verheerende Katastrophen Aktuelle Meldungen ... - Kindernothilfe
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Der bunte Schulkarren ist stets umringt von Kindern. Täglich kommen rund 100 Mädchen und Jungen zum Unterricht.<br />
Das fahrende<br />
Klassenzimmer<br />
<strong>Kindernothilfe</strong> Magazin 4/2007<br />
Bild rechts: Lernmaterial und<br />
vieles mehr kommen an Bord.<br />
Weil die Straßenkinder von Cubao, einem Slum im Großraum der<br />
philippinischen Hauptstadt Manila, den weiten Weg zu Schule nicht<br />
schaffen, kommt die Schule zu ihnen. Mit einem bunten Holzkarren tourt<br />
ein Lehrer durch den Slum und erreicht so auch jene, die sonst nie eine<br />
Chance haben, eine Schule zu besuchen. Fotos: Alfredo Olavidez<br />
„Komm mit mir, dem Wunder-Wagen,<br />
ich bin ,Magat‘, die Schule im Karren!“<br />
Wenn dieses Lied durch die Gassen von<br />
Cubao klingt, hat für die Kinder des Viertels<br />
der Schultag begonnen. Hier, in einem<br />
Elendsviertel nahe der philippinischen<br />
Hauptstadt Manila, leben mindestens 500<br />
Mädchen und Jungen auf der Straße. Sie<br />
schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch,<br />
viele von ihnen prostituieren sich, um zu<br />
überleben. Zur Schule gehen sie nicht –<br />
jedenfalls nicht in ein Schulgebäude. Seit<br />
dem Frühjahr kommen Klassenzimmer<br />
und Lehrer zu ihnen. Der <strong>Kindernothilfe</strong>-<br />
Partner „Street Dwellers Outreach Ministries,<br />
Inc.“ besucht die Jungen und Mädchen<br />
mit einem bunten Holzkarren. An<br />
Bord hat er Lernmaterial, eine Mahlzeit<br />
und Spielzeug.<br />
Diese Wagen, in der Landessprache „kariton“<br />
genannt, gehören in den Philippinen<br />
zum Straßenbild. Für viele Familien ersetzen<br />
sie sogar die eigene Hütte. „Bauern<br />
bringen ihre Ernte damit ein, Handwerker<br />
transportieren Werkzeug, Händler nutzen<br />
sie als Verkaufsstand. Straßenkinder sam-<br />
meln darauf Müll, den sie verkaufen. Für<br />
Menschen, die auf der Straße leben, ist<br />
ihr Kariton der Lebensmittelpunkt“, berichtet<br />
Elenaor Tejano. Die Lehrerin leitet<br />
die Bildungsabteilung des <strong>Kindernothilfe</strong>-<br />
Partners „Street Dwellers“. Sie erläutert,<br />
warum der traditionelle Handkarren sich<br />
so gut als fahrbares Klassenzimmer eignet:<br />
„Die Kinder auf der Straße haben oft<br />
noch nie eine Schule gesehen. Einen<br />
Kariton kennen sie. Unsere mobile Schule<br />
sieht vertraut für sie aus, sie freuen sich<br />
auf den bunten Wagen. So wecken wir<br />
die Neugier und die Lust am Lernen.“<br />
Die „Street Dwellers“ haben 2003 eine<br />
Zentrum für Straßenkinder in Cubao gegründet.<br />
Dort bereiten sie Vorschulkinder<br />
auf die Grundschule vor, geben älteren<br />
Mädchen und Jungen Nachhilfe. Es gibt<br />
Computer und eine Bücherei. Da die<br />
Familien oft zu arm sind, um Schulbücher,<br />
Hefte, Stifte und Uniformen zu kaufen,<br />
Straßenkinder<br />
unterstützen die „Street Dwellers“ sie<br />
finanziell. Wenn nötig, zahlt die Organisation<br />
die Schulgebühren. Für Jugendliche<br />
sucht der <strong>Kindernothilfe</strong>-Partner Ausbildungsstellen<br />
oder vermittelt einfache<br />
handwerkliche Fertigkeiten, mit denen<br />
die Älteren Geld verdienen können.<br />
„Obwohl von Beginn an zahlreiche Schüler<br />
in unser Zentrum kamen, stellten wir<br />
fest, dass für viele Kinder von der Straße<br />
der Weg zu uns zu weit war“, erinnert<br />
sich der Direktor der Stiftung Alfredo<br />
Olavidez. „Deshalb hatten wir die Idee:<br />
Wenn die Kinder nicht zu Schule kommen,<br />
bringen wir die Schule zu den Kindern!“<br />
Zunächst wurde das Modell getestet:<br />
An drei Stellen im Viertel erteilten<br />
ein Lehrer und ein Sozialarbeiter Unterricht<br />
unter freiem Himmel. Der Probelauf<br />
hatte Erfolg, zahlreiche Kinder kamen<br />
regelmäßig. Und so bauten Mitarbeiter<br />
und Straßenkinder den Schulkarren.<br />
Im Frühjahr 2007 war es soweit: Mit<br />
einer kleinen Parade durch das Viertel<br />
stellten Kinder, Eltern und Lehrer die<br />
fahrbare Schule vor. Seitdem bringt der<br />
Kariton jeden Tag den Unterricht zu rund<br />
„Die Kinder freuen sich auf den bunten<br />
Wagen. Er weckt die Lust am Lernen.“<br />
100 Jungen und Mädchen in Cubao. „Wir<br />
knüpfen durch den Schulkarren auch Kontakt<br />
zu den Eltern“, erläutert Alfredo<br />
Olavidez. Nur wenn die Erwachsenen mit<br />
einbezogen würden, könne sich die Situation<br />
im Elendsviertel Cubao dauerhaft<br />
verbessern.<br />
Das Viertel dient, wie so viele Slums in<br />
den Großstädten Asiens, als Anlaufstelle<br />
für jene, die vor der Armut auf dem Land<br />
fliehen. Sie hoffen, in der Stadt einem Job<br />
zu finden und mehr Geld zu verdienen als<br />
in der Landwirtschaft. Doch die meisten<br />
dieser Träume zerplatzen rasch. In den<br />
Slums hausen Familien auf der Straße<br />
oder in winzigen Verschlägen, fließendes<br />
Wasser und Toiletten gibt es nicht. Für<br />
ungelernte Arbeiter bieten sich kaum<br />
Perspektiven. Familien zerbrechen unter<br />
der Last der Armut. Alkohol, Drogen und<br />
Gewalt sind an der Tagesordnung.<br />
Die Einkommensunterschiede in den<br />
<strong>Kindernothilfe</strong> Magazin 4/2007 15