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slavolinguistica 5 grammatik des polnischen - Das slavische Verb

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7. <strong>Verb</strong>en<br />

Narrative Tempusfunktionen liegen immer dann vor, wenn der Hörer oder Leser sich mit<br />

seiner Vorstellung zeitlich ‚gleichauf’ mit der dargestellten Situation, quasi in der dargestellten<br />

Welt befindet. Dies ist unabhängig davon, ob die Situationen im Präsens oder im<br />

Präteritum dargestellt werden. Bei Direktreportagen wird der Hörer ebenso in die berichtete<br />

Welt versetzt wie im historischen Präsens, also dann, wenn ein Sprecher über Vergangenheit<br />

im Präsens berichtet. Romane benutzen demgegenüber als erzählen<strong>des</strong> Tempus<br />

normalerweise das Präteritum.<br />

Während bei relativer Lokalisierung an die Stelle der Sprechzeit als dominanter<br />

Lokalisator ein Sprech-, Denk- o.ä. -akt tritt, tritt bei der narrativen Lokalisierung an die<br />

Stelle der Sprechzeit als dominanter Lokalisator das ‚Psychische Jetzt’, die Zeit, in der der<br />

Leser oder Hörer die erzählte Situation liest oder hört und verarbeitet. Der Leser rezipiert<br />

die Textpassage so, als ob der Erzähler ‚jetzt’ über etwas Gegenwärtiges spricht und stellt<br />

sich das Erzählte so vor, als erlebe er es direkt.<br />

<strong>Das</strong>s dies so ist, kann man sich klar machen, wenn man den Inhalt von als Direktreportage<br />

liest (im Theater entspricht dem die sogenannte Mauerschau). Dabei ist das Präteritum<br />

in durch das ipf. Präsens zu ersetzen:<br />

(Genowefa) stawia wiadra na ziemi i odgarnia kosmyk z czoΩa. Eli chwyta wiadra i<br />

rusza za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛. Ona mo´wi cos´, nie odwracaja˛c sie˛.<br />

Mit einer kleinen Änderung <strong>des</strong> verbalen ‚Vorzeichens’ (postawiΩa) kann der Rest <strong>des</strong> Ausschnittes<br />

auch als historisches Präsens gelesen werden:<br />

(Genowefa) postawiΩa wiadra na ziemi i odgarnie kosmyk z czoΩa. Eli chwyta wiadra<br />

i ruszy za nia˛ kamienista± dro´z˙ka˛. Ona mo´wi cos´, nie odwracaja˛c sie˛.<br />

Nicht möglich ist eine solche Tempusersetzung, wenn das Präteritum deiktisch, also relativ<br />

zur Sprechzeit lokalisiert ist. Würde<br />

– Zme˛z˙niaΩes´.<br />

ins Präsens gesetzt, dann würde das, ganz anders als bei der Umwandlung <strong>des</strong> narrativen<br />

Präteriums in ein historisches Präsens, den Sinn (und den Wahrheitswert) völlig ändern.<br />

Der Grund dafür ist, dass bei den narrativen Tempusfunktionen <strong>des</strong> Präteritum und Präsens<br />

die aktionale Situation subjektiv gleichzeitig lokalisiert wird, sie wird in der Vorstellung so<br />

reproduziert, als sehe man sie, nehme sie direkt wahr. Demgegenüber fällt beim deiktischen<br />

Präteritum die subjektive und die deiktische Lokalisierung zusammen, das Präteritum<br />

hat hier die Funktion ‚vorzeitig (zur Sprechzeit und zum Psychischen Jetzt)’. Im narrativen<br />

Präteritum ist die Funktion ‚vorzeitig zur Sprechzeit’ nicht dominant (auch z.B.<br />

Science Fiction oder utopische Romane werden im narrativen Präteritum erzählt), dominant<br />

ist die Lokalisierung ‚gleichzeitig zum Psychischen Jetzt’.

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