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COMPACT SPEZIAL 9 "Zensur in der BRD"

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<strong>COMPACT</strong>Spezial<br />

_ <strong>Zensur</strong> im Radio<br />

<strong>der</strong> orientalische Touch s<strong>in</strong>d eigentlich die besten<br />

Voraussetzungen, um im postmo<strong>der</strong>nen Medienbetrieb<br />

Karriere zu machen – und tatsächlich sah<br />

für Jebsen zunächst alles gut aus.<br />

Die goldenen Zeiten<br />

Ab Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre war er, oft unter<br />

dem Namen «Keks», als Mo<strong>der</strong>ator beim Reutl<strong>in</strong>ger<br />

Privatsen<strong>der</strong> Radio Neufunkland tätig, danach<br />

wechselte er als TV-Reporter zur Deutschen Welle,<br />

schließlich war er ab 1994 16 Mal bei <strong>der</strong> Mondsche<strong>in</strong>show<br />

des ZDF. Dann g<strong>in</strong>g es als Mo<strong>der</strong>ator<br />

zum Fritz-Vorläufer Radio 4U, weiterh<strong>in</strong> begleitete<br />

er die Fernsehzuschauer durch die ProSieben Morn<strong>in</strong>g<br />

Show.<br />

Im April 2001 hatte er se<strong>in</strong>en Traumjob gefunden:<br />

die Radioshow KenFM beim RBB. Über<br />

zehn Jahre fesselte er vorwiegend junges Publikum<br />

jeden Sonntag vier Stunden lang mit e<strong>in</strong>er<br />

attraktiven Mischung aus Musik und Textbeiträgen.<br />

Gesendet wurde vor Publikum, etwa aus <strong>der</strong><br />

Peugeot Avenue <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Mitte o<strong>der</strong> dem Sony<br />

Center am Potsdamer Platz, später aus Studios <strong>in</strong><br />

Potsdam-Babelsberg. In <strong>der</strong> Regel spielte m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong>e Band live, dazu kamen Poetry-Slammer<br />

o<strong>der</strong> alternative Künstler. Jebsen selber mischte<br />

bisweilen politische Inhalte unter, friedenspolitische<br />

Themen und Kapitalismuskritik, gerne auch<br />

Multikulti. 2006 gewann er zusammen mit e<strong>in</strong>er<br />

Kolleg<strong>in</strong> den Europäischen Radiopreis CIVIS für<br />

e<strong>in</strong>en Beitrag über e<strong>in</strong>e kurdische Migrant<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, die «e<strong>in</strong>en Grenzgang zwischen islamischer<br />

Tradition und westlicher Lebensweise wagte», wie<br />

Wikipedia <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohlfühl-Diktion <strong>der</strong> Refugee-<br />

Generation schreibt.<br />

Der Auschwitz-Trumpf<br />

Jebsen war Opfer e<strong>in</strong>er Intrige geworden: E<strong>in</strong><br />

Hörer hatte e<strong>in</strong>e private (!) Chat-Nachricht von ihm<br />

an Bro<strong>der</strong>, dieser sie an den RBB lanciert. Dar<strong>in</strong> fand<br />

sich <strong>der</strong> Satz: «ich weis wer den holocaust als PR<br />

erfunden hat» – e<strong>in</strong>e Anspielung auf Edward Bernays,<br />

den Strategen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Propaganda. In<br />

Bro<strong>der</strong>s Darstellung war Jebsen damit des Antisemitismus<br />

und <strong>der</strong> Holocaust-Leugnung überführt –<br />

obwohl bei genauer Lektüre des <strong>in</strong> <strong>der</strong> Orthographie<br />

schludrig h<strong>in</strong>geworfenen Textes schnell klar wird,<br />

dass Jebsen nicht den Judenmord <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />

als Erf<strong>in</strong>dung bezeichnet hatte, son<strong>der</strong>n<br />

die Propaganda drum herum. Bro<strong>der</strong>, <strong>der</strong> im Spiegel<br />

2001 selbst über entsprechende Geschäftemacher<br />

gespottet hatte («There is no bus<strong>in</strong>ess like shoa bus<strong>in</strong>ess»),<br />

wollte aber nicht differenzieren – er wollte<br />

e<strong>in</strong>en Israelkritiker schachmatt setzen, und dafür<br />

war jedes Mittel Recht. Auch Jebsen ist die Doppelzüngigkeit<br />

Bro<strong>der</strong>s an diesem Punkt aufgefallen.<br />

«Er selber hat sich unlängst dafür e<strong>in</strong>gesetzt, dass<br />

<strong>der</strong> Straftatbestand <strong>der</strong> Holocaust-Leugnung fallengelassen<br />

wird. Wenn aber e<strong>in</strong>er den Holocaust leugnet<br />

– was ich nie getan habe, ganz im Gegenteil,<br />

für mich ist das e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> schlimmsten Verbrechen!<br />

–, dann ist er <strong>der</strong> erste beim Anschwärzen. Perfide,<br />

berechenbar, verlogen bis unters Dach und erbärmlich<br />

gegenüber den echten Holocaust-Opfern.<br />

Die Holocaust-Industrie benutzt sie. Se<strong>in</strong> [Bro<strong>der</strong>s]<br />

aktuelles Buch hat den Titel Vergesst Auschwitz.<br />

Würde ich das schreiben, würde er mir nachsagen,<br />

ich wolle relativieren!», sagte er mir im Interview<br />

für die <strong>COMPACT</strong>-Ausgabe April 2012.<br />

Der Sen<strong>der</strong> hielt<br />

den Antisemitismus-Vorwurf<br />

gegen se<strong>in</strong>en<br />

Mo<strong>der</strong>ator für<br />

«unbegründet» .<br />

Henryk M. Bro<strong>der</strong>. Foto: rotefahne.eu<br />

Die seit 1993 bestehende Jugendwelle<br />

«Fritz», heute Teil des RBB,<br />

rühmt sich gerne für ihre frechen<br />

Mo<strong>der</strong>ationen. Jebsen passte gut<br />

dazu Foto: fritz<br />

Das jähe Ende kam nach 545 Sendungen. Am<br />

6. November 2011 wurde das Programm nicht ausgestrahlt,<br />

<strong>der</strong> RBB entfernte Verweise auf den Mo<strong>der</strong>ator<br />

von se<strong>in</strong>er Website. Was war geschehen?<br />

Der Publizist Henryk M. Bro<strong>der</strong>, <strong>der</strong> gefürchtetste<br />

Skalpjäger <strong>der</strong> schreibenden Zunft, hatte den Mo<strong>der</strong>ator<br />

beim Management des GEZ-Komb<strong>in</strong>ats angeschwärzt.<br />

Dazu muss man wissen, dass Bro<strong>der</strong><br />

zwar e<strong>in</strong>erseits immer wie<strong>der</strong> gegen den Stachel<br />

<strong>der</strong> politischen Korrektheit lökt, an<strong>der</strong>erseits aber<br />

bei e<strong>in</strong>em Thema überhaupt ke<strong>in</strong>en Spaß versteht:<br />

Immer, wenn es um Juden o<strong>der</strong> Israel geht, passt<br />

Bro<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Verwandte durch den Holocaust verloren<br />

hat, auf wie e<strong>in</strong> Schießhund. Umgekehrt ist<br />

Jebsen, obwohl er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em YouTube-Video suggeriert,<br />

selbst aus e<strong>in</strong>er jüdisch-iranischen Familie zu<br />

stammen, trotzdem (o<strong>der</strong> deswegen?) e<strong>in</strong> scharfer<br />

Kritiker <strong>der</strong> israelischen Politik und <strong>der</strong> israelischen<br />

Staatsdoktr<strong>in</strong>, des Zionismus.<br />

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