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Stahlreport 2016.11

Das Magazin des Bundesverbands Deutscher Stahlhandel für die Stahldistribution

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ten auf, die die Realisierung zu einer<br />

nicht alltäglichen und interessanten<br />

Aufgabe machten“, sagt Dipl.-Bauing.<br />

Urs Kern, Projektleiter der Tuchschmid<br />

AG in Frauenfeld.<br />

An erster Stelle ist dazu die doppelte<br />

Krümmung des Bauwerks zu nennen:<br />

Die Brücke ist um ihre Längsachse<br />

sowohl seitlich als auch vertikal<br />

gebogen. Die Berücksichtigung dieser<br />

Krümmungen erforderte einen entsprechend<br />

höheren Aufwand sowohl<br />

beim Zuschneiden der einzelnen Blechteile<br />

als auch bezüglich der Vorrichtungen<br />

und Stützkonstruktionen, die für<br />

das Verschweißen in korrekter Lage<br />

erforderlich waren.<br />

Die Stahlkonstruktion musste mit<br />

einer zusätzlichen Überhöhung von<br />

bis zu 140 mm ausgeführt werden,<br />

damit sich die vom Architekten<br />

gewünschte Geometrie erst dann einstellt,<br />

wenn die rund 350 t schwere<br />

Fahrbahnplatte aus Beton aufgebracht<br />

ist.<br />

Hinzu kam die logistische Herausforderung,<br />

denn die rund 100 m lange<br />

Gesamtkonstruktion war so groß, dass<br />

sie in der Werkstatt gar nicht im Ganzen<br />

hätte gefertigt werden können.<br />

Zudem wäre der Einsatz eines Krans,<br />

der ein solches Monstrum in einem<br />

Stück hätte bewältigen können, viel zu<br />

teuer geworden.<br />

Die Gesamtkonstruktion wurde<br />

daher aus insgesamt fünf einzelnen<br />

Segmenten gefertigt, die auf der Baustelle<br />

zunächst zu insgesamt drei größeren<br />

Teilstücken verschweißt wurden.<br />

Anschließend wurden zunächst<br />

die beiden Seitenteile mit dem Kran eingehoben<br />

und verankert. Krönender<br />

Abschluss war dann das Einheben des<br />

Mittelteils, das in Millimeterarbeit an<br />

Qualitätssicherung: Der einwandfreie<br />

Zustand der Schweißnähte wurde anhand<br />

eines genauen Prüfplans mithilfe von<br />

Ultraschallmessungen dokumentiert.<br />

Ort und Stelle gebracht und anschließend<br />

mit den beiden anderen Teilstücken<br />

zu einem durchgehenden Träger<br />

verschweißt wurde.<br />

Hunderte Einzelteile<br />

„Der trogförmige Träger der Brücke<br />

muss natürlich durch eine Reihe von<br />

Rippen, Verstrebungen und Verstärkungen<br />

ausgesteift werden“, so Urs<br />

Kern. Zu den Beanspruchungen der<br />

Brücke gehören neben den eigentlichen<br />

Belastungen durch den Verkehr<br />

und die Eigenlast auch die thermischen<br />

Spannungen, da sich das Material der<br />

Brücke durch Temperaturänderungen<br />

ausdehnt bzw. zusammenzieht. Deshalb<br />

wird auf dem Untergurt beispielsweise<br />

mittig eine durchgehende Längsaussteifung<br />

gegen Beulung eingeschweißt,<br />

die im Bereich der Pfeiler<br />

noch um zwei weitere Aussteifungen<br />

ergänzt wird.<br />

Insgesamt besteht die Brücke aus<br />

einem regelrechten Puzzle von mehreren<br />

hundert Blechteilen mit Wanddicken<br />

zwischen 15 und 50 mm. Diese<br />

Einzelteile wurden von einem spezialisierten<br />

Zulieferer mithilfe von Autogen-<br />

bzw. Plasmabrennern exakt auf<br />

Maß geschnitten und die Kanten nach<br />

Vorgabe vorbereitet bzw. angefast.<br />

In der Werkstatt der Tuchschmid<br />

AG begann dann im November 2015<br />

die genau auf den geplanten Baufortschritt<br />

abgestimmte Fertigstellung der<br />

insgesamt fünf einzelnen Baugruppen<br />

mit Längen von bis zu 25 m und<br />

Gewichten von bis zu knapp 40 t. Die<br />

Arbeiten im Werk dauerten bis zum<br />

März 2016. Fertige Baugruppen wurden<br />

anschließend mit Spezialfahrzeugen<br />

just in time an die Baustelle geliefert.<br />

Schweißtechnische Fleißarbeit<br />

„Die Ausführung der eigentlichen<br />

Schweißarbeiten stellte von der verwendeten<br />

Technologie her keine besonderen<br />

Herausforderungen dar“, verrät<br />

Urs Kern. Beim Großteil der Nähte handelte<br />

es sich um die „klassische“ V-<br />

Naht, ergänzt durch eine gewisse<br />

Anzahl an X-, K- und Blechnähten. Zum<br />

Einsatz kam das seit Jahrzehnten<br />

bewährte Metall-Aktivgas(MAG)-<br />

Schweißen mit auf den Konstruktionswerkstoff<br />

abgestimmtem Drahtmaterial.<br />

Die Herausforderungen lagen eher in<br />

der sachgerechten Organisation der<br />

Arbeitsabläufe sowie der entsprechenden<br />

Logistik sowie in der Sicherung<br />

und Dokumentation der geforderten<br />

Qualität. Dazu mussten entsprechende<br />

Prüfpläne erstellt, die geeigneten Prüfmittel<br />

– insbesondere Ultraschallprüfsysteme<br />

– eingesetzt und die Prüfungen<br />

einschließlich der entsprechenden<br />

Dokumentation mit der erforderlichen<br />

Sorgfalt durchgeführt werden.<br />

Hierfür wurde auch auf die Leistungen<br />

des externen Prüfinstituts Qualitech<br />

AG zurückgegriffen. Wie umfangreich<br />

die Schweißarbeiten letztlich ausfielen,<br />

kann man daran erkennen, dass<br />

insgesamt 2,5 bis 3 t Schweißdraht<br />

verarbeitet wurden.<br />

Herausforderung CAD/CAM<br />

„Eine große Herausforderung bestand<br />

für uns darin, die bereits erwähnte<br />

elastische Formänderung der Stahlkonstruktion<br />

nach Aufbringen der<br />

Fahrbahn zu kompensieren“, erläutert<br />

der Projektleiter von Tuchschmid, Urs<br />

Kern. Dazu mussten die Einzelteile –<br />

vor allem die seitlichen Stege – mit<br />

einer präzise berechneten Krümmungsüberhöhung<br />

zugeschnitten werden.<br />

Beim Schweißen mussten dann auch<br />

die Lehren bzw. Stützkonstruktionen<br />

die entsprechende Geometrie vorgeben.<br />

Die Auslegung erfolgte so, dass<br />

sich die vom Architekten gewünschte<br />

Sollkontur erst nach Zusammenbau<br />

aller Elemente und dem Aufbringen<br />

der rund 350 t schweren Betondecke<br />

nebst Fahrbahn aufgrund der Verformung<br />

durch das aufgebrachte Gewicht<br />

einstellte.<br />

Mithilfe des CAD-Programms<br />

HiCAD hat die Tuchschmid AG die entsprechenden<br />

Geometriedaten ermittelt<br />

und sie anschließend in das CAD-<br />

Programm Tekla „übersetzt“, um die<br />

Stegbleche passend herzustellen. „Die<br />

korrekte Einhaltung dieser Vorgaben<br />

schon beim Ausbrennen der Blechteile<br />

und auch später beim Vorbereiten der<br />

Fasen und dem eigentlichen Schweißen<br />

war eine wirklich spannende Aufgabe“,<br />

erinnert sich Projektleiter Kern.<br />

Dank seiner Erfahrung auf diesem<br />

Gebiet ist es dem Stahlbauunternehmen<br />

gelungen, alle zeitlichen Vorgaben<br />

einzuhalten und die fertige Stahlkonstruktion<br />

pünktlich zu übergeben. 2<br />

<strong>Stahlreport</strong> 11|16<br />

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