05/2017
Fritz + Fränzi
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«Einem Mann, dem es gut geht, fällt<br />
es leichter, ein guter Vater zu sein»<br />
Ein Gespräch mit dem Männerberater Martin Bachmann über engagierte Väter,<br />
Kindergeburtstage und wie dauermüde Paare ihre Beziehung in Schwung halten.<br />
Interview: Reto Hunziker<br />
Herr Bachmann, was sind heute die<br />
Probleme des modernen Vaters?<br />
Zuerst einmal: Den modernen Vater<br />
gibt es nicht. Nach wie vor existieren<br />
diverse Varianten des Mannseins<br />
und Vaterseins. Dennoch gibt es<br />
Herausforderungen, denen sich<br />
wohl die meisten Väter im Jahre <strong>2017</strong><br />
stellen müssen.<br />
Die da wären?<br />
Eine Herausforderung ist, mit den<br />
vielen Freiheiten umzugehen. Wir<br />
haben heute viel mehr Möglichkeiten<br />
als früher, unser Leben zu gestalten.<br />
Das bedeutet aber auch, dass wir<br />
uns öfter entscheiden müssen. Das<br />
klassische Rollenmuster ist in die<br />
Jahre gekommen, es ist nicht mehr<br />
a priori klar, was die Aufgabe der<br />
Mutter ist und was die des Vaters.<br />
Ergo müssen wir uns fragen: Was für<br />
ein Vater will ich sein? Wie alltagsrelevant<br />
möchte ich für meine Kinder<br />
sein?<br />
Diese Freiheiten sind also Fluch und<br />
Segen zugleich?<br />
Genau. Die weicheren Rollenbilder<br />
erlauben es, dass wir Väter die Beziehung<br />
zu unserem Kind aktiver<br />
ge stalten können. So gibt es zum<br />
Beispiel immer mehr Väter, die Kindergeburtstage<br />
organisieren. Das ist<br />
«Mein Vater hat mir nie die<br />
Windeln gewechselt. Heute<br />
kommst du damit wohl<br />
nicht mehr davon.»<br />
toll, aber auch eine Herausforderung,<br />
weil das aktive Vatersein viel<br />
Planung erfordert.<br />
Was sind weitere Herausforderungen?<br />
Alles unter einen Hut zu bringen:<br />
Arbeit, Familie, Hobbys. Viele Männer,<br />
die bewusste und vielseitige<br />
Väter sein möchten, wollen zu viel,<br />
machen zu viel. Sie vergessen in all<br />
ihren Verpflichtungen, für sich selbst<br />
zu schauen. Kurz, sie verfügen über<br />
eine starke Aussenorientierung, ihre<br />
Innenwahrnehmung ist allerdings<br />
eher schwach.<br />
Was raten Sie diesen Männern?<br />
Sich selbst gerne zu haben und für<br />
sich selbst Sorge zu tragen. Wenn es<br />
mir als Mann gut geht, fällt es mir<br />
auch leichter, ein guter Vater zu sein.<br />
Plakativ gefragt: Ist es heute schwieriger,<br />
Vater zu sein, als früher?<br />
Mein eigener Vater sagt: «Ihr habt es<br />
toll, so viele Möglichkeiten wie ihr<br />
habt. Aber ich stelle es mir auch verdammt<br />
anstrengend vor.» Und damit<br />
trifft er es sehr genau. Mit den Optionen<br />
steigt auch der Planungsbedarf.<br />
Meine Eltern mussten wenig darüber<br />
streiten, wer was macht, mussten<br />
kaum etwas verhandeln. Mein Vater<br />
hat mir nie die Windeln gewechselt.<br />
Heute kommst du damit wohl nicht<br />
mehr davon. Aber jede Zeit hat ihre<br />
Schwierigkeit.<br />
Aber früher gab es doch auch<br />
engagierte Väter.<br />
Natürlich gab es Ausnahmen, Väter,<br />
die sich total für ihre Kinder eingesetzt<br />
und aufgeopfert haben, und das<br />
gegen die Rollenerwartung. Der<br />
Unterschied: Heute sind diese Väter<br />
deutlich zahlreicher. Für Väter ist es<br />
jetzt die beste Zeit, die Vorteile überwiegen<br />
klar.<br />
Dennoch entscheiden sich auch heute<br />
viele Männer für die Versorgerrolle.<br />
Wenn sich heute ein Paar für das<br />
traditionelle Modell entscheidet,<br />
dann bewusster und nicht, weil es<br />
sich so gehört oder es gar keine andere<br />
Wahl hätte. Das ist gut so, und<br />
deswegen sind diese Männer nicht<br />
schlechte Papis. Es sind einfach<br />
andere Papis.<br />
Angesichts der Pluralität dieser Vätermodelle:<br />
Steckt der Mann in einer<br />
Identitätskrise?<br />
Nein, das beobachte ich so nicht.<br />
Klar ist aber: Wer den unkonventionellen<br />
Weg geht, hat weniger Vorbilder.<br />
Und manche bleiben darob<br />
orientierungslos.<br />
Inwiefern ist das Kind für die Eltern<br />
als Paar eine Zerreissprobe?<br />
Im Vergleich zu früher haben wir<br />
weniger Kinder, dadurch werden sie<br />
für uns umso wichtiger. Kinder zu<br />
haben, ist in unserer Biografie relevanter<br />
geworden als noch vor 30<br />
Jahren. Das hat auch Konsequenzen.<br />
Mit Kindern sind wir etwa stärker<br />
an unseren Partner gebunden. In<br />
unserer schnelllebigen, oft beliebigen<br />
Welt gehen wir eine intensive<br />
lebensorganisatorische Verbindung<br />
ein. Auch wenn wir schon viel konfliktkompetenter<br />
geworden sind –<br />
das birgt immer noch viel Konfliktpotenzial.<br />
Und Frustrationspotenzial?<br />
Auch, ja. Dem Klischee zufolge<br />
kriegt ein rechter Mann alles gebacken.<br />
Das war schon immer Unsinn,<br />
jetzt hat es sich aber noch zugespitzt:<br />
30 Mai <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi