COMPACT SPEZIAL 8 "Asyl das Chaos"

COMPACT Spezial
_ Der Bürgerkrieg
Mehmet und die Döner-Morde
_ von Federico Bischoff
Hat der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) zehn Menschenleben auf dem
Gewissen? Im Münchner Prozess gegen Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des
angeblichen Terror-Trios, fehlen die Beweise. Zeit also, eine alternative Spur wieder
aufzurollen: Dass zumindest in einige Tötungsdelikte der türkische Geheimdienst
verwickelt war.
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sollen, unterstützt
von Beate Zschäpe, von 2000 bis Frühjahr
2007 insgesamt zehn Menschen getötet haben.
Dies behauptet die Bundesanwaltschaft in der
Anklage vor dem Oberlandesgericht München gegen
Zschäpe und angebliche Unterstützer des sogenannten
Terror-Trios. Der Beweis für diese These
steht allerdings noch aus. Zum einen sind die Zeugenaussagen,
die die Beschuldigten an einigen wenigen
– keineswegs an allen! – der Tatorte gesehen
haben wollen, sehr vage und widersprüchlich.
Die teilweise angefertigten Phantombilder weisen
keinerlei Ähnlichkeit mit ihnen auf. Fingerabdrücke
und DNA fehlen vollständig. Auch die beiden einzigen
materiellen Beweisstücke sind nur von eingeschränktem
Wert: Die Herstellung des sogenannten
Bekennervideos mit der Comic-Figur Paulchen
Panther auf einem Computer in der Zwickauer Wohnung
der drei ist nicht nachweisbar. Die dafür verwendeten
Fotos und Filme stammen aus öffentlich
zugänglichen Quellen und deuten nicht auf exklusives
Täterwissen hin. Die in den meisten Fällen als
Mordwaffe verwendete Ceska-83 wurde zwar im
Brandschutt des Zwickauer Unterschlupfes gefunden
– aber seltsamer Weise erst nach einigen Tagen.
Wurde die Pistole untergeschoben? Völlig unklar
ist auch, wie die Ceska in den Besitz des Trios
gekommen sein soll.
Schüsse im Internetcafé
An diesem Punkt lohnt ein Blick auf eine andere
Theorie zu den Morden – die Theorie der türkischen
Spur. Sie lag schon dem Begriff «Döner-Morde»
zugrunde, der von vielen Medien bis Oktober
2011 verwendet worden ist und auch «Bosporus»
als Titel für die wichtigste LKA-Ermittlergruppe inspirierte.
Diese Spur findet sich etwa in einem Ar-
Veli A. wurde von
Zeugen mit drei der
Bluttaten in Verbindung
gebracht.
Die Kölner Keupstraße nach dem
Nagelbombenattentat von 2004.
Foto: AP