COMPACT SPEZIAL 8 "Asyl das Chaos"
So kommt der Bürgerkrieg nach Deutschland
So kommt der Bürgerkrieg nach Deutschland
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<strong>COMPACT</strong> Spezial<br />
_ Die Drahtzieher<br />
Ein Alarmruf<br />
«Die IGD in Deutschland und die<br />
mit ihr unmittelbar oder mittelbar<br />
vernetzten Organisationen,<br />
wie etwa die türkische Milli Görüs,<br />
sind politische Islamisten.<br />
Sie vertreten eine sehr radikale<br />
Haltung, die die absolute Geltung<br />
des Grundgesetzes nicht<br />
akzeptiert. Wie die terroristischen<br />
Islamisten kämpfen sie<br />
für die Verbreitung der Scharia,<br />
doch ihre Vorgehensweise ist<br />
anders: Sie rufen nicht direkt zur<br />
Gewalt auf, sondern nutzen gesetzliche<br />
Freiräume, um gegen<br />
unsere Rechtsordnung vorzugehen.<br />
Die ihnen zugerechneten<br />
Publikationen sind voll von antisemitischer<br />
Hetze und propagieren<br />
die Überlegenheit des Mannes<br />
gegenüber der Frau. Die Frage<br />
zum Beispiel, ob man seine<br />
Ehefrau schlagen sollte, wenn<br />
sie nicht gehorcht, beantworten<br />
politische Islamisten auf ihren<br />
Internetseiten so: erst reden,<br />
dann getrennte Ehebetten,<br />
und wenn auch <strong>das</strong> nicht<br />
hilft, helfen Prügel.» (Die damalige<br />
CDU-Bundestagsabgeordnete<br />
und spätere Bundesfamilienministerin<br />
Kristina Schröder<br />
in der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung, 11.5.2007, nach einem<br />
Auftritt des IGD-Chefs el-Zayat<br />
auf der Islamkonferenz der Bundesregierung)<br />
Das Symbol der IGD. Quelle: IGD<br />
Bild links: «Als Generalbevollmächtigter<br />
der Europäischen Moscheebau-<br />
und Unterstützungsgesellschaft<br />
verwaltet El-Zayat mehr als<br />
600 Moscheen in Europa.» («Kölner<br />
Stadtanzeiger», 19.12.2007)<br />
Foto: Csaba Peter Rakoczy<br />
Gefahr für Deutschland<br />
Die aktuelle Stärke der Muslimbrüder zeigte<br />
sich im Jahr 2012, als sie in Ägypten nach dem<br />
Sturz von Staatschef Hosni Mubarak vorübergehend<br />
die Macht ergreifen und einen der ihren,<br />
Mohammed Mursi, als Präsidenten durchsetzen<br />
konnten. In den Oppositions- und Terrorbewegungen<br />
gegen Baschar al-Assad in Syrien spielten sie,<br />
nicht erst seit dem Ausbruch offener Gewalt 2011,<br />
ebenfalls die zentrale Rolle.<br />
Auch dem türkischen Präsidenten werden Verbindungen<br />
zur MB nachgesagt: «Recep Tayyip Erdogan,<br />
der ewige Muslimbruder», titelte Die Welt<br />
Ende 2013. Tatsächlich hatte sich der machtbewusste<br />
Türke im ägyptischen Machtkampf offen<br />
hinter Mursi gestellt. In jedem Fall gehörte Erdogans<br />
politischer Ziehvater Necmettin Erbakan<br />
der Geheimgesellschaft an: Die MB hatte auf die<br />
Gründung eines türkischen Zweiges verzichtet, weil<br />
sie in der von Erbakan geführten Milli-Görüs-Bewegung<br />
(«Nationale Sicht») Gesinnungsgenossen sah.<br />
«Ihr Ziel bleibt die Errichtung einer<br />
auf der Scharia basierenden<br />
Ordnung.» Verfassungsschutz<br />
Ist es möglich, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> bosnische Szenario<br />
in Mitteleuropa wiederholt? Könnten Erdogan<br />
und die Dschihadisten in Syrien ihre MB-Verbindung<br />
nutzen, um auch Deutschland in einen Bürgerkrieg<br />
zu treiben? Der deutsche Inlandsgeheimdienst<br />
hat jedenfalls ein wachsames Auge auf die<br />
Muslimbrüder mit ihren geschätzt 1.600 Anhängern<br />
in der Bundesrepublik. 2009 fand man einen Vierjahresplan<br />
der MB. «Die darin vorgesehenen Maßnahmen<br />
basieren auf einer Doppelstrategie», heißt<br />
es im bayrischen Verfassungsschutzbericht 2013.<br />
«Nach außen gibt sich die MB offen, tolerant und<br />
dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit<br />
politischen Institutionen und Entscheidungsträgern<br />
an, um so Einfluss im öffentlichen Leben zu gewinnen.<br />
Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der<br />
Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen<br />
Ordnung, wobei die MB für sich die Führungsrolle<br />
für alle Muslime beansprucht.»<br />
Als mitgliederstärkste MB-Organisation in<br />
Deutschland wird die 1958 gegründete Islamische<br />
Gemeinschaft in Deutschland (IGD) mit Sitz in Köln<br />
betrachtet. Am 15. November 2014 veröffentlichte<br />
<strong>das</strong> Kabinett der Vereinigten Arabischen Emirate<br />
eine Liste mit 83 dem islamischen Terrorismus<br />
zuzurechnenden Organisationen. Als einzige<br />
deutsche Organisation ist hier die IGD aufgeführt.<br />
Der in Kairo wohnhafte langjährige oberste MB-<br />
Führer Mohammed Mahdi Akef bezeichnete 2007<br />
den damaligen IGD-Präsidenten Ibrahim el-Zayat<br />
laut einem ARD-Fernsehbeitrag als «Chef der Muslimbrüder<br />
in Deutschland». El-Zayat bestritt <strong>das</strong>.<br />
Das NRW-Innenministerium schrieb, el-Zayats Verbindungen<br />
reichten «durch persönliche Kontakte von<br />
Funktionären und gemeinsame Projekte sowohl in<br />
den Bereich von islamisch-extremistischen Organisationen<br />
arabischstämmiger als auch türkischstämmiger<br />
Muslime, sowie zu einer islamischen Hilfsorganisation,<br />
die im Verdacht steht, heimlich den<br />
islamistischen Terrorismus zu unterstützen».<br />
Während el-Zayat eine Mitgliedschaft in der<br />
Muslimbruderschaft immer leugnete, bezeichnete<br />
er sie als «die wichtigste islamische Reformbewegung<br />
im 20. Jahrhundert», die sich «für die Befreiung<br />
der Frau, für die Lösung sozialer Probleme» einsetze<br />
und «eine an Raum und Zeit angepasste Interpretation<br />
des Korans» fordere – alles Ziele, die<br />
er unterstütze.<br />
Bild rechts: Sie wissen, wem ihre<br />
Loyalität gehört: Türken feiern ihren<br />
Ministerpräsidenten Recep Tayyip<br />
Erdogan im Mai 2014 in Köln. Foto:<br />
picture alliance / AA<br />
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_ Karel Meissner war <strong>COMPACT</strong>-<br />
Volontär und lebt in Birmingham.