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COMPACT SPEZIAL 8 "Asyl das Chaos"

So kommt der Bürgerkrieg nach Deutschland

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<strong>COMPACT</strong> Spezial<br />

_ Der Bürgerkrieg<br />

Putschtruppen<br />

Die parlamentarische Kontrolle<br />

der Notstandsmaßnahmen, die<br />

die Notstandsgesetze von 1968<br />

noch vorsehen, könnten durch<br />

eigens instruierte Putschtruppen<br />

umgangen werden, die außerhalb<br />

der Befehlskette der Armee<br />

aufgebaut wurden. Dazu gehören<br />

sogenannte Alarmrotten<br />

der Luftwaffe im norddeutschen<br />

Wittmund und im süddeutschen<br />

Neuburg. Dort gebe es Offiziere,<br />

«die im Fall eines übergesetzlichen<br />

Notstandes zur hundertprozentigen<br />

Befehlsausübung<br />

bereit sind», versicherte<br />

ein deutscher Offizier aus einer<br />

NATO-Luftverteidigungseinsatzzentrale<br />

Mitte September 2007<br />

gegenüber der Leipziger Volkszeitung.<br />

Eine «Befehlsverweigerung»<br />

im Falle eines Abschussbefehls<br />

für Flugzeuge sei auf<br />

Grund der Vorabsprachen deshalb<br />

«nicht vorstellbar», stellte<br />

der Offizier klar.<br />

«Auf den Kanzler<br />

kommt es an.»<br />

Im italienischen Vicenza haben<br />

europäische Polizeien ein sechswöchiges<br />

Anti-Terror-Manöver abgehalten.<br />

Foto: ilgiornaledivicenza.it<br />

der die Parteien im selben Proporz vertreten sind)<br />

festgestellt werden. Weiterhin heißt es in Artikel<br />

87a einschränkend: «Der Einsatz von Streitkräften<br />

ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat<br />

es verlangen.»<br />

Warum reichen den Unionisten diese 1968 eingeführten<br />

Möglichkeiten nicht? Ist ihnen lästig,<br />

<strong>das</strong>s sie nur mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit<br />

– also mit Zustimmung von zumindest<br />

Teilen der Opposition – in Kraft treten können?<br />

Dafür sprechen die Überlegungen, die Rudolf<br />

Georg Adam, Leiter der Bundesakademie für Sicherheitspolitik,<br />

bereits im Januar 2006 geäußert<br />

hat. Der frühere BND-Vize und Redenschreiber von<br />

Bundespräsident Richard von Weizsäcker plädierte<br />

damals, wie 2008 die Union in ihrem gerade zitierten<br />

Strategiepapier, für die Schaffung eines Nationalen<br />

Sicherheitsrates. Im Unterschied zum weitgehend<br />

machtlosen Bundessicherheitsrat soll er im<br />

Bedarfsfall die Macht in die Hände eines einzigen<br />

Mannes – im aktuellen Fall: einer einzigen Frau –<br />

legen. «Auf den Kanzler kommt es an, dann sollten<br />

die Grundfragen der nationalen Existenz, die Frage<br />

über Krieg und Frieden, die Bestimmung, was<br />

in letzter Konsequenz im deutschen Interesse liegt<br />

und welche Opfer dafür geboten sind, beim Kanzler<br />

liegen.» Und wann wäre dieser Fall gegeben?<br />

Laut Adam nicht nur bei einem kriegerischen Angriff<br />

auf <strong>das</strong> deutsche Staatsgebiet. «Es spricht Vieles<br />

(...) dafür, die Befehls- und Kommandogewalt<br />

nicht nur beim klassischen Verteidigungsfall, sondern<br />

auch bei (...) den militärisch relevanten Kriseneinsätzen<br />

(...) dem Kanzler zu übertragen.» Dasselbe<br />

soll auch im Falle eines Terrorangriffs auf<br />

deutschem Boden gelten. Da der Nationale Sicherheitsrat<br />

auch in der CDU/CSU-Strategie präventiv<br />

tätig werden soll (siehe oben), könnte er nach diesen<br />

Vorstellungen bereits bei der – echten oder<br />

erfundenen – Warnung vor einem Anschlag alle<br />

Macht an sich ziehen.<br />

Wie <strong>das</strong> abläuft, lehrt ein Blick auf die Kubakrise<br />

1962: US-Aufklärungsflugzeuge hatten sowjetische<br />

Raketen auf der Zuckerinsel entdeckt. John F. Kennedy<br />

berief <strong>das</strong> Executive Committee des Nationalen<br />

Sicherheitsrates ein. In der Stunde der Gefahr<br />

schien keine Zeit mehr für Beratungen und Abstimmungen<br />

im Kongress, alle Macht lag bei der Exekutive.<br />

Die Falken im Beraterstab plädierten mehrheitlich<br />

für Luftangriffe oder gar für eine Bodeninvasion.<br />

Da zog der Präsident die Notbremse und<br />

einigte sich mit seinem sowjetischen Amtskollegen<br />

Nikita Chruschtschow in letzter Minute auf beiderseitige<br />

Abrüstung. Der Dritte Weltkrieg war nur<br />

verhindert worden, weil der einsame Mann an der<br />

Staatsspitze klüger war als der Nationale Sicherheitsrat.<br />

Wie eine Kanzlerin Merkel im Falle eines<br />

Falles handeln würde, steht in den Sternen. Die<br />

gewählten Volksvertreter jedenfalls hatten im Falle<br />

der Kubakrise nie etwas zu melden.<br />

Einsatz von EU-Truppen<br />

Im Lissaboner Vertrag der Europäischen Union,<br />

der seit 1. Dezember 2009 in Kraft ist, gibt es eine<br />

«Solidaritätsklausel», die den Einsatz militärischer<br />

Mittel der EU auch auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten<br />

erlaubt. Die Formulierung bezieht<br />

sich auf die Abwehr von Terrorismus – doch wer definiert<br />

schon, wer oder was darunter fällt? Die «brüderliche<br />

Hilfe» wird in Marsch gesetzt, sobald die<br />

Regierung des jeweiligen Staates sie anfordert und<br />

der Europäische Rat mit Mehrheit zugestimmt hat.<br />

Ein UN-Mandat ist nicht erforderlich, und auch <strong>das</strong><br />

Europäische Parlament hat nicht mitzuentscheiden,<br />

es wird lediglich unterrichtet. Wenn einige Staaten<br />

Bedenken haben sollten, können die anderen<br />

die «ständige strukturierte Zusammenarbeit» einer<br />

Gruppe proklamieren, sozusagen ein Ad-hoc-Bündnis<br />

innerhalb der EU gründen.<br />

80<br />

Im Interventionsfall dürfte zunächst die European<br />

Gendarmerie Force zum Einsatz kommen,<br />

eine Hybrid-Truppe aus Polizei und Armee. Die<br />

600-Mann starke Einheit ist 2006 gegründet worden<br />

und ist im norditalienischen Vicenza stationiert.<br />

Bisher hat die Truppe kaum etwas zu tun gehabt,<br />

ein bisschen Friedenssicherung in Bosnien,<br />

ein bisschen Erdbebenhilfe in Haiti. Kommt es zu<br />

einem Kampfeinsatz, kann sie in Kürze um 2.300<br />

Soldaten aufgestockt werden.

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