slavolinguistica 5 grammatik des polnischen - Das slavische Verb

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494 2. Vom Lexem zur Wortfügung Aufgrund seiner Fügepotenz (der ‚Valenz’ des Wortes) vermittelt eine Wortform eine Relation mit einem oder mehreren Inhaltswörtern in einer bzw. mehreren Wortfügungen, z.B. in MΩoda studentka slawistyki bardzo szybko czytaΩa artykuΩ o prozie Prusa. ‚Die junge Studentin der Slawistik las sehr schnell einen Artikel über die Prosa von Prus.’ Czytac´ eröffnet eine Leerstelle für ein Substantiv im Nominativ (hier studentka), czytac´ eröffnet auch eine Leerstelle für ein Substantiv im Akkusativ (hier: artykuΩ); mΩody eröffnet eine Leerstelle für ein Substantiv (hier: studentka), studentka eröffnet eine Leerstelle für ein Substantiv im Genitiv (hier: slawistyki), szybko eröffnet eine Leerstelle für ein Verb (hier: czytaΩa), usw. Die Fügepotenz eines Lexems, d.h. eines Inhaltswortes mit einer bestimmten lexikalischen Bedeutung ist dessen Eigenschaft, mit anderen Inhaltswörtern eine sinnvolle syntaktische Einheit zu bilden. Die Fügepotenz hat 1. eine funktionale und 2. eine formale Komponente (auch bezeichnet als semantische und syntaktische Valenz), die determinieren, wie die syntaktische Einheit aussieht, die aus der Kombination des Inhaltswortes mit einem anderen Inhaltswort hervorgeht. Die Beschreibung der funktionalen Komponente ist in der Beschreibung der lexikalischen Bedeutung (= in der Explikation) enthalten. Die Beschreibung der formalen Komponente wird als Rektionsmodell bezeichnet. 1.Betrachten wir für die funktionale Seite zunächst die Beschreibung des Verbs przebaczyc´ ‚verzeihen’. X przebaczy Y-owi (Z) = ‚nachdem sich Y (eine Person) gegenüber X (eine Person) (den Sachverhalt) Z zuschulden kommen lassen hat, teilt X dem Y mit, dass Z für X nicht mehr relevant sein soll’. An der hier beschriebenen Situation, die vom Verb przebaczyc´ bezeichnet wird, sind mehrere Partizipanten – X, Y, Z – beteiligt. Verbunden mit X und Y wird darüber hinaus vermittelt, dass es Personen sind, mit Z, das es ein Sachverhalt ist; solche Angaben gehören nicht zur Kernbedeutung des Lexems und insofern nicht in die eigentliche Explikation. 2.Dem Rektionsmodell ist zu entnehmen, welche Eigenschaften diejenigen Wörter haben, die den Partizipanten entsprechen. Diese Wörter bezeichnen wir als Argumente (auch: ‚Aktanten’, ‚Mitspieler’). Betrachten wir das Rektionsmodell zu przebaczyc´ in der erwähnten Bedeutung: 1 = X [wer verzeiht] 2 = Y [wem verziehen wird] 3 = Z [was verziehen wird] Substantiv (Nominativ) Substantiv (Dativ) Substantiv (Akkusativ)

2.1 Syntax des Lexems: Fügepotenz von Inhaltswörtern 495 Dem Rektionsmodell sind also zu entnehmen die Anzahl der Argumente sowie ihre Wortart und grammatische Kategorie, darunter meist Kasus. Das Rektionsmodell zu einem Wort in einer bestimmten Bedeutung findet man in den erklärenden Wörterbüchern, z.B. Szymczak 1978 (dort ohne Angaben zum Subjekt und unvollständig zu den Kategorien der Partizipanten, meist kogos´, cos´, czegos´ usw.), viele Informationen müssen den Beispielen entnommen werden. Relativ vollständig werden sie in Valenzwörterbüchern angegeben (vgl. zu polnischen Verben z.B. Morciniec 1995). In der oberen Zeile ist in Klammern die ‚Rolle’ umschrieben, die die Partizipanten in der Situation einnehmen. Für die häufigsten dieser Rollen gibt es traditionelle und neue Begriffe, die hier unter dem Oberbegriff ‚(semantische) Kasusrolle’ (auch: ‚Tiefenkasus’ u.a.) zusammengefasst werden sollen. So ist der traditionelle Begriff für die semantische Kasusrolle des Akkusativ-Objekts von kupic´ ‚kaufen’ oder von przebaczyc´ ‚affiziertes Objekt’. Es kann auch angebracht sein, die anderen Eigenschaften der Partizipanten in der oberen Zeile zu notieren, so dass die Tabelle dann eine mehr oder weniger vollständige Beschreibung der Fügepotenz eines Wortes ist. Ein Wort ist im Hinblick auf die Eigenschaft, über eine Fügepotenz zu verfügen, ein Prädikator (auch: ‚Prädikat’, ‚Funktion’, ‚Funktor’, wenn mehrere Argumente vorliegen). Ein Prädikator kann also eine oder mehrere Argumentstellen (Argumentvariablen) haben, przebaczyc´ hat drei Stellen (‚ist ein dreistelliges Verb’), wiedziec´ hat zwei Stellen (‚ist zweistellig’), s´pac´ hat eine Stelle (‚ist einstellig’). Auch Adjektive, vgl. pie˛kny X (pie˛kne mieszkanie), X peΩny Y (wanna peΩna wody), Adverben, vgl. pie˛knie X (pie˛knie mieszkaja˛), dzis´ X, Substantive können eine haben, vgl. sen X-a (sen matki), izolacja X-a od Y-a; Präpositionalphrasen, vgl. w Warszawie (mieszkam) oder Konjunktionen, vgl. zu matka i co´rka: i(matka,co´rka) haben Argumentvariablen. Zwischen Prädikator und Argument(en) besteht eine Relation der ‚Abhängigkeit’ (auch: ‚Dependenz’), hier jedoch der Deutlichkeit halber als ‚Prädikator-Argument- Relation’ bezeichnet. Das Argument hängt vom Prädikator ab, in ona mu przebaczyΩa sind ona und mu abhängig von przebaczyΩa. Diese (semantische) Abhängigkeit ist strikt zu unterscheiden von der syntaktischen Unterordnung. So ist z.B. in pie˛kne niebo das Substantiv niebo abhängig von pie˛kne, es ist ihm aber syntaktisch, wie unten gezeigt wird, untergeordnet. Die Kombination aus dem Prädikator und einem oder mehreren (allen) Argumenten bezeichnen wir als ‚Prädikation’. Eine oder mehrere Prädikationen, die einem Elementarsatz entsprechen, bilden eine Proposition. Prädikationen und Propositionen sind unabhängig von der Satzoberfläche. Mit ihnen arbeitet man z.B., wenn man Ellipsen restituieren will, wenn die semantische Gemeinsamkeit von syntaktisch unterschiedlichen Sätzen beschrieben werden soll (z.B. die von Aktiv- und Passiv-Sätzen) oder wenn implizite Sätze explizit gemacht werden sollen.

2.1 Syntax <strong>des</strong> Lexems: Fügepotenz von Inhaltswörtern 495<br />

Dem Rektionsmodell sind also zu entnehmen die Anzahl der Argumente sowie ihre Wortart<br />

und grammatische Kategorie, darunter meist Kasus. <strong>Das</strong> Rektionsmodell zu einem Wort<br />

in einer bestimmten Bedeutung findet man in den erklärenden Wörterbüchern, z.B. Szymczak<br />

1978 (dort ohne Angaben zum Subjekt und unvollständig zu den Kategorien der Partizipanten,<br />

meist kogos´, cos´, czegos´ usw.), viele Informationen müssen den Beispielen entnommen<br />

werden. Relativ vollständig werden sie in Valenzwörterbüchern angegeben (vgl.<br />

zu <strong>polnischen</strong> <strong>Verb</strong>en z.B. Morciniec 1995).<br />

In der oberen Zeile ist in Klammern die ‚Rolle’ umschrieben, die die Partizipanten<br />

in der Situation einnehmen. Für die häufigsten dieser Rollen gibt es traditionelle und neue<br />

Begriffe, die hier unter dem Oberbegriff ‚(semantische) Kasusrolle’ (auch: ‚Tiefenkasus’<br />

u.a.) zusammengefasst werden sollen. So ist der traditionelle Begriff für die semantische<br />

Kasusrolle <strong>des</strong> Akkusativ-Objekts von kupic´ ‚kaufen’ oder von przebaczyc´ ‚affiziertes<br />

Objekt’. Es kann auch angebracht sein, die anderen Eigenschaften der Partizipanten in der<br />

oberen Zeile zu notieren, so dass die Tabelle dann eine mehr oder weniger vollständige<br />

Beschreibung der Fügepotenz eines Wortes ist.<br />

Ein Wort ist im Hinblick auf die Eigenschaft, über eine Fügepotenz zu verfügen,<br />

ein Prädikator (auch: ‚Prädikat’, ‚Funktion’, ‚Funktor’, wenn mehrere Argumente vorliegen).<br />

Ein Prädikator kann also eine oder mehrere Argumentstellen (Argumentvariablen)<br />

haben, przebaczyc´ hat drei Stellen (‚ist ein dreistelliges <strong>Verb</strong>’), wiedziec´ hat zwei Stellen<br />

(‚ist zweistellig’), s´pac´ hat eine Stelle (‚ist einstellig’).<br />

Auch Adjektive, vgl. pie˛kny X (pie˛kne mieszkanie), X peΩny Y (wanna peΩna wody),<br />

Adverben, vgl. pie˛knie X (pie˛knie mieszkaja˛), dzis´ X, Substantive können eine haben,<br />

vgl. sen X-a (sen matki), izolacja X-a od Y-a; Präpositionalphrasen, vgl. w Warszawie<br />

(mieszkam) oder Konjunktionen, vgl. zu matka i co´rka: i(matka,co´rka) haben Argumentvariablen.<br />

Zwischen Prädikator und Argument(en) besteht eine Relation der ‚Abhängigkeit’<br />

(auch: ‚Dependenz’), hier jedoch der Deutlichkeit halber als ‚Prädikator-Argument-<br />

Relation’ bezeichnet. <strong>Das</strong> Argument hängt vom Prädikator ab, in ona mu przebaczyΩa sind<br />

ona und mu abhängig von przebaczyΩa. Diese (semantische) Abhängigkeit ist strikt zu unterscheiden<br />

von der syntaktischen Unterordnung. So ist z.B. in pie˛kne niebo das Substantiv<br />

niebo abhängig von pie˛kne, es ist ihm aber syntaktisch, wie unten gezeigt wird, untergeordnet.<br />

Die Kombination aus dem Prädikator und einem oder mehreren (allen) Argumenten<br />

bezeichnen wir als ‚Prädikation’. Eine oder mehrere Prädikationen, die einem Elementarsatz<br />

entsprechen, bilden eine Proposition.<br />

Prädikationen und Propositionen sind unabhängig von der Satzoberfläche. Mit ihnen<br />

arbeitet man z.B., wenn man Ellipsen restituieren will, wenn die semantische Gemeinsamkeit<br />

von syntaktisch unterschiedlichen Sätzen beschrieben werden soll (z.B. die von<br />

Aktiv- und Passiv-Sätzen) oder wenn implizite Sätze explizit gemacht werden sollen.

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