slavolinguistica 5 grammatik des polnischen - Das slavische Verb

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20 1. Einleitung Besonders bei der Konstitution von Sinn geschieht etwas, was auch für die grammatischen Bereiche und den Bereich ‚Diskurs’ und die Konstitution von formalen Einheiten gilt: Größere Einheiten können sehr oft nicht als bloße Summe der Verbindung kleinerer Einheiten rekonstruiert werden. Die Kombination von formalen und/oder funktionalen Einheiten führt oftmals zu größeren Einheiten, in denen mehr enthalten ist, als das, was sich bei einem bloßen Zusammenkoppeln (der ‚Komposition’) der kleineren Einheiten ergäbe. Vgl. z. B. folgende Äußerungen: pod zdechΩym psem = ‚sehr schlecht, unter aller Kanone’, wörtlich: ‚unter einem toten Hund’ jestem do przodu = ‚ich habe Erfolg gehabt’, wörtlich: ‚ich bin nach vorn'. Jeder, der nicht nur primitive Texte liest, weiß, wieviel Wissen häufig zugeschossen werden muss, um sprachliche Erzeugnisse zu verstehen. Die Kenntnis der Bedeutung der Morpheme oder auch der Wörter und die der Regeln ihrer Kombination reicht dazu nicht aus. Kraft ihrer Bedeutung kann mit der äußeren Form etwas bezeichnet werden, mit dom kann im entsprechenden Kontext ein reales Haus bezeichnet werden, aber auch ein fiktives wie das Hexenhaus von Hänsel und Gretel. Mit zapomniaΩam z.B. kann ein realer, aber auch ein erlogener Akt des Vergessens bezeichnet werden. Diese Funktion einer sprachlichen Einheit ist ihre semantische Funktion (Bezeichnungsfunktion). Semantisch sind also die Relationen zwischen der äußeren Form und dem dargestellten Sachverhalt oder dem geistigen Inhalt, der dem dargestellten Sachverhalt entspricht (der semantischen Bedeutungskomponente). (Besonders in der Slavistik wird allerdings ‚semantisch’ und ‚Semantik’ auch in einem weiten Sinne gleichbedeutend für alle Funktionen der Form, die ganze ‚Bedeutung’, den ‚Sinn’ und die ‚Bezeichnungsfunktion’ verwendet. Damit wird der Ausdruck ‚Semantik’ in einem weiten Sinne gebraucht.) Während die semantischen Relationen die Beziehung des sprachlichen Zeichens zur Welt erfassen, beziehen sich die pragmatischen Relationen auf seine Beziehungen zu Sprecher und Hörer und ihr Handeln. Denn es können mit sprachlichen Formen bestimmte Akte vollzogen werden, z.B. kann mit Tak. ‚Ja.’ ein vorliegender Vertrag abgeschlossen werden. Die Funktion einer Form, mit der ein Sprecher einen sozialen Akt ausführt bzw. ausführen kann, mit der er seine Einstellung gegenüber seiner Äußerung zu erkennen gibt, vgl. Moz˙e, przyjdzie. oder mit der er seine Einstellung zur dargestellten Sachverhalt deutlich macht, vgl. Janek zjadΩ az˙ pie±c´ banano´w, pragmatische Funktionen, die entsprechenden Bedeutungskomponenten sind pragmatisch. (In einem weiteren Sinne wird ‚pragmatisch’ auch für Funktionen gebraucht, die sich ergeben, wenn logische oder wahrscheinliche Schlüsse/Inferenzen aus gegebenen Äußerungen gemacht werden; z.B. wäre der Schluss aus Auch ich war in Warschau, dass der oder ein Gesprächspartner in Warschau war, oder ein möglicher Schluss aus Jan verließ das Restaurant, ohne ein Trinkgeld zu geben, dass Jan unzufrieden mit dem Kellner war.)

1. Einleitung 21 Zur Verdeutlichung der Ausdrücke ‚semantisch’ und ‚pragmatisch’ im engeren Sinne: Bei der Veränderung einer semantischen Funktion ändert sich der dargestellte Sachverhalt (ändert sich der Wahrheitswert eines Satzes), bei der Veränderung der pragmatischen Funktion ändert sich nichts am dargestellten Sachverhalt. Die semantische Funktion hat einen Einfluss darauf, wie die Frage ‚Wahr oder falsch?’ diskutiert wird, die pragmatische darauf, wie darauf, ob die veränderte Einheit für die erfolgreiche Realisierung der Kommunikationssituation geeignet, angemessen ist. Eine sprachliche Form hat eine stilistische Funktion, wenn ihre Verwendung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Teilsprache/Varietät oder Stilschicht erkennen lässt. Man sagt dann, ein Wort habe eine stilistische Färbung (‚odcien´ stylistyczny’) oder sei stilistisch markiert. Eine erste Unterscheidung unter stilistischen Funktionen ist die zwischen funktionaler Markiertheit und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Stilschicht. So gehört oddawac´ sie± lekturze der Schriftsprache, gΩupia koza der Umgangssprache an (funktionale Markiertheit). Umrzec´ gehört der neutralen, rozstac´ sie± z z˙yciem einer gehobenen, wykorkowac´ ‚abkratzen’ einer niederen Stilschicht an. Die semantischen, pragmatischen und stilistischen Eigenschaften von sprachlichen Einheiten bestimmen auch die Möglichkeiten ihrer Kombination mit anderen Einheiten. Die sprachlichen Einheiten haben also zugleich, jeweils in verschiedenem Ausmaß, kombinatorische Funktionen. PeΩny kann u.a. mit Substantiven für hohle Gegenstände (peΩne wiadro ‚ein voller Eimer’) kombiniert werden sowie mit Substantiven für konkrete Objekte, wobei diese Substantive im Genitiv oder Instrumental stehen (wiadro peΩne wody ‚ein mit Wasser gefüllter Eimer’). Die Bedingung, dass im Zusammenhang mit dem Ausdruck von ‚voll’ bestimmte Substantive in bestimten Kasus gebraucht werden, ist auf kombinatorische Funktionen von peΩny zurückzuführen. Eine Sprache wie Polnisch ist ein Konstrukt, mit dem die Tatsache erfasst wird, dass ein bestimmter geistiger Inhalt vieler Individuen so übereinstimmt, dass diese Individuen sich verstehen. Allgemeinste Funktionen einer solchen Sprache und sprachlicher Erzeugnisse überhaupt (‚Sprachfunktionen’, gegenüber den bisher behandelten ‚Zeichenfunktionen’) sind ihre soziale (gesellschaftliche, auch: kommunikative) und ihre kognitive Funktion. Die Sprache ist Instrument bei der Realisierung von interpersonalem Handeln und sie ist Instrument für das Speichern und Verarbeiten von Inhalten. Damit ist ihre Rolle in und für die Gesellschaft und im und für den menschlichen Geist angesprochen. In der Gesellschaft z.B. konstutiert die polnische Standardsprache soziale Gemeinschaft, der Warschauer Jugendjagon soziale Abgrenzung. Sprache ist ein Teil des gespeicherten Wissens, das Verstehen sprachlicher Äußerungen ist einer der Prozesse der Verarbeitung von Wahrgenommenem. Die soziale und die kommunikative Funktion sind gleichzeitig wirksam, können und müssen aber als verschiedene Aspekte ein und derselben Erscheinung beschrieben werden, mit sehr verschiedenen Fragestellungen und Methoden (s.u. Soziolinguistik und Psycholinguistik).

20 1. Einleitung<br />

Besonders bei der Konstitution von Sinn geschieht etwas, was auch für die grammatischen<br />

Bereiche und den Bereich ‚Diskurs’ und die Konstitution von formalen Einheiten<br />

gilt: Größere Einheiten können sehr oft nicht als bloße Summe der <strong>Verb</strong>indung kleinerer<br />

Einheiten rekonstruiert werden. Die Kombination von formalen und/oder funktionalen<br />

Einheiten führt oftmals zu größeren Einheiten, in denen mehr enthalten ist, als das, was<br />

sich bei einem bloßen Zusammenkoppeln (der ‚Komposition’) der kleineren Einheiten<br />

ergäbe. Vgl. z. B. folgende Äußerungen:<br />

pod zdechΩym psem = ‚sehr schlecht, unter aller Kanone’, wörtlich: ‚unter einem<br />

toten Hund’<br />

jestem do przodu = ‚ich habe Erfolg gehabt’, wörtlich: ‚ich bin nach vorn'.<br />

Jeder, der nicht nur primitive Texte liest, weiß, wieviel Wissen häufig zugeschossen werden<br />

muss, um sprachliche Erzeugnisse zu verstehen. Die Kenntnis der Bedeutung der<br />

Morpheme oder auch der Wörter und die der Regeln ihrer Kombination reicht dazu nicht<br />

aus.<br />

Kraft ihrer Bedeutung kann mit der äußeren Form etwas bezeichnet werden, mit<br />

dom kann im entsprechenden Kontext ein reales Haus bezeichnet werden, aber auch ein<br />

fiktives wie das Hexenhaus von Hänsel und Gretel. Mit zapomniaΩam z.B. kann ein realer,<br />

aber auch ein erlogener Akt <strong>des</strong> Vergessens bezeichnet werden. Diese Funktion einer<br />

sprachlichen Einheit ist ihre semantische Funktion (Bezeichnungsfunktion). Semantisch<br />

sind also die Relationen zwischen der äußeren Form und dem dargestellten Sachverhalt<br />

oder dem geistigen Inhalt, der dem dargestellten Sachverhalt entspricht (der semantischen<br />

Bedeutungskomponente). (Besonders in der Slavistik wird allerdings ‚semantisch’ und<br />

‚Semantik’ auch in einem weiten Sinne gleichbedeutend für alle Funktionen der Form, die<br />

ganze ‚Bedeutung’, den ‚Sinn’ und die ‚Bezeichnungsfunktion’ verwendet. Damit wird<br />

der Ausdruck ‚Semantik’ in einem weiten Sinne gebraucht.)<br />

Während die semantischen Relationen die Beziehung <strong>des</strong> sprachlichen Zeichens<br />

zur Welt erfassen, beziehen sich die pragmatischen Relationen auf seine Beziehungen zu<br />

Sprecher und Hörer und ihr Handeln. Denn es können mit sprachlichen Formen bestimmte<br />

Akte vollzogen werden, z.B. kann mit Tak. ‚Ja.’ ein vorliegender Vertrag abgeschlossen<br />

werden. Die Funktion einer Form, mit der ein Sprecher einen sozialen Akt ausführt bzw.<br />

ausführen kann, mit der er seine Einstellung gegenüber seiner Äußerung zu erkennen gibt,<br />

vgl. Moz˙e, przyjdzie. oder mit der er seine Einstellung zur dargestellten Sachverhalt deutlich<br />

macht, vgl. Janek zjadΩ az˙ pie±c´ banano´w, pragmatische Funktionen, die entsprechenden<br />

Bedeutungskomponenten sind pragmatisch. (In einem weiteren Sinne wird ‚pragmatisch’<br />

auch für Funktionen gebraucht, die sich ergeben, wenn logische oder wahrscheinliche<br />

Schlüsse/Inferenzen aus gegebenen Äußerungen gemacht werden; z.B. wäre der<br />

Schluss aus Auch ich war in Warschau, dass der oder ein Gesprächspartner in Warschau<br />

war, oder ein möglicher Schluss aus Jan verließ das Restaurant, ohne ein Trinkgeld zu<br />

geben, dass Jan unzufrieden mit dem Kellner war.)

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