl aber stark in ihrem<br />
Willen, etwas zu erreichen, sowie wach und intelligent dazu.<br />
Man würde ihr locker attestieren, dass sie auf dem Weg<br />
zu einer akademischen Karriere zurzeit das Gymnasium<br />
besucht oder ihren Berufsalltag im gestylten Office einer<br />
Bank verbringt. Weit gefehlt. Die junge Frau lernt im dritten<br />
Lehrjahr den herausfordernden Beruf einer Fleischfachfrau.<br />
In der von ihr gewählten Fachrichtung «Veredelung» ist die<br />
Schlachtung von Tieren kein Teil der Ausbildung.<br />
Dabei wollte Tanja zunächst alles werden, nur nicht Fleischfachfrau.<br />
Ihr Klassenlehrer der Sekundarschule A empfahl<br />
das Gymnasium als nächste Ausbildungsstufe. Für Tanja<br />
stand jedoch von Anfang an fest: «Das Büro ist nicht<br />
meine Welt.» Um sich ein Bild zu machen, schnupperte<br />
sie in einer Vielzahl von Berufen: u. a. Pharmaassistentin,<br />
(tier)-medizinische Praxisassistentin und auch Fleischfachfrau.<br />
Das Fleischfach war diejenige Branche, wo sie am<br />
meisten Möglichkeiten sah, sich beruflich weiterzuentwickeln<br />
und ihre Kreativität und Ideen frei einzubringen. Sie<br />
hat diesen Entscheid nie bereut. Einer der bei ihrer <strong>Berufswahl</strong><br />
ausschlaggebenden Faktoren waren die vielfältigen<br />
Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten: «Der Beruf ist<br />
weit anspruchsvoller, als ich mir das vorgestellt hatte, aber<br />
auch viel abwechslungsreicher. Fleischfachleute arbeiten<br />
selbstständig und entwickeln immer neue Ideen für Produkte<br />
und Arbeitsabläufe. Wir haben einen der spannendsten,<br />
kreativsten und anspruchsvollsten Berufe. Darauf bin ich<br />
sehr stolz, auch wenn das viele Leute heute leider nicht<br />
mehr oder noch nicht wahrhaben wollen.»<br />
www.swissmeatpeople.ch<br />
SWISS<br />
SWISS
Die Qualität muss<br />
stimmen – auch bei der<br />
Grundbildung.<br />
Dario G., Lernender Detailhandelsfachmann<br />
Für meine Lehre. Für meine Zukunft.<br />
Coop bietet jährlich über 1000 Lehrstellen in über 20 spannenden<br />
Berufen an. Entdecke jetzt, wie du bei uns deine Talente entfalten kannst, auf<br />
www.coop.ch/grundbildung<br />
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