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05/2017

Fritz + Fränzi

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vertrat ein traditionelles Ideal und sah ihren<br />

Partner in erster Linie als Brotverdiener.<br />

Wie gut passt das väterliche Ideal zu dem,<br />

was in den Familien tatsächlich passiert?<br />

Da sehen wir, dass das Selbstbild in keiner<br />

Weise mit der Realität übereinstimmt. Väter<br />

und Mütter sagen zwar: Wir wollen beide<br />

für die Kinder da sein. Wenn dann aber das<br />

erste Kind geboren wird, geht der Vater<br />

weiter arbeiten – und zwar in Vollzeit, nicht<br />

selten mit Überstunden.<br />

In der Schweiz gilt das für mehr als<br />

80 Prozent aller Väter, deren Kinder 14<br />

oder jünger sind. Das sagen die aktuellen<br />

Zahlen des Bundesamtes für Statistik.<br />

Gleichzeitig kann man sehen, dass die<br />

Mutter oft für viele Jahre aus dem Berufsleben<br />

ausscheidet. Mit der Geburt des<br />

ersten Kindes kommt es also zu einer Traditionalisierung<br />

des Familienmodells. Dafür<br />

gibt es einen einfachen Grund: Der Mann<br />

verdient meist mehr als die Frau – deshalb<br />

entscheiden sich beide übereinstimmend<br />

dafür, dass er sich stärker im Job engagiert<br />

und sie zu Hause bleibt. Danach kommen<br />

die meisten Paare kaum noch aus dieser<br />

Traditionalisierung heraus. Das verschärft<br />

sich sogar noch, wenn das Paar weitere<br />

Kinder bekommt. Die Bereitstellung von<br />

Betreuungsangeboten für die Kinder kann<br />

helfen, diese Traditionalisierung zu überwinden.<br />

Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert<br />

sich um den Haushalt und die Kinder<br />

– dieses Modell hat über viele Generationen<br />

funktioniert. Was soll daran schlecht<br />

sein?<br />

Es macht die Frauen unzufrieden, vor allem<br />

jene, die eigentlich gut ausgebildet sind<br />

und weiterarbeiten wollen, aber wegen der<br />

Kinder zu Hause bleiben. Diese Gruppe war<br />

in unseren Untersuchungen besonders<br />

unglücklich.<br />

Die Männer haben damit kein Problem?<br />

Doch, natürlich. Die Väter erleben denselben<br />

inneren Konflikt, den man von berufstätigen<br />

Müttern kennt. Es fällt ihnen schwer, Beruf<br />

und Familie zu vereinbaren. Das gilt für mehr<br />

als ein Drittel der Väter. Neuere Studien<br />

bestätigen diesen Befund.<br />

Welchen Einfluss hat das für Familie und<br />

Partnerschaft?<br />

Wir haben darin die wichtigste Quelle für<br />

Probleme innerhalb der Elternbeziehung<br />

entdeckt. Wenn ein Mann ein egalitäres<br />

Selbstbild vertritt, Beruf und Familie vereinbaren<br />

möchte, seine Frau aber zu Hause<br />

bleibt und ein eher konservatives Konzept<br />

vertritt, dann kann man sehen, dass da ­<br />

durch das Wohlbefinden des Mannes beeinträchtigt<br />

wird, Konflikte in der Partnerschaft<br />

entstehen und seine Akzeptanz und Wertschätzung<br />

gegenüber der Frau leidet. Dies<br />

erfolgt aber nicht in gleicher Weise, wenn<br />

die Frau ebenfalls egalitär ausgerichtet ist.<br />

Wie bewusst ist den Vätern ihr eigenes<br />

Selbstbild?<br />

Das ist unterschiedlich. Es gibt eine Gruppe<br />

von Männern, die das reflektieren. Die<br />

meisten erleben es jedoch unbewusst. Sie<br />

kommen in eine diffuse Situation hinein, in<br />

der sie sich irgendwie unwohl fühlen. Aber<br />

sie können sich nicht rational erklären,<br />

woran das eigentlich liegt.<br />

Sie sagen: Wenn Vater und Mutter<br />

unterschiedliche Idealvorstellungen von<br />

Vaterschaft haben, ergeben sich Konflikte.<br />

Was raten Sie Vätern konkret?<br />

Ein guter Vater sollte sehr viel Zeit und<br />

Energie in die Qualität seiner Partnerschaft<br />

investieren. Wie gut er und seine Partnerin<br />

sich verstehen, ihre Beziehung auf gegenseitige<br />

Wertschätzung aufbauen – das sind<br />

die Dimensionen mit der stärksten Vorhersagekraft<br />

für die Entwicklung der Kinder.<br />

Vereinfacht gesagt: Glückliche Paare sind<br />

in der Regel auch gute Eltern.<br />

Apropos Kinder: Wie sehr leiden die Kinder<br />

darunter, wenn ihr Papa den ganzen Tag bei<br />

der Arbeit ist?<br />

Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, dass<br />

es nur auf die Anzahl der gemeinsam verbrachten<br />

Stunden ankäme. Wir sehen in<br />

unseren Studien, dass die Qualität der<br />

Begegnungen viel wichtiger ist. Die Väter<br />

kommen abends nach Hause und widmen<br />

sich ihren Kindern. Die gemeinsame Zeit<br />

findet also in einem entspannten Zusammenhang<br />

statt. Und die Väter nutzen diese<br />

Zeit meistens sehr intensiv. Ausserdem<br />

gibt es viele Möglichkeiten, den Kindern<br />

zu signalisieren, dass man an sie denkt.<br />

Auch wenn man unterwegs ist.<br />

Einige Väter gehen bewusst in Teilzeit<br />

oder bleiben komplett zu Hause. Ist es für<br />

die Kinder eigentlich egal, ob Vater oder<br />

Mutter ihre erste Bezugsperson ist?<br />

Darauf gibt es zwei Antworten. Die eine<br />

lautet: Wenn man die Kompetenzen von<br />

Vätern und Müttern untersucht, findet man<br />

viel mehr Übereinstimmungen als Unterschiede.<br />

Beide sind von Anfang an gleich<br />

geeignet, Kinder zu erziehen.<br />

Und die zweite Antwort?<br />

Männer führen einen Haushalt anders, als<br />

Frauen das tun. Frauen fühlen sich alleine<br />

für alles verantwortlich. Sie delegieren<br />

wenig, kontrollieren aber stark, ob das, was<br />

sie delegiert haben, umgesetzt wird. Und<br />

sie setzen die Standards relativ hoch. Die<br />

Männer auf der anderen Seite betrachten<br />

den Haushalt als gemeinsame Aufgabe der<br />

Familie. Sie delegieren mehr an die Kinder,<br />

sie setzen die Standards nicht hoch und<br />

kontrollieren nicht viel. Anders gesagt:<br />

Väter lassen mehr Freiräume. Und das<br />

fördert die Autonomie der Kinder.<br />

Zur Person<br />

Wassilios E. Fthenakis ist in Griechenland<br />

geboren. Er leitete das Staatsinstitut für<br />

Frühpädagogik in München und war Inhaber<br />

des Lehrstuhls für Entwicklungspsychologie<br />

u. a. an der Freien Universität Bozen, Italien.<br />

Bis heute gilt er als der einflussreichste<br />

Väterforscher im deutschsprachigen Raum.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Mai <strong>2017</strong>21

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