COMPACT SPEZIAL 9 "Zensur in der BRD"
Die Liste der verbotenen Autoren
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<strong>COMPACT</strong>Spezial<br />
_ <strong>Zensur</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse<br />
Jürgen Elsässer<br />
Jürgen Elsässer (*1957)<br />
war seit Anfang <strong>der</strong> 1990er<br />
Jahre unter an<strong>der</strong>em für die<br />
Tageszeitungen Junge Welt<br />
und Neues Deutschland, die<br />
Wochenzeitungen Jungle World<br />
und Jüdische Allgeme<strong>in</strong>e sowie<br />
für das Monatsmagaz<strong>in</strong> Konkret<br />
tätig. Seit 2010 ist er Chefredakteur<br />
von <strong>COMPACT</strong>.<br />
E<strong>in</strong>ige verfügbare Titel:<br />
Terrorziel Europa. Das<br />
gefährliche Doppelspiel <strong>der</strong><br />
Geheimdienste. (Residenz Verlag,<br />
St. Pölten 2008, 344 Seiten,<br />
24.80 Euro)<br />
Nationalstaat und Globalisierung.<br />
Als L<strong>in</strong>ker vor <strong>der</strong><br />
Preußischen Gesellschaft.<br />
(Manuscriptum, Waltrop 2009,<br />
101 Seiten, 8.80 Euro)<br />
Gegen F<strong>in</strong>anzdiktatur. Die<br />
Volks<strong>in</strong>itiative: Grundsätze,<br />
Konzepte, Ziele. (Kai Homilius<br />
Verlag, Wer<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Havel<br />
2009, 105 Seiten, 7.50 Euro)<br />
Iran. Fakten gegen westliche<br />
Propaganda. (Kai Homilius Verlag,<br />
Wer<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Havel 2009,<br />
104 Seiten, 7.50 Euro)<br />
Die Schattenregierung.<br />
Geheimstrukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
US-Politik von 9/11 bis Obama.<br />
(Kai Homilius Verlag, Wer<strong>der</strong><br />
an <strong>der</strong> Havel 2011, 120 Seiten,<br />
8.80 Euro)<br />
PACT-kompatiblen Schlagzeile: «Man of the Year:<br />
Barbar <strong>in</strong> Zivil». Doch seltsam: Während Weißes<br />
Haus und Pentagon im Laufe <strong>der</strong> nächsten Monate<br />
ihre Kriegsvorbereitungen gegen den Irak <strong>in</strong>tensivierten,<br />
wurde die Kritik im Hause Gremliza immer<br />
zurückhalten<strong>der</strong>. Als zur Frankfurter Buchmesse<br />
2002 gar noch e<strong>in</strong> Konkret-Buch erschien, das offen<br />
für e<strong>in</strong>en Feldzug gegen das Zweistromland<br />
warb, setzte sich Elsässer energisch für e<strong>in</strong> klares<br />
Antikriegsprofil e<strong>in</strong>. Gremliza entgegnete, es gebe<br />
gute Gründe gegen und gute Gründe für den Krieg,<br />
beides müsse im Blatt zu lesen se<strong>in</strong>. Zu den guten<br />
Gründen gehörte <strong>in</strong> <strong>der</strong> zionistischen Weltsicht des<br />
Herausgebers die Verteidigung Israels gegen den<br />
angeblichen Antisemiten Saddam Husse<strong>in</strong>.<br />
«Wer jetzt ke<strong>in</strong>e antiamerikanischen Zuckungen<br />
hat, ist entwe<strong>der</strong> hirntot o<strong>der</strong> gekauft» – das<br />
durfte Elsässer immerh<strong>in</strong> <strong>in</strong> Konkret noch dagegenstellen.<br />
Doch se<strong>in</strong> Versuch, das erwähnte Buch im<br />
Blatt kritisch zu rezensieren, wurde energisch torpediert.<br />
Bei <strong>der</strong> dann anberaumten Krisensitzung<br />
spielte Elsässer e<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlich starken Trumpf<br />
aus: «Ich wies darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Autoren<br />
des Sammelbandes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit offen damit geprahlt<br />
hatte, auf <strong>der</strong> Payroll des Pentagon zu stehen. Wie<br />
konnte e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>ke Publikation e<strong>in</strong>en bezahlten Agenten<br />
des US-Imperialismus schreiben lassen? Gremliza<br />
konterte ungerührt: Auch Adorno und Horkheimer<br />
hätten bekanntlich im Zweiten Weltkrieg Auftragsarbeiten<br />
für den US-Geheimdienst gemacht,<br />
das sei ke<strong>in</strong> Kriterium. Damit war ich Schachmatt»,<br />
erzählt <strong>der</strong> Geschasste im Rückblick.<br />
«Junge Welt» – früh vergreist<br />
In <strong>der</strong> Jungen Welt (JW) wurde e<strong>in</strong>e Schmerzgrenze<br />
spürbar, als Elsässer im Juni 2006 die neue<br />
Regierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Slowakei lobte – e<strong>in</strong>e Koalition<br />
aus <strong>der</strong> sozialdemokratischen Smer-Partei von<br />
dem (auch heute wie<strong>der</strong> amtierenden) Premier Robert<br />
Fico und <strong>der</strong> rechten, früher rechtsradikalen<br />
Slowakischen Nationalpartei (SNS). Für Spr<strong>in</strong>gers<br />
Welt war das e<strong>in</strong>e «Koalition <strong>der</strong> Extreme», für die<br />
Taz e<strong>in</strong> «Gruselkab<strong>in</strong>ett».<br />
Elsässer schrieb: «E<strong>in</strong>e Regierung, die solche<br />
Gegner hat, kann so schlecht nicht se<strong>in</strong>. Tatsächlich:<br />
Zum ersten Mal seit <strong>der</strong> kapitalistischen<br />
Wende 1989/90 kommt <strong>in</strong> Donald Rumsfelds<br />
”neuem” Europa e<strong>in</strong>e politische Kraft ans Ru<strong>der</strong>,<br />
die mit dem Neoliberalismus brechen will. (…) Nur<br />
mit <strong>der</strong> SNS hat Fico e<strong>in</strong>e Mehrheit für se<strong>in</strong>e soziale<br />
Wirtschaftspolitik. Hätte er darauf verzichten<br />
und es den Gutmenschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> SPD und an<strong>der</strong>swo<br />
recht machen sollen – um den Preis, dass <strong>der</strong> Neoliberalismus<br />
weitergeht?» Elsässer wurde vor die<br />
Ressortleitersitzung zitiert und musste sich vom<br />
Geschäftsführer Vorwürfe wegen «Querfrontpolitik»<br />
machen lassen, nahm aber se<strong>in</strong>e Position nicht<br />
zurück.<br />
«Wer jetzt ke<strong>in</strong>e antiamerikanischen<br />
Zuckungen hat, ist entwe<strong>der</strong><br />
hirntot o<strong>der</strong> gekauft.» Elsässer 2002<br />
Dieses Spielchen wie<strong>der</strong>holte sich mehrfach,<br />
zum Beispiel, als Elsässer nach den für die L<strong>in</strong>ke<br />
desaströsen Wahlen zum Berl<strong>in</strong>er Abgeordnetenhaus<br />
im September 2006 <strong>der</strong> Kragen platzte. «Mit<br />
Staatsknete wird Multikulti, Gen<strong>der</strong>ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g<br />
und die schwule Subkultur geför<strong>der</strong>t, während die<br />
Proleten auf Hartz IV gesetzt werden und sich<br />
Foto: Kai Homilius Verlag<br />
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Jürgen Elsässer bei e<strong>in</strong>er Buchlesung<br />
für das «Neue Deutschland»<br />
(2008). Fotos: Privat