COMPACT SPEZIAL 8 "Asyl das Chaos"
So kommt der Bürgerkrieg nach Deutschland
So kommt der Bürgerkrieg nach Deutschland
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<strong>COMPACT</strong> Spezial<br />
_ Der Bürgerkrieg<br />
Der Arabische Frühling<br />
kommt nach Europa<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Die Linke hat in den Flüchtlingen ein neues revolutionäres Subjekt<br />
gefunden. Nachdem die Arbeiterschaft sich nicht unter der roten<br />
Fahne sammeln wollte, laufen die Achtundsechziger jetzt der<br />
grünen Fahne der muslimischen Einwanderer hinterher: Bis alles in<br />
Scherben fällt...<br />
«Ein Gespenst geht<br />
um in der Welt, und<br />
sein Name ist<br />
Migration.» Toni Negri<br />
Vortrag von Antonio Negri im<br />
Rahmen der zweiten Marx-Herbstschule.<br />
Berlin, 21.11.2009.<br />
Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung,<br />
CC BY 2.0, flickr.com<br />
Was ist eigentlich mit den Linken los? Wollten<br />
die nicht mal <strong>das</strong> Proletariat befreien? Seit<br />
die Arbeiter kämpfer vom Achtundsechziger-Virus<br />
befallen sind, hat sich <strong>das</strong> Zug um Zug geändert.<br />
Den «umherschweifenden Haschrebellen» – so die<br />
Selbstbezeichnung eines Fähnleins der damaligen<br />
Revoluzzer – waren die Malocher nämlich irgendwie<br />
viel zu spießig. «Wer zwei Mal mit derselben<br />
pennt, gehört schon zum Establishment» – mit diesem<br />
Slogan gingen die verkrachten Studenten auch<br />
auf ihre Eltern los, die ihnen als Werktätige ihre Eskapaden<br />
finanzierten.<br />
Im Unterschied zu den Sozialdemokraten und<br />
Kommunisten der alten Schule machten die Achtundsechziger<br />
um die Betriebe einen großen Bogen<br />
– Arbeiten war ihnen nämlich ebenfalls viel zu spießig.<br />
Ersatzweise entdeckte man <strong>das</strong> revolutionäre<br />
Subjekt in allen möglichen gesellschaftlichen Randgruppen:<br />
Hippies, Obdachlose, Heimzöglinge, Aussteiger,<br />
Feministinnen, Homosexuelle. Faustregel:<br />
Je irrer – umso revolutionärer.<br />
Da diese Randgruppen aber kaum die zu einem<br />
Umsturz notwendige kritische Masse auf die Beine<br />
bringen, rückten die Migranten in den Fokus.<br />
Erste Spuren dieser strategischen Umorientierung<br />
finden sich bereits Anfang der 1970er Jahre, als<br />
noch vereinzelt Fabrikagitation betrieben wurde:<br />
Joschka Fischer und seine Genossen vom Revolutionären<br />
Kampf (RK) versuchten damals bei Opel<br />
Rüsselsheim, die Streikunwilligkeit der deutschen<br />
Gewerkschafter mit Hilfe von aktionswütigen Gastarbeitern<br />
zu brechen. Ab Mitte der 1980er Jahre<br />
begannen die Revolutionären Zellen (RZ), ein RAF-<br />
Konkurrenzunternehmen, mit Anschlägen auf Einrichtungen<br />
und Führungspersonal der deutschen<br />
<strong>Asyl</strong>politik. In diesem Zusammenhang taucht der<br />
Begriff «revolutionäres Subjekt» in Bezug auf die<br />
sogenannten Flüchtlinge zum ersten Mal auf. «Ausländer,<br />
lasst uns mit den Deutschen nicht allein»<br />
lautete der begleitende Slogan für die nicht-militante<br />
Szene. Zu Anfang der 1990er Jahre, während<br />
der <strong>Asyl</strong>krawalle nach der Wiedervereinigung,<br />
kämpfte die Linke bereits – vereinigt von den Grünen<br />
mit Claudia Roth über die PDS mit Gregor Gysi<br />
bis hin zu den autonomen Hasskappen – für die Öffnung<br />
der Grenzen.<br />
Flüchtlinge aller Länder, vereinigt Euch!<br />
Den theoretischen Unterbau für die Migrations-<br />
Revolution lieferte der als Terrorist verurteilte Italiener<br />
Toni Negri zusammen mit dem US-Amerikaner<br />
Michael Hardt in ihrem im Jahr 2000 erschienen<br />
Bestseller Empire. Der slowenische Philosoph<br />
Slavoj Zizek sprach vom «kommunistischen Manifest<br />
des 21. Jahrhunderts». «Hier kommt der Masterplan»,<br />
verkündete die antinationale Wochenzeitschrift<br />
Jungle World schon in der Überschrift, auch<br />
die marxistische Tageszeitung Junge Welt widmete<br />
dem Werk eine Fortsetzungsserie. «Empire knallt<br />
wie ein gewaltiger Johnny Cash-Song», lobhudelte<br />
es gleich im ersten Teil. Waren zunächst Sponti-Linke<br />
und wildgewordene Bürgerkinder im Negri-Taumel,<br />
so setzte sich der Diskurs später in der Linkspartei<br />
fort. Ende 2006 taucht der italienische Publizist<br />
als Referenzgröße in einem Grundsatzpapier<br />
der heutigen Parteivorsitzenden Katja Kipping auf.<br />
70<br />
Der Bruch mit Marx ist bei den Autoren offensichtlich:<br />
Sie begrüßten sowohl den Welthandel<br />
wie auch die Rolle der USA als Weltpolizisten und<br />
unterstützten sogar dessen Kriege gegen den Irak